Mit einem Einstein-„Widerleger“ fing es an.
Immer wieder wurde die Physikerin Dr. Sabine Hossenfelder vom Frankfurt Institute for Advanced Studies von Laien mit sehr speziellen Ansichten und Fragen zu ihrem Fachgebiet konfrontiert. Zwischen zwei Jobs rief sie den kostenpflichtigen Service „Talk To A Physicist“ ins Leben.
Im aktuellen Skeptiker (3/2016) gibt es ein Interview mit ihr.
Ein Auszug:
Beim Zentrum für Wissenschaft und kritisches Denken der GWUP gehen regelmäßig mathematisch-physikalische Gottesbeweise, Einstein-Widerlegungen, Perpetuum-Mobile-Bauanleitungen oder Freie-Energie-Geschäftsmodelle ein. Künftig werden wir die Autoren solcher Thesen an Ihren Service „Talk To A Physicist“ verweisen. Wie gehen Sie mit den Anrufern beziehungsweise Skypern und deren Anliegen um?
Hossenfelder: Das ist ganz unterschiedlich. Wir hören den Leuten einfach zu und versuchen herauszufinden, wo das Problem ist. In den meisten Fällen stellt sich heraus, dass unsere Klienten der Fachliteratur nicht folgen können, weil diese sehr mathelastig ist. Ohne Mathematik kann man Physik aber nicht verstehen – und selbst daran arbeiten schon gar nicht.
Wir erklären dann, was die relevanten mathematischen Konzepte sind, die man lernen muss, um über Einsteins Theorien oder Vakuumenergie oder statistische Mechanik überhaupt reden zu können. Wir geben Empfehlungen, wo man sich einlesen kann oder welche Online-Vorträge nützlich sind, damit die Leute ihre Ideen selbst verbessern können.“
Es handelt sich also nicht bloß um Phantastereien, sondern um nachvollziehbare Ideen und sinnvolle Fragen dazu?
Ja, es ist in der Regel nicht so, dass das einfach falsch ist, was die Anrufer sich da ausgedacht haben. Wenn das so einfach wäre, würden die meisten wohl selbst draufkommen. Häufig sind es Ideen, die in ähnlicher Form schon mal in der Physik diskutiert und dann – aus guten Gründen – verworfen wurden.
So, wie Literaturreferenzen und Lehrbücher heute aufgebaut sind, lernt man sehr wenig über die Gründe, warum manche Ideen eben nicht funktionieren, also entweder logisch inkonsistent sind oder Beobachtungen widersprechen. Das ist die Lücke, die wir füllen.“
Ein Lieblingsthema von physikbegeisterten Laien scheint die Relativitätstheorie zu sein.
Viele Leute wissen nicht, wie man eigentlich die Spezielle Relativitätstheorie testet. Daher ist ihnen auch nicht klar, wie schwierig es ist, an dieser Theorie etwas zu ändern, ohne in Konflikt mit Beobachtungen zu kommen.
Aus der Teilchenphysik zum Beispiel kennen wir sehr viele Hochpräzisionsmessungen, die Abweichungen von der Speziellen Relativitätstheorie ausschließen. Ähnliches gilt auch für die Quantenmechanik, Quantenfeldtheorie, Gravitation und so weiter. Man kann diese Theorien nicht einfach so ändern, dann passen sie hinten und vorne nicht mehr mit Beobachtungen zusammen.
Aber diese Zusammenhänge lernen Physiker erst im Laufe ihrer langjährigen Ausbildung – die unsere Klienten nicht haben.“
Gerade was Einstein und die Relativitätstheorie angeht: In diesem Bereich tummeln sich eine Menge Verschwörungstheoretiker, die uns Skeptiker davon überzeugen wollen, dass das alles kompletter Nonsens wäre. Haben Sie damit auch zu tun?
Verschwörungstheoretiker gibt es gelegentlich. Das sind die, die meinen, dass der wissenschaftliche „Mainstream“ ihre genialen Ideen zensiert. E-Mails dieser Art bekomme ich schon einige. Aber die Verfasser rufen nicht bei uns an, denn natürlich denken die, dass wir eigentlich ihnen Geld zahlen müssten, um etwas zu lernen. Ich glaube, solchen Leuten kann nur noch Psychotherapie helfen, nicht Physik.
Wer sich bei uns meldet, ist wirklich daran interessiert, seine Theorien zu verbessern und so weit zu entwickeln, dass sie für Wissenschaftler interessant werden könnten.“
Sabine Hossenfelder bloggt bei backreaction. Über ihre Erfahrungen mit „Talk To A Physicist“ hat sie im Aeon-Magazin geschrieben.
Das vollständige Interview ist im Skeptiker 3/2016 erschienen. Den Skeptiker gibt es in unserem Online-Shop, das epaper sowie einzelne Artikel bei United Kiosk.
Zum Weiterlesen:
18. September 2016 um 08:46
Freie Energie, zentraler Oszillator, Tesla…, viele von diesen Rettern der Menscheit wollen beweisen, dass alle Physiker dumm, unwissend oder von der Industrie gekauft sind.
Wenige wenden sich daher an einen Physiker sondern sie kommen zu uns ins Patentamt. Werden die Patentanmeldungen dann nicht erteilt, gibt es böse Beschwerdebriefe an den Minister oder den Volksanwalt.
Ich könnte ein Buch füllen
19. Juli 2018 um 00:16
Frau Hossenfelder in der FAZ:
http://www.faz.net/aktuell/wissen/physik-mehr/krise-in-naturwissenschaft-verfuehrte-physiker-15667988.html