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Homöopathie und Co.: „Therapiefreiheit bedeutet nicht Therapiebeliebigkeit“

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Die GWUP-News haben es schon gemeldet:

In der Pharmazeutischen Zeitung online (PZ) ist ein bemerkenswert kritischer Artikel zur Homöopathie erschienen.

Der Pharmakologe Prof. Dr. Eugen J. Verspohl skizziert unter anderem die Problematik von Hahnemanns Selbstversuch mit Chinarinde, arbeitet die „Gefahr von überinterpretierten Einzelbeobachtungen“ heraus und erklärt den Unterschied zwischen „Wirkung“ und „Wirksamkeit“.

Sein Fazit:

Der allopathische Medizin­betrieb mit seinen offensichtlichen Grenzen kann nicht als Grund herhalten für unbewiesene, vielleicht unbeweisbare Alternativmethoden einschließlich der Homöopathie.

Trotz aller Erfolge bleibt der Stand der Wissenschaft der Stand unseres Nichtwissens. Dennoch bedeutet Therapiefreiheit nicht Therapiebeliebigkeit. Jeder Patient hat Anspruch da­rauf, mit nachweislich wirksamen Arzneimitteln behandelt zu werden.

Umgekehrt ist der Arzt verpflichtet, auch die Richtigkeit seines Tuns transparent unter Beweis zu stellen.“

Der Schwerpunkt „Alternative Heilmethoden“ in der PZ 35/2013 beinhaltet indes auch einen unterirdisch-peinlichen Beitrag zum Thema „Schüßler-Salze“ sowie wiederum passable Texte zur Akupunktur und zur Traditionellen Chinesischen Medizin.

Das Editorial „Voneinander lernen“ ist eine Fingerübung in Sachen Ausgewogenheit:

Einen Wirknachweis, der wissenschaftlichen Kriterien genügt, können die allermeisten Alternativverfahren nicht vorweisen. Diese Diskrepanz lässt sich nicht auflösen. Respekt für die Meinung anderer ist eine gute Möglichkeit, mit ihr umzugehen.

Anhänger der Homöopathie wegen ihrer Leichtgläubigkeit zu belächeln, ist ebenso fehl am Platz wie eine Totalverweigerung gegenüber der Schulmedizin, wie sie manche Heilpraktiker an den Tag legen – zum Schaden der von ihnen betreuten Patienten.

Nun ja, ob man vor „Meinungen“ Respekt haben muss, wäre fast ein eigenes Editorial wert – interessante Gedanken dazu gibt’s bei Nachdenken … bitte.

Und zum Thema „Leichtgläubigkeit“ findet sich dort ebenfalls ein lesenswerter Blogpost.

Aber weiter im Text:

Ein wenig vergaloppiert sich die Editorial-Autorin auch, als die Rede auf die viel strapazierte „Ganzheitlichkeit“ kommt:

Ein wichtiger Grund für den Zulauf, den alternative Heilverfahren hierzulande erfahren, ist ihre ganzheitliche Betrachtung des Patienten. Niemand lässt sich gerne auf einzelne Körperfunktionen reduzieren, die in der von Zeitmangel und Budgetzwängen geprägten Schulmedizin leider häufig einzig Gegenstand der ärztlichen Bemühungen sind.

Hier kann und muss die Schulmedizin viel von der Alternativmedizin lernen.“

So?

Was denn konkret?

Auch die Evidenzbasierte Medizin sieht den Menschen als Einheit aus psychisch- sozialem und biologischem Wesen und behandelt somit „ganzheitlich“ – allerdings ohne daraus ein besonderes Etikett zu machen und als etwas Exklusives vor sich herzutragen“,

sagte uns der Facharzt Dr. Werner Hessel in diesem Interview.

„Zeitmangel und Budgetzwänge“ dagegen sind doch keine Zustände, die man durch „Lernen von der Alternativmedizin“ beseitigen könnte – sondern hier sind schlicht gesundheitspolitische Weichenstellungen vonnöten.

Davon abgesehen aber ist es natürlich rundum positiv zu bewerten, dass das Organ der Standesvertretung der Apotheker unzweideutig den Unsinn der Homöopathie benennt.

Selbstverständlich ist das nicht gerade.

Sowohl Prof. Edzard Ernst als auch Skepkon-Referent Jan Oude-Aost bringen in aktuellen Bloggings ihre Verärgerung über unkritische Artikel in medizinischen Fachzeitschriften zum Ausdruck:

  • Have the top US journals taken to promoting quackery? edzardernst.com am 21. August 2013
  • Ärzte Zeitung präsentiert: Quatschmedizin, diaphanoskopie am 1. September 2013

Und was die Apotheken angeht:

Claudia Graneis ist nach ihrem Skepkon-Vortrag „Globuli und Pharmazie: eine Liebesgeschichte?“ wieder undercover unterwegs und berichtet bei Cloudpharming von ihrem „Praktikum in der Eso-Apotheke“:

  • Schwanger werden mit Fledermauskot, Cloudpharming am 3. August 2013

Und zum guten Schluss:

aargks/pro Logik nennt in einem neuen Beitrag zwölf Grunde, warum …

Höbbaddie schadet. Immer. Jeden.“

Zum Weiterlesen:

Ein Kommentar

  1. Wenn die Leute wieder das Geld beim Arzt lassen und nicht zum Heilpraktiker oder ähnliches tragen. Dann würden unsere Ärzte nicht so dermaßen überlastet sein und das für das mickrige Geld.

    Wir sollten wieder unsere Ärzte schätzen lernen. Wieder achten wie früher. Schließlich sind sie diejenigen, die Stunden lang im Akkord ackern, damit es uns gut geht!

    Mein Onkel war Kinderarzt. War bis zu seinem Tod immer für seine Patienten da. Was blieb ihm zum Schluß. Mit 65 ein aggressiver Krebs und ein Berg Schulden für seine Frau und die Kinder.

    Ich finde das sind die wahren Helden. Die ihr Leben anderen Opfern.
    Nicht die so tun und denken sie könnten helfen. Aber zum Schluß nur alles schlimmer machen! Oder z.B. in dem Sie die Privatpatienten oder eigen bezahlte extra Leistungen den Ärzten wegklauen!

    Echt das macht mich so wütend! Mein Appell anstatt zum Heilpraktiker, weil Frust über die Schulmedizin. Sollten wir an unserem Gesundheitssystem arbeiten! Jeder Arzt der gerecht entlohnt wird, kann es sich auch Leisten sich Zeit für seine Patienten zu nehmen. Und ich bin sicher, das würden sie auch gerne tun. Aber dann müssen wir auch bereit sein, dass bezahlen zu wollen! (Beim Heilpraktiker haben die Leute ja auch kein Problem ca. 100 Euro in der Stunde zu zahlen)

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