Immerhin:
25 Sekunden Kurzkritik an der Waldorf-Pädagogik, wo man sie nicht erwartet hätte.
Gestern Abend war der bekennende Anthroposoph und Gründer der dm-Drogeriekette Götz Werner beim NDR-Magazin DAS! zu Gast.
Ab Minute 14 ging’s um die Waldorfschule (mit einem verstörenden Intro von einer Eurythmie-Stunde) – und ab Minute 17 kam GWUP-Mitglied und Waldorf-Kritiker André Sebastiani zu Wort.
Zwar nur für einige wenige Sätze, aber prägnant auf den Punkt.
Das Video findet sich hier.
Zum Weiterlesen:
- Podiumsdiskussion: Waldorf in Wilhelmsburg und die Bankrotterklärung der Politik, GWUP-Blog am 15. Juni 2014
19. Juli 2014 um 09:51
Hat er gut gemacht. Hat man auch an der Nichtreaktion von Götz Werner gemerkt.
Als ehemalige Waldorfschulmutter (nach zwei Jahren dort waren wir wieder weg)weiß ich, dass emotionale Reaktionen auf bestimmte Vorkommnisse in der Waldorfschule im besten Falle ignoriert werden, im schlechten Falle wird man irgendwie als behandlungsbedürftig angesehen.
Was ich schade fand, dass nicht erwähnt wurde, dass diese eurythmischen Elemente ja in der Regel den gesamten Unterricht irgendwie beeinflussen (das Wort durchdringen mag ich gar nicht mehr verwenden).
Die jährliche Pflichtveranstaltung der Oberuferer Weihnachtsspiele sollte auch nicht ausgelassen werden.
Ich finde es leider schade, wenn auch verständlich, dass die meisten ehemaligen Eltern ihre Kritik an der Waldorfschule sehr emotional äußern.
Interessieren würde mich wirklich, wie Waldorfschulen dastünden, hätten sie die gleiche große Schülerbandbreite, wie es in öffentlichen Schulen der Fall ist.
Kritik an öffentlichen Schulen ist notwendig – allerdings wäre die Waldorfschule eine schlecht Alternative.
Würde man den Fächerkanon der Schulen von vor 40 – 50 Jahren zugrunde legen, käme man auch ohne Waldorfschule darauf, dass bestimmte Fachrichtungen wieder reaktiviert werden könnten – allerdings nicht mehr so verstaubt, wie damals.
Das macht ja die Waldorfschule schon ausreichend.
19. Juli 2014 um 12:16
Hmm, die Rolle der Kritik in dieser Sendung ist schon klar. Wenn man zig Minuten Pro-Walddorf einräumt und 25 Sekunden der Kritik daran, dann soll die Kritik die „Ausgewogenheit der Meinungen“ retten und kein Diskussionsbeitrag sein. Sebastiani hat ja nicht mal Zeit bekommen, seine Aussage zu begründen. Weder der Moderator noch Herr Werner ist darauf überhaupt eingegangen.
Hatte das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen nicht mal einen Bildungsauftrag? Oder missverstehe ich „Bildung“? Oder wird es auch mal eine „DAS!“-Sendung ausschließlich mit Walddorf-Kritikern geben, wo Herr Werner mal 25 Sekunden sagen darf, dass er nicht rechnen kann?
19. Juli 2014 um 15:30
Waldorf zu kritisieren und das dann auch noch zu begründen halte ich für sehr schwierig – bei Hardcore-Anthroposophen halte ich das sogar für unmöglich.
Ich würde mir wünschen, dass Waldorfschulen in allen Bundesländern als „Weltanschauungsschulen“ geführt würden. Soviel ich weiß, ist das nur in Baden-Württemberg so.
Es ging in der Sendung nicht nur um Waldorf.
Auch andere Themen, wie das „Bedingungslose Grundeinkommen“, den Erfolg der dm-Drogeriekette etc. wurden angesproochen.
Was mich eigentlich wundert, denn normalerweise sind Discounter in athroposophischen Kreisen nicht erwünscht.
Herr Werner hat nicht gesagt, dass er nicht rechnen kann, sondern, dass er Mathematik nicht kann. Und dieser Begriff ist interpretierbar.
Waldorf kann nur im Zusammenhang mit der Anthroposophie gesehen werden, deshalb sind ja auch die Begriffe „Freie Waldorfschule“ bzw. „Rudolf Steiner Schule“ geschützte Begriffe.
