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Pro und Contra Homöopathie in der „Berliner Morgenpost“

| 8 Kommentare

Bei seinem Skepkon-Vortrag in Köln hatte Dr. Christian Weymayr schon darauf hingewiesen, dass Homöopathie-kritische Beiträge es derzeit schwer haben in unserer Medienlandschaft.

Selbst die Zeitschrift des Deutschen Museums in München, die sich erklärtermaßen …

… der Bedeutung von Wissenschaft und Technik und ihrer Wechselwirkung mit der Kultur- und Sozialgeschichte“

widmet, veröffentlicht einen haarsträubenden Jubelartikel zu dem Nonsens-Heilverfahren.

Anlässlich eines Symposiums der „Homöopathen ohne Grenzen“ an diesem Wochenende in Berlin greift auch die Morgenpost das Thema auf und versucht sich mit einem „Pro & Contra“ elegant aus der Affäre zu ziehen.

Das tut niemandem weh und demonstriert „Ausgewogenheit“ – und gerade das ist fatal.

Denn genau wie in diversen TV-Quasselrunden entsteht so der Eindruck, dass Homöopathie ein völlig gleichberechtigtes Verfahren neben der wissenschaftsbasierten Medizin ist, zu dem es lediglich unterschiedliche „Meinungen“ gibt.

Und eben deshalb kann die Vorsitzende des Berlin-Brandenburger Verbands homöopathischer Ärzte in ihrem „Pro“ auch ungeniert gegen die…

Beißreflexe etablierter Strukturen, die mal in Medien, mal politisch auftreten“,

wettern und die Frage nach der Wirksamkeit von Homöopathie schlicht auf eine „Abstimmung [der Patienten] mit den Füßen“ reduzieren.

Als ob wissenschaftliche Erkenntnisse sich nach „Mehrheiten“ richten würden.

Für sich selbst und ihre homöopathiehörigen Standeskollegen reklamiert Frau Dr. Dohms wenig überraschend das Beste „aus zwei Welten“:

Der homöopathische Arzt hat in seiner täglichen Praxis einen Vorteil: Ihm stehen das Repertoire der Homöopathie und die Möglichkeiten der konventionellen Medizin zur Verfügung. Je nach Krankheitsfall und Patient kann er mit diesem Handwerkszeug eine individuelle Behandlung entwickeln.“

Nun ja.

Erstens wird im weiteren Verlauf ihres Kommentars sehr deutlich, dass lediglich das Mehr an Zeit und Zuwendung der entscheidende „Vorteil“ des Homöopathen ist, was mit der Methode an sich überhaupt nichts zu tun hat.

Wohl jeder Arzt würde sich gerne „zwischen einer und drei Stunden“ Zeit für einen Patienten nehmen, wenn dies von der Gesetzlichen Krankenversicherung angemessen honoriert würde.

Und zweitens ist die „Welt“ der Homöopathie schlicht gesagt eine …

Parallelwelt ohne Naturgesetze“,

wie der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Werner Hessel hier erklärt.

Immerhin ist das „Contra“ von Wolfgang W. Merkel (Medizin- und Wissenschaftsredakteur der Berliner Morgenpost) recht unverblümt:

Wenn Menschen das Gefühl bekommen, Homöopathie habe ihnen geholfen, beruht das oft auf Fehlinterpretationen und einem Mangel an kritischer Beobachtung. Denn viele Beschwerden wären auch ohne die Globuli oder Tropfen weggegangen – einfach durch die Selbstheilungskräfte des Körpers.

Dasselbe Prinzip gibt ein Bonmot über den Schnupfen wieder: Ohne Arzt dauert er sieben Tage – mit Arzt eine Woche. Außerdem gehen viele Patienten ihre Krankheiten doppelt an: Sie greifen zur schulmedizinischen Arznei oder lassen sich anderweitig, etwa physiotherapeutisch, behandeln und bedienen sich zugleich der Homöopathie.

Wer will da entscheiden, was wirklich geholfen hat?

Als Krankenversicherter ärgere ich mich darüber, dass meine Versicherungsbeiträge eine unwirksame Therapieform mitfinanzieren. Dass die Kassen die Kosten übernehmen, hat ja keine rationalen Gründe („das hilft“), sondern liegt am unkritischen Glauben ihrer Kunden („das verkauft sich gut“).

Folglich ist die Kostenübernahme eine reine Marketingmaßnahme der Kassen.“

Zum Weiterlesen:

  • Contra: Es gibt keinen Beweis für die Wirksamkeit der Homöopathie, Berliner Morgenpost am 6. Juni 2013
  • Pro: Homöopathie – Ärzte geben Hilfe aus zwei Welten, Berliner Morgenpost am 6. Juni 2013
  • Was hat die GWUP gegen Homöopathie? Teil I, GWUP-Blog am 1. Februar 2011
  • Homöopathie: Parallelwelt ohne Naturgesetze, Teil II,  GWUP-Blog am 2. Februar 2011
  • Medizin ohne geistige Umweltverschmutzung,Teil III, GWUP-Blog am 3. Februar 2011
  • Homöopathie: Unmögliches muss man nicht erklären, Teil IV, GWUP-Blog am 4. Februar 2011
  • Homöopathie: Wenn Skeptiker Hoffnungen zerstören, GWUP-Blog am 18. April 2013
  • Skeptiker als Pharma-Söldner? GWUP-Blog am 21. April 2013
  • Warum Homöopathie zu wirken scheint, GWUP-Blog am 9. Oktober 2011
  • Die Homöopathie und die Versorgungsforschung, GWUP-Blog am 9. November 2012
  • Gesamtschau der Studien zur Homöopathie, Detritus am 27. April 2013
  • Gefühllose Schaben und Typhus: Homöopathie zwischen Komödie und Tragödie, GWUP-Blog am 27. Mai 2013
  • Homöopathie bei akuten Durchfallerkrankungen bei Kindern, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 5. Juni 2013
  • Homöopathie steigert Lebensqualität, naklar.at am 11. April 2013
  • Wie Esoterik die Welt zerschneidet, naklar.at am 26. November 2010
  • Wir Mediziner – weshalb viele von uns lieber nichts von Skeptikern wissen wollen, skeptiker.ch am 3. April 2013

