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Durchaus nicht besonders wertvoll: Experten kritisieren Impfgegner-Streifen „Eingeimpft“

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Die Kritik an dem verkappten Impfgegner-Film

Eingeimpft – Familie mit Nebenwirkungen“

zieht Kreise.

Bei Zeit Wissen erklärt die Psychologin Cornelia Betsch von der Uni Erfurt:

Skeptizismus ist wichtig. So funktioniert Wissenschaft: Einer behauptet mal was anderes, bringt vielleicht Evidenz dafür, mehr Menschen machen mit und prüfen, was an der These dran ist. Doch das Prinzip des Films ist ein anderes, er ist geleitet von impfskeptischen Büchern: Rausgepickt sind einzelne Wissenschaftler, die mit ihrer Meinung gegen den Konsens gehen, die gesamte Beweislage wird dann aber nicht angeschaut. So beantworte ich keine Fragen, so arbeiten Verschwörungstheoretiker […]

Wir sind gut darin, Betrug zu wittern – selbst wenn es dafür keinen Grund gibt. Institutionen sind also in der Bringschuld. Die Stiko arbeitet sehr transparent, man kann alles auf der Webseite nachlesen, und folgt dabei internationalen Vorgaben. Ich lasse meine Kinder nach den Stiko-Empfehlungen impfen, weil ich die Kommission für ein sehr vertrauensvolles Gremium halte.

Das gezeigte Paar im Film aber will alles selbst erfahren. Am Anfang geht es um Tetanus. „Lassen wir lieber“, heißt es. Dann hat das Kind jedoch eine Wunde und sie sagen: „Besser impfen wir doch.“ Die Impfung gegen Masern verweigern sie, bis es einen Ausbruch in Berlin gibt. So geht es weiter. Dass das Vertrauen in die Organisationen so gering ist und man meint, man müsse die Suche alleine machen, ist besonders traurig.

Die Stiko und andere Gremien haben sich ja schließlich schon mal um all ihre Fragen gekümmert; viel ausgewogener und besser, als die Protagonisten es können. Das ist Kunst, was Herr Sieveking gemacht hat, kein wissenschaftlicher Informationsfilm. Damit befriedigt er das Bedürfnis vieler Ratsuchenden nicht.“

Das Science Media Center Germany hat eine Dokumentation mit Statements von einem Dutzend Experten zusammengestellt, darunter Cornelia Betsch, Skeptiker-Autor Philipp Schmid, Susanne Modrow (Professorin für Molekulare Virologie und Genetik an der Universität Regensburg), Lothar H. Wieler (Präsident des Robert Koch-Instituts) und Klaus Cichutek (Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts).

Schmid kritisiert insbesondere die FBW-Auszeichnung für „Eingeimpft“:

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) hat dem Film das ‚Prädikat besonders wertvoll’ zugeschrieben und schreibt im dazugehörigen Pressetext: „Ganz nebenbei erhält der Zuschauer eine Menge Informationen über das Thema Impfen“.

Aus wissenschaftlicher Perspektive erhält der Zuschauer meines Ermessens neben einigen Informationen einen unverhältnismäßig großen Anteil an Falschinformationen. Aufgrund weitreichender Konsequenzen von zu geringen Impfquoten – für das Individuum wie für die Gesellschaft – sollten Filme dieser Art nicht nur aus künstlerisch-filmischer Sicht betrachtet, sondern auch nach ihrer wissenschaftlichen Reflektiertheit und Methode bewertet werden.

Eine Kennzeichnung von Filmen mit einem ‚Prädikat für wissenschaftlich wertvolle Filme’ könnte eine echte Hilfestellung für Eltern sein, die vor der Impfentscheidung stehen. Ein Prädikat, das diesem Film nicht zugeschrieben werden kann.“

Der Berliner Tagesspiegel spricht ein altbekanntes Problem an:

Der Film versucht sich an einem vermeintlich „ausgewogenen“ Pro-und-Contra-Schema, das die Realität aber in etwa so unausgewogen darstellt wie ein Artikel über den Klimawandel, in dem jene, die meinen, es gebe ihn gar nicht, ebenso viel Platz bekommen wie Forscher, die ihn anhand von Daten klar nachweisen können.

„Im Bereich des Impfens widerspricht dieses augenscheinlich ausgewogene Vorgehen vollkommen dem Expertenkonsens und der Verteilung der Meinung in der Bevölkerung und suggeriert eine Gleichverteilung der Meinungen“, kommentiert Cornelia Betsch, Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation mit Schwerpunkt Impfentscheidung an der Universität Erfurt. Verunsicherung sei die Folge.“

Zur kritischen Info-Seite von GWUP und Konsumentenbund geht es hier.

