Diese Woche im gedruckten Spiegel (21/2016):
Der Bremer Gesundheitswissenschaftler Prof. Norbert Schmacke über die Privilegien der Homöopathie.
Ein Auszug:
Spiegel: Wie konnte es dazu [zu den gesetzlichen Sonderregelungen für die Homöopathie] kommen? In den Siebzigerjahren gab es doch hierzulande nur sehr wenige praktizierende Homöopathen unter den Ärzten.
Schmacke: Die Globuli-Fans hatten damals eine mächtige Verbündete: Veronica Carstens, die Ehefrau des Bundestags- und Bundespräsidenten Karl Carstens. Sie war Ärztin für Naturheilverfahren und überzeugte Homöopathin.
Ihrer unermüdlichen Lobbyarbeit ist es zu verdanken, dass der Sonderstatus ins Gesetz kam. Anfang der Achtzigerjahre gründete das Ehepaar Carstens dann eine Stiftung zur Erforschung der Naturheilkunde und Homöopatie.“
Die Homöopathie wurde also hoffähig?
Man fasst sich an den Kopf, aber ja, so war es. Das Verfahren wurde sogar in die Approbationsordnung für Ärzte aufgenommen.
Endgültig zum Durchbruch verhalf ihr dann ausgerechnet Jörg-Dietrich Hoppe, ein gelernter Pathologe, der von 1999 bis 2011 Präsident der Bundesärztekammer war. Aus unerklärlichen Gründen hat er sich bezirzen lassen. So hielt die Homöopatie sogar Einzug in die Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern.
Man kann heute eine ärztliche Zusatzbezeichnung zu dieser mittelalterlich anmutenden Methode erwerben, die das Siegel der Ärztekammer trägt. Der Irrsinn ist inzwischen so anerkannt, dass mancher Arzt Angst hat, sich dagegen auszusprechen.“
Wie könnte die Homöopathie ihre Privilegien wieder verlieren?
Ganz einfach: Der Gesetzgeber müsste ihren ungerechtfertigten Sonderstatus aufheben und sie den sonst üblichen Qualitätsanforderungen unterwerfen. Dann müssten die homöopathischen Mittelchen vor der Zulassung in qualitativ hochwertigen Studien beweisen, dass sie besser wirken als ein Placebo – wie alle anderen Medikamente auch.
Wenn ihre Methode wirklich so gut ist, wie die Homöopathen immer behaupten, hätten sie doch eigentlich nichts zu befürchten.“
Zum Weiterlesen:
- „Anerkannter Irrsinn“, Der Spiegel 21/2016
- Homöopathie und Politik: Norbert Schmacke im Skeptiker-Interview, GWUP-Blog am 19. März 2016
- Magischer Kinderglaube, brand eins 1/2016
- Homöopathie: ein geschlossenes unwissenschaftliches System, GWUP-Blog am 4. November 2015
- Gesundheitswissenschaftler kritisiert Homöopathie: kein Nutzen, ethisch unvereinbar, GWUP-Blog am 26. Oktober 2015
- Neuer Podcast der Schweizer Skeptiker: Interview mit Prof. Norbert Schmacke, GWUP-Blog am 14. Januar 2016
- Studie: Homöopathie wirkt bei 9 von 10 Schwägerinnen eines alten Schulfreunds einer Bekannten, dpo am 17. Mai 2016
- Über die Entscheidung zur Homöopathie in der Schweiz, Informationsnetzwerk Homöopathie am 23. Mai 2016
- Der Homöopathie-Anruf, der aus der Hölle kam, apothekentheater am 23. Mai 2016
- Pseudo-Medizin oder Profi-Politik? taz am 24. Mai 2016
25. Mai 2016 um 10:21
Der Carstens-Stiftung verdanken wir ja noch sehr viel mehr Irrsinn im heutigen klinischen Alltag – man denke nur an die sog. „Misteltherapie“ der Anthroposophen.
25. Mai 2016 um 10:41
Die taz mit einem Pro & Contra Homöopathie:
http://taz.de/!5306899/
25. Mai 2016 um 11:31
… und natürlich immer mal wieder an die „Freiburger Erklärung zur Homöopathie“ erinnen, die Prof. Schmacke mitunterzeichnet hat und für die noch viel mehr Unterstützer gesucht werden.
–> http://www.gwup.org/infos/nachrichten/1754-freiburger-erklaerung
25. Mai 2016 um 12:42
Noch besser als die TAZ: http://www.dw.com/de/schluss-mit-dem-hokuspokus-homöopathie-hat-in-der-medizin-nichts-verloren/a-19281346
25. Mai 2016 um 15:05
@ Bernd Harder:
Und wieder derselbe x-mal durchgekaute Blödsinn in den Kommentaren – geradezu ein Prachtexemplar der Kommentator mit dem vielsagenden Nick „Dein Chef“. Da wird wieder jedes VT-Klischée bemüht, welches gerade verfügbar ist.
25. Mai 2016 um 16:34
Ich war mir anfangs gar nicht sicher, ob „Dein Chef“ überhaupt ernst gemeint ist oder im Satire-Modus schreibt.
25. Mai 2016 um 19:02
@Bernd Harder:
Am besten hat mir folgender Dialog zum taz-Artikel gefallen.
Kommentar: „Von der Homöopathie kann man durchaus geheilt werden.“
Antwort: „In der Tat kann man das. Gute Hilfsmittel für die Heilung von Homöopathie wären objektives Denken, ein Schulabschluss, der rudimentäre Grundkenntnisse in Physik, Chemie, Mathematik und Biologie aufweist sowie die Fähigkeit, sich nicht durch einen Bestätigungswunsch nur auf die Informationen einzulassen, die einem gefallen.“
LOL!