Die Begriffe „Waldorfschule“ oder „nach Waldorfart“ sind zwar nicht geschützt ich halte sie aber für tendenziös und sie sollten möglichst nicht für öffentliche Schulen gebraucht werden.
20. Juli 2014 um 23:23
@Ehemalige Waldorfmutter
Ich habe mir hier ein beliebiges Statement von Herrn Werner herausgegriffen und überspitzt ausgedrückt. Folgt man der Logik, die er im Kontext des Statements äußert, kann man aber sehr wohl sagen, dass er nicht rechnen kann. Sein Aussage waren 1. „was in einem Menschen nicht drin steckt, kann man ihm auch nicht ‚lehren'“ und 2. „Mir können sie keine Mathematik“ lehren.
Mit diesen beiden Aussagen kann man nun folgendermaßen folgern, dass er nicht rechnen kann: Sicher ist Mathematik ein „weites Feld“, aber es umfasst auch so simple Dinge wie Mengen und Addition. Seine 2. Aussage enthält nun keine Einschränkung, so dass man annehmen muss, dass er die gesamte Mathematik meint. Nimmt man nun an, dass die Implikation im 1. Satz „wahr“ ist und fügt man nun die 2. Aussage in die in 1. ein, so kann man daraus folgern, dass Mathematik nicht in ihm steckt. Ergo er beherrscht z.B. weder Mengenlehre noch Addition.
Kann er nun doch rechnen, so müssen entweder die hier gemachten Annahmen falsch sein, oder seine beiden Aussagen. Allerdings sind die gemachten Annahmen konsistent mit den beiden Aussagen, denn z.B. die Annahme, dass nur ein Teil der Mathematik in ihm steckt, ergo man sie im Lehren könnte, wäre ein direkter Widerspruch zur 2. Aussage und würde die dringend zu klärende Frage aufwerfen, warum denn nur ein Teil der Mathematik in ihm steckt, wenn doch große Teile der Mathematik sich aus nur wenigen Teilen z.B der Mengenlehre aufbauen lässt.
Nein, ich nehme nicht an, dass er nicht rechnen kann. Der Unsinn steckt in seinen beiden Aussagen. Aber genug der Krümmelkackerei.
Vieles von dem was er gesagt hat, hört man immer wieder auch aus anderen Ecken der Gesellschaft. Das ist ein Mischmasch aus Esoterik und Ökonomen-Gerede. Er verwechselt Zweck und Mittel, verkauft Kalenderblattweisheiten als „Ökonomischen Ansatz“, redet vom „Unternehmer als Sinnstifter“, „die Lernlinge leiden darunter, dass sie von den Erwachsenen immer beeindruckt werden.“, Geld als Resonanz dafür, was man leistet, etc. Dieser Mann weiß doch nichts über diese Gesellschaft als diese dämlichen Ideologien.
Dass die Moderatorin auch nicht besser Bescheid weiß und so einen Quatsch wie “ [sie] kommen allerdings auch einer Drogistenfamilie. .. Es lag so ein bisschen auch in den Genen.“ redet, passt da perfekt zusammen. Unterhaltungsprogramm und ideologische Betreuung fürs Publikum.
Ich könnt mich noch Stunden über den Unsinn auslassen, den er da ablässt, aber ich mags mir nicht mehr anschauen.
21. Juli 2014 um 07:02
Nachtrag:
Ich kenne leider nur eine kritische Darstallung, die von anthroposophischer nicht medienwirksam zerlegt wurde:
http://www2.hu-berlin.de/gkgeschlecht/downloads/veranstalt/2006/Badewien%20Vortrag%20HU%20210706.pdf
Ich selbst habe sogar erlebt, dass bei einem Elternabend an alle Eltern die Zeitschrift „Erziehungskunst“ verteilt wurde, in der das Buch von Jutta Ditfurth (Blavatzkis Kinder) kritisiert wurde.
Der Waldorfblog ist m.E.auch eine recht gute Informationsquelle, da der Betreiber dieses Blogs ehemaliger Waldorfschüler ist und weiß die diese Leute ticken.
In diesem Falle muss man Steiner sogar Recht geben, der gesagt haben soll: „Wenn du deinen Feind schlagen willst, dann lerne ihn kennen.“
Ich wünsche viel Erfolg bei weiterer Aufklärungsarbeit.