Update vom 22. August: Magazin der deutschen Programmkinos verweist auf die GWUP-Kritik an „Eingeimpft“

Zum Weiterlesen:

  • „Eingeimpft“: GWUP und Konsumentenbund starten Info-Seite über einen verkappten Impfgegnerfilm, GWUP-Blog am 20. August 2018
  • „Eingeimpft“: „So beantworte ich keine Fragen, so arbeiten Verschwörungstheoretiker“, Zeit-Online am 20. August 2018
  • Impfen – schädlich oder nicht? Tagesspiegel am 20. August 2018
  • Dokumentation „Eingeimpft“ und eine Art wissenschaftliche Rezension, science media center am 17. August 2018
  • Die Masernparty – ein Fall für den Staatsanwalt? Nobmann Medizin & Recht am 20. August 2018
  • Impfen und die Verantwortung der Medien, Psiram am 24. Februar 2015
  • Impfungen: Man muss nicht jedes Thema im Fernsehen „Pro und Contra“ diskutieren, GWUP-Blog am 1. Januar 2018

13 Kommentare

  1. Auch Zeit-online verlinkt jetzt unter dem Betsch-Interview auf die GWUP!

  2. Einzelmeinungen zählen mehr als Fakten und Evidenz – diese Botschaft vermittelt David Sievekings Dokumentation »Eingeimpft«.

    https://www.spektrum.de/kolumne/im-zeichen-der-egozentrik/1585976

  3. Susannchens kleine Impfkunde – Heute: Angst vor Impfschäden und Risiken?

    https://susannchen.info/?p=2162

  4. Die Zeit nochmal:

    „Bücher wie „Eingeimpft“ erwecken den Eindruck, jeder könne Impfexperte sein. Das ist nicht nur Unsinn, sondern führt auch in eine Welt, in der Fakten nichts mehr gelten.“

    https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-08/impfgegner-dokumentation-eingeimpft-wissenschaft-kritik

  5. so wie ich die inhaltsangabe verstanden habe, wird dann da masernfälle vorkommen, doch noch geimpft.
    dem autor/filmemacher sollte mal klargemacht werden, daß er den sinn des impfens überhaupt nicht verstanden hat.
    denn geimpft wird „damit“ eine masernepedemie garnicht erst ausbricht.
    wenn sie schon da ist kann es zu spät sein.

  6. Vorsicht Satire:
    „Kann mal jemand einen Film machen wo Kinder komplett mit Kokosnüssen und Globoli von der Umwelt isoliert an einer Masernparty teilnehmen ;-)!
    Also mit Minions/Frozenpflastern total zugepflastert ,unter denen Globoli stecken.
    Und ensprechend zurecht gesägte Kokosnüsse,die den Kopf, Extremitäten usw schützen…
    der „Helm“ ist kokosnussöldicht wird bis obenhin mit K.-N.-Ö gefüllt.
    Das ganze in Alufolie gepackt macht die Sache rund!
    So bekommen die Kleinen garantiert keine Masern oder Autismus!“
    Inspiriert von den Luftpolsteranzügen in „Ey man,wo ist mein Auto?“
    Und dem Schwarzen Ritter-Mindset aus „Die Ritter der Kokosnuss“…

  7. Gut so, auch der Kritikabschnitt auf Wikipedia wird umfangreicher.

  8. Die AOK ist nur konsequent. Sie stellt sich in eine Reihe mit der FBW.

  9. Wahrscheinlich haben die Impfgegegner ein kleines Problem mit dem Begriff „Herden“-Immunität – klingt ja viel zu sehr nach Schlafschafen, bösem Kollektivismus, fehlender Individualität und Selbstverwirklichung – war jetzt etwas neben dem Thema, fiel mir aber gerade so ein.

    Und noch was nebenbei: In den Rezensionen wurde die Schlußszene des Films (Frau stellt fest, daß sie wieder schwanger ist und sagt entsezt zum Mann, dass er doch gesagt habe, er habe aufgepaßt) bereits mehrfach (auch im Zusammenhang mit der Impfentscheidung des Paares) analysiert.

    Ich denke nur gerade, daß mir im Aufklärungsunterricht in der Schule völlig zurecht eingebleut wurde, daß der Coitus interruptus (vulgo: „Aufpassen“) mit Abstand die dämlichste Vehütungsmethode der Welt ist (Nebenbei: Gibt es eigentlich Levonorgestrelglobuli C200 und wirken die auch, oder noch besser Präservativ D12?).

    Hoffen wir, daß dieser Teil des Filmes nicht auch autobiographisch ist, denn sonst müßte man sich um die geistige Gesundheit des Herrn Sieveking ziemliche Sorgen machen – wenn wir das nicht schon aufgrund des Restes seines Filmes tun würden…

  10. Heute (23.08.2018) im SWR2-Forum:
    http://avdlswr-a.akamaihd.net/swr/swr2/forum/2018/08/swr2-forum-20180823-warum-menschen-das-impfen-in-frage-stellen.m.mp3

    Es diskutieren: Prof. Dr. Robert Jütte – Medizinhistoriker, Stuttgart, Dr. Jan Oude-Aost – Kinder- und Jugendpsychiater, Dresden, David Sieveking – Film- und Buchautor, Berlin Gesprächsleitung: Sonja Striegl

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