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Globuli sind nutzlos und bei Impfverweigerern wird er sauer: der „kinderdoc“ im Interview

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Im Tagesspiegel gibt’s ein großes Interview mit dem kinderdoc.

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Ein Auszug:

Passiert Ihnen das manchmal, dass Sie von Ihrem Arztstuhl aufspringen und die Eltern Ihrer kleinen Patienten so richtig durchschütteln wollen?

Ja, wenn ich eine Impfverweigerin vor mir habe. Oder eine Globuli-Gläubige, dann juckt es mich in den Fingern.“

Aktuell diskutiert man über die Bezuschussung von Homöopathie durch Krankenkassen.

Ich bin überzeugt, dass die Kügelchen keinerlei Wirkung haben, abgesehen von dem Placebo-Effekt und der Placebo-by-Proxy-Wirkung.“

Was ist das Letztere?

Es wirkt über das gute Gefühl der Eltern, die es dem Kind oder auch dem Tier geben. Was mich ärgert: Diese Kugeln stehen gleichberechtigt zur etablierten Medizin. Es gibt viele Kollegen, die sagen: „Dann mache ich ein bisschen Globuli, das wollen die Eltern.“

So argumentieren auch Krankenkassen. Außerdem wird den Kindern vermittelt, dass man immer was geben muss. Blauer Fleck? Kügelchen. Leichte Erkältung? Kügelchen. Immer wird etwas genommen. Das setzt sich fest.“

In Berlin gibt es alle paar Jahre eine Masernwelle. Wie halten Sie es mit impfkritischen Eltern?

Wer alle Impfungen komplett verweigert, den versuche ich zu überreden, ich drücke mich einmal vorsichtig aus, einen Arzt zu suchen, der das mittragen kann. Sprich: Die schmeiße ich raus.“

Zum Weiterlesen:

  • Kinderarzt im Interview „Wer alle Impfungen verweigert, den schmeiße ich raus“, tagesspiegel am 30. Mai 2017
  • Der Kinderdoc zu Impfungen, GWUP-Blog am 12. Juni 2014
  • Kohle scheffeln durchs Impfen, kinderdoc am 30. März 2014
  • Die Impfpflicht – eine Polemik, kinderdoc am 3. Juli 2013
  • Impfpflicht: Wer die Eltern entscheiden lässt, riskiert Menschenleben, ZeitWissen am 1. Juni 2017
  • Here’s the visual proof of why vaccines do more good then harm, sciencemag am 27. April 2017

12 Kommentare

  1. Vielleicht hab ich es hier schon mal geschrieben. die Kinderärztin, zu der unsere Mutter mit uns ging, war Impfgegnerin, vielleicht weil sie in der Nazi-Zeit studiert hatte. Sie argumentierte jedenfalls ggü. unserer Mutter, daß das Immunsystem durch die Erkrankungen gestärkt würde.

    In der Folge waren wir weder gegen Masern noch Mumps noch Windpocken geimpft, und diese Krankheiten erwischten uns dann jeweils alle zusammen in den Sommerferien fernab der städtischen Heimat.

    Bei meinem jüngsten Bruder wurde es einmal anscheinend knapp, weil sein hohes Fieber trotz Kältebad nicht sank (wir waren in einem damals sozialistischen Staat in Urlaub, und in der Klinik, in die die Eltern schließlich mit dem Bruder fuhren, wurden sie ziemlich rund gemacht wegen der fehlenden Masern-Impfung).

    Worauf ich hinaus will, ist, daß das zwar bei mir nicht bewirkte, Impfungen abzulehnen, aber vielleicht hat das bei anderen Kindern, die bei ähnlich argumentierenden Kinderärzt_innen in Behandlung waren und die Erwachsenengespräche mithörten, dazu beigetragen, daß sie später, als Eltern mit eigenen Kindern, Impfungen für diese ablehnen, weil sie irrtümlich überzeugt sind, selber aus den Erkrankungen gestärkt hervorgegangen zu sein, und dieses auch ihren Kindern wünschen …

  2. @ W-Day:

    Sorry, aber wer als Kind selber Masern, Mumps oder Windpocken durchgemacht hat, muss schon ziemlich meschugge sein, wenn er seinen eigenen Kindern diese Impfungen vorenthält.

  3. @ noch’n Flo: Andererseits gibt es das öfters, dass Leute, die Schlimmes durchmachen mussten, das ihrerseits an die nächsten weitergeben. Zwei Beispiele sind schlimme bis barbarische Initiationsriten bei Armeen etwa (die berüchtigte Djedowschtschina in der russischen Armee etwa) und weibliche Genitalverstümmelung v.a. in Afrika. Beides wird maßgeblich von Leuten am Laufen gehalten und praktiziert, die es selbst erlitten haben. Warum nicht auch Impfverweigerung und das Durchmachen von Kinderkrankheiten?