21. Juli 2014 um 09:54
„In diesem Falle muss man Steiner sogar Recht geben, der gesagt haben soll: “Wenn du deinen Feind schlagen willst, dann lerne ihn kennen.”“
Das ist ganz typisch Sun-Tzu. Hat Steiner nicht erfunden. :)
21. Juli 2014 um 10:18
Also, dass ein Mensch wie Götz Werner nicht rechnen können soll … ?!
http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6tz_Werner
Er muss sogar verdammt gut rechnen können, sonst würde er nicht (auf Platz 122) zu den 500 reichsten Deutschen gehören …
21. Juli 2014 um 11:24
Natürlich kann Werner rechnen.
Und ich vermute, dass sein Ziel ist, der reichste Deutsche zu werden.
Dann hat er seine Konkurenten alle ausgeschaltet und diktiert Preise, Löhne und Angebot. Und die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen hilft ihm dabei.
Hier muss man m.E.bei der Aufklärung ansetzen, dass dieses Weltbild mit Vielfalt, so wie ich sie mir wünsche, nicht viel zu tun hat.
Es gibt doch fast nur noch Rossmann und dm. Die Wahlmöglichkeiten werden immer weniger.
Das ist aber nicht das Thema – leider kann man das nicht getrennt voneinander diskutieren.
Waldorf bereitet die Schüler schon mal auf „Einfalt“ vor.
Im Übrigen, sollte man auch mal erwähnen, dass ein relativ geringer Anteil an Schülern diese Schule von Anfang bis Ende durchläuft. Der Rest geht vorher. Die privaten Schulen sind m.M.nicht das Problem.
Viel problematischer finde ich da schon den Prediger Werner. Einige Bioläden sind da auch Multiplikatoren ums mal tendenziös auszusprechen.
Meine Erfahrung bisher mit Bekannten, die nach wie vor diesem Weltbild anhängen, sind die, dass ich mit Kritik (auch begründeter) nicht weiterkomme. Ich halte aber auch nicht hinter dem Berg, dass ich mich von diesem Weltbild entschieden distanziere.
Ganz besonders erschüttert hatte mich mal die Aussage einer Waldorflehrin auf extrem „waldorfgestörtes“ Verhalten einiger Kinder indem sie sagte, dass man „für die gute Sache Opfer bringen müsste“ – ich habe das so interpretiert, dass man dabei noch nicht mal vor Menschenopfern zurückschreckt. Aber wie gesagt, ich bin in deren Augen auch noch nicht so weit, das zu verstehen ;)
Danke, das wusste ich nicht, dass dieser Spruch nicht von Steiner ist. Wundert mich aber auch nicht besonders.
21. Juli 2014 um 12:57
Mit der Drogeriekette „dm“ ist das so eine Sache.
Natürlich würde ich lieber meine Pflegeprodukte irgendwo anders kaufen (teilweise mache ich das auch schon).
Aber das Preis- Leistungsverhältnis ist dort nach meinen Erfahrungen am besten.
Und erst recht der Service…
22. Juli 2014 um 08:40
@Pierre Castell
Ich denke, da geht es den Menschen wie den Leut.
Ich wohne in einer Großstadt und habe, in fußwegmäßiger Entfernung, wenigstens noch die Wahlmöglichkeit zwischen dm und Rossmann.
Außerdem lebe ich nicht in einem anthroposophischen-Elfenbeinturm und sehe mir an wohin die Entwicklung geht.
Viele andere können gar nicht mehr wählen und bei aller Kritik an Schlecker – hier gab es wenigstens noch den sozialen Aspekt, dass auch der ländliche Bereich versorgt sein müsste.
Was jetzt Götz Werner angeht, habe ich zum ersten Mal von ihm erfahren, als ich vor etwa 10 Jahren ein kleines Buch mit dem Titel „Ein Einkommen für alle“ geschenkt bekam. Zunächst fand ich diese Idee toll – gebe ich auch ganz ehrlich zu.
Da ich aber eher zu dieser Sorte Menschen gehört, die Dinge auch hinterfragen, bin ich inzwischen zu einer Kritikerin des Götz-Werner-Modells geworden. Gerade auch weil ich in anthroposophischen Einrichtungen hinter Kulissen schauen konnte, und das betrifft nicht nur Waldorfschulen.
Meine Erfahrungen in dieser kurzen Zeit decken sich weitestgehend mit den Erlebnissen all derjenigen, die in der Öffentlichkeit thematisiert wurden.
Argumente gegen dieses Götz Werner Modell kann man sehr gut bei Christoph Butterwegge nachlesen. Die Heinrich Böll Stiftung hat ein sehr gutes Für und Wider der verschiedenen Grundeinkommensmodelle veröffentlicht. Ich kann das in diesem Umfang nicht rüberbringen.
Was ich noch erwähnen möchte, ist, dass sich Werner seit dieser Zeit auch in seinen Aussagen ändert.
So hat er damals, als er anfing zu „missionieren“ noch großen Wert darauf gelegt, dass es sich bei seinem Modell auf keinen Fall um eine Utopie handelt, sondern um ein Idee, die sehr einfach zu realisieren sei. Inzwischen sagt er, dass er ein Utoptist sei. Erst mal so tun, als wäre es gaaanz einfach und dann an der Realität scheitern, statt diese Realität in Überlegungen mit einzubeziehen bevor man damit an die Öffentlichkeit geht.
Dann sollte man auch noch mal auf die Sendung im NDR zurückgehen und darauf achten, was er genau gesagt hat, nämlich „für ihn steht „DER Mensch“ im Mittelpunkt“. „DER Mensch“, aber seine Mitarbeiter…, die man pflegen muss – was ist denn das für eine überhebliche Aussage?
So redet man auch in der Waldorfschule. Man vergleicht eine Klasse mit einem Gartenbeet, das zu pflegen ist und wenn sich einige „Pflänchzen“ nicht so entwickeln, wie man das gerne hätte, dann müssen die eben zurückgeschnitten werden.
Vorher entscheidet man aber auch, was in diesem Garten angebaut wird, also, es muss zusammen passen.
Meine persönlichen Erfahrungen sind aber auch, dass ich die Mitglieder der Christengemeinde, eine anthroposophische Sondergruppe würde ich mal sagen, viel angenehmer wahrgenommen habe.
Als ich damals meinen Erstklässler im evangelischen Religionsunterricht anmeldete (Religion ist in Waldorfschulen Pflichtfach)wurde ich gefragt: „Denken sie eigentlich, dass sie bei uns richtig sind, wenn sie ihr Kind im evangelischen Religionsunterricht anmelden?“
Alle 8 Kinder, die von ihren Eltern im evangelischen Religionsunterricht angemeldet wurden, waren nach der ersten Klasse weg.
Anregungen aus anthroposophischen Kreisen, sollten m.M. nach nicht von vorneherein vollkommen abgelehnt werden.
Ich mache es inzwischen so, dass ich in meinem Bereich diese Anregungen entdogmatisiere. Die Anthroposophen, und da bin ich inzwischen auch relativ neidlos, beitzen eine Fähigkeit, gesellschaftliche Defizite zu ihrem Vorteil zu machen. Ich selbst kann das nicht, mir fehlt dazu die dafür notwendige Härte und Kälte.
Tschüs
22. Juli 2014 um 10:11
@ Ehemalige Waldorfmutter
Ich danke Ihnen für Ihren ausführlichen Kommentar.
So konsequent ich in sonstigen Dingen bin, lasse ich es in Sachen „dm“ etwas schlittern.
Mal sehen, vielleicht werde ich mich mal näher mit dem Thema beschäftigen.
22. Juli 2014 um 22:08
[über Götz Werner:] “für ihn steht “DER Mensch” im Mittelpunkt”
Dazu ein kurzer Auszug aus dem Interview “Man kann nicht nur ein ‘bisschen’ Waldorf sein” mit Prof. Dr. Stefan T. Hopmann, Bildungswissenschaftler an der Universität Wien:
“(…)
Lichte: Ein Werbeslogan der Waldorfschulen lautet: „Im Mittelpunkt der Mensch“. Im Standard sagen Sie über die anthroposophische Pädagogik: „Denen geht es um das Kind so wie es der Bank ums Geld geht.“
Hopmann: Im Mittelpunkt steht bei denen der Mensch, wie Rudolf Steiner ihn sieht, also als Reinkarnation, als Mitglied einer Rasse, als Charaktertyp usw. Ziel ist es, den jeweiligen Menschen entsprechend den Steinerschen Lehren zu formen bzw. sein „Wesen“ zu entfalten. So wie bei anderen Sekten verbindet sich damit ein Totalitätsanspruch: Wir wollen dich mit Haut und Haaren, mit deiner ganzen Persönlichkeit vereinnahmen – nicht anders als eine Bank dein Geld will: Nicht um nett zu dir zu sein, sondern um an dir Geld zu verdienen. Bloß blöd, wenn man zu jenen Wesen zählt, denen laut Steiner Dahinsiechen oder Verkümmern vorausbestimmt ist. Denen geht es dann wie bei der Bank, wenn die Kreditwürdigkeit dahin ist.
(…)”
mehr: http://www.ruhrbarone.de/waldorfschule-„man-kann-nicht-nur-ein-»bisschen«-waldorf-sein“/30117