  4. @ noch’n Flo, ich versuche mich in die seltsame Welt von Impfgegner_innen hineinzudenken, und die ist ja nicht wissenschaftlich-medizinisch logisch. Meine eigene Masernerkrankung ist mir nur undeutlich in Erinnerung, so geht das vermutlich den meisten, wenn der Verlauf nicht dramatisch war.

  5. mein sitznachbar in der grundschule hatte polio lebend überstanden und lief mit einer metallenen orthese an zwei krücken. also kenne ich die schlimmen folgen, wer sowas erlebt verschwendet keinen gedanken ob impfen nützlich ist oder nicht.

  6. Vor einigen Tagen kam ich mit einer eigentlich (zunächst) ganz vernünftig wirkenden Dame ins Gespräch. Als das Thema Impfen kam, brauste sie auf:
    „Wer weiß, was da an Wirkstoffen drin ist. Vielleicht will der Staat uns Bürger dazu bringen, früher zu sterben, damit später das Rentenproblem gelöst ist. Oder vielleicht ist da was drin, was die Persönlichkeit der Bürger verändert…!“

    Als ich was dazu sagen wollte, stand die Dame auf, zahlte und fauchte mich noch an: „Ach hören Sie doch auf, Sie sind wohl auch einer von denen, die Impfungen befürworten!“

  7. Man könnte die Geschichte von W-Day als „survivor bias“ abtun – Lotteriegewinner würden jederzeit dazu raten, Lotterie zu spielen: Lohnt sich doch, sieht man ja!

    Ich halte es mit gnaddrig: Man muss sich mit Motivation und Denkmustern der Gegenseite befassen und diese nicht abtun, sondern ernstnehmen, zumal W-Day hier nicht rumpoltert, sondern wortwörtlich etwas zu denken gibt.

    Danke dafür.

  8. Eins der Basisdenkmuster ist wahrscheinlich im Bewußtsein so eingebrannt, dass es immer wieder quasi automatisch wirkt: Natur gut – Chemie schlecht. Dass auch Natur Chemie ist fällt unter den Tisch, das Denken in Gegensätze scheint sehr verführerisch, vielleicht es es Teil unserer Kultur: Gut und Böse, Himmel und Hölle usw.
    Es vereinfacht und dient als (fragwürdiger) Leitfaden.

  9. Ich muss gestehen, dass es mir extrem schwerfällt, mich in die Gedankengänge der Impfgegner hineinzuversetzen, genauso wie in die der Flacherdler. Als ich Kind war, gab es Impfungen gegen Polio und Pocken. Die wurden in der Schule durchgeführt, von Ärzten/-innen, die einmal im Jahr kamen. Da war man stolz, dass man zu denen gehörte, die gegen diese Krankheiten gefeit waren.

    An meine Masernerkrankung mit etwa 6 Jahren kann ich mich recht gut erinnern: einerseits, weil es im Bett totlangweilig war, zweitens, weil einem dabei auch noch der ganze Körper schrecklich gejuckt hat und weil ich mir zu guter Letzt beim Kratzen einen kleinen Blutschwamm auf der Nase aufgekratzt hatte und mich in meinem kindlichen Blick in einem „Meer von Blut“ wiederfand. ;)

    Auch ohne Komplikationen wünsche ich niemandem diese Krankheit an den Hals.

    Ein paar Jahre später musste ich zur Rückengymnastik und habe in der orthopädischen Klinik (damals recht inkorrekt im Volksmund Krüppelheim genannt) jedesmal haufenweise Kinder gesehen, die nach einer Polioerkrankung mit diesen Schienen aus Leder und Metall herumhumpelten.

    Auch ganz und gar nicht beneidenswert.

    Am schlimmsten finde ich die Ärzte, Heilpraktiker, Steinerjünger und Hebammen, die Impfgegner sind. Nur durch sie erhalten die Theorien der Impfgegner die höheren Weihen der Seriosität.

    Nur durch sie bekommen heutige junge Mütter, die sowieso schon von allen Seiten nur verunsichert werden, das Gefühl, dass Impfen eine gefährliche Sache ist.

    Es ist wie mit der Homöopathie: Die wahren und schlimmsten Verbrecher sind die medizinischen Autoritätspersonen (Ärzte, Apotheken, Krankenkassen, Heilpraktiker), die sich für diese Quacksalberei stark machen und ihr das Mäntelchen der Seriosität umhängen.

  10. @ Juliette:

    Mindestens genauso schlimm wie die IG-Ärzte sind diejenigen Mediziner, denen es egal ist, wie ihre Patienten geimpft sind. Da wird den Eltern nach dem Mund geredet, nur um sie nicht als Patienten zu verlieren. Und wenn im Laufe der Jahre nichts Gravierendes im Patientenkreis passiert, nehmen das viele der besagten Kollegen zum Anlass, ihr eigenes Wissen und ihre eigene Erfahrung als höherwertiger als die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse einzustufen.

    Ich kenne leider jede Menge dieser KollegInnen.

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