8 Kommentare

  1. „…Als ob wissenschaftliche Erkenntnisse sich nach “Mehrheiten” richten würden…“

    *ironie on* wissenschaftliche Erkenntnisse richten sich doch nach Mehrheiten, war nicht eine Mehrheit davon überzeugt, dass es keine Plattentektonik, oder dass es sich bei dem Universum um ein statisches Universum handelt, oder… etc. *ironie off*

  2. @Moin

    ich bin auch davon überzeugt, dass um so runder die Kartoffel die ich in meinem Mittagessen verkoche um so gesunder ist sie ;)

  3. sorry… aber mir ist noch was aufgefallen :)

    “Homöopathen ohne Grenzen” *tztz* ich habe mich da schon immer gefragt an welche grenzen die denn dabei denken… geographische Grenzen, oder doch eher die kognitiven :D

  4. …Folglich ist die Kostenübernahme eine reine Marketingmaßnahme der Kassen.

    … dass Krankenkassen kommerziell denken und handeln, wäre mir neu ;-)

  5. „Als ob wissenschaftliche Erkenntnisse sich nach “Mehrheiten” richten würden.“

    Na ja, im Prinzip schon ein bischen, denn das Prinzip des unabhängigen wissenschaftlichen Beweises erfordert ja schon eine Bestättigung durch eine „Mehrheit“, indem z.B. Versuchsergebnisse von einem Zweiten oder Dritten bestätigt werden können.

    Allerdings beinhaltet dieses Prinzip eine WISSENSCHAFTLICHE Mehrheit.

    Sie richten sich allerdings nicht nach „gefühlvollen“ Mehrheiten oder nach Rechthabern „Wer heilt, hat recht“ :-)

  6. @Moin
    Tatsächlich kann die „träge Masse“ einer Mehrheit einen Erkenntnisgewinn verlangsamen. Die normative Kraft des Faktischen (das Experiment resp. die Beobachtung) führt aber im Laufe der Zeit immer zur (soweit uns als subjektiven Wesen möglich) „Erkenntnis der Wahrheit“.

    Bei der Kontinentaldrift z. B. waren es keine Fakten, die gegen die neuen Ideen sprachen.

    Es war vielmehr die Mehrheits-Meinung der Geologen gegen die Idee eines (hauptberuflichen) Meteorologen.

    Die Kontinentaldrift hat sich dennoch durch die wissenschaftliche Methode (s. a. https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Wegener#Wegeners_Theorie_der_Kontinentalverschiebung) die Anerkennung erworben, die ihr zustand/zusteht.

    Bei der Homöopathie ist es anders herum:

    Die Physik, Chemie und Biologie zeigen mit experimentell überprüften Fakten tagtäglich, dass die EbM richtig liegt.

    Bei den Homöopathen ist es dagegen eine bloße (Mehrheits-)Meinung innerhalb dieser Gruppe, die sie durch nichts nicht belegen können, warum sie die Verwendung des (auch bei anderen wissenschaftlichen Analphabeten) beliebten „cum hoc ergo propter hoc“-Fehlschlusses („Wer heilt hat Recht“, als ob die Koinzidenz von Homöopathie-Voodoo und Gesundung schon eine Korrelation wäre) ins Feld führen (müssen), oder sich auf Anekdoten beziehen.

    Die Homöopathie-Bewegung erinnert mich doch sehr stark an den N-Strahlen-Hype (https://de.wikipedia.org/wiki/N-Strahlen).

    Ich hoffe, dass sie bald den gleichen Weg geht wie letzterer.

  7. Schade, dass Herr Merkel zur Abgrenzung den Begriff „Schulmedizin“ verwendet. „Medizin“ (oder halt EBM) bzw „Mediziner“ würde es besser treffen. „Schulmedizin“ wird m.E. auch von den Homöopathetikern zur Abgrenzung verwendet um zu implizieren, dass Hom.. eine gleichwertig daneben stehende Medizin (nur halt eine andere, eine alternative Medizin) ist.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Schulmedizin

    „Der Begriff Schulmedizin sei somit negativ belastet und missverständlich und werde dem Wesen der modernen Medizin nicht gerecht. Stattdessen sollten die wertfreien und präziseren Bezeichnungen „Hochschulmedizin“, „Evidenzbasierte Medizin“ oder „Wissenschaftsmedizin“ verwendet werden.“

  8. Des Hype um die Homöopathie ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Ich habe mich damals von meiner Mutter überreden lassen eine Behandlung aufzunehmen, die überhaupt gar nichts gebracht hat. Auch die Globuli meiner Freundin gegen eine Erkältung zeigten keine Wirkung. Vielleicht bin ich ein Einzelfall, vielleicht ist es aber auch nur ein Placebo-Effekt bei den anderen. Ich für meinen Teil vertraue nur noch auf die Schulmedizin.

    Was das Medienecho betrifft, ist mir bereits öfters Spiegel Online aufgefallen, die der Homöopathie doch eher kritisch eingestellt zu sein scheint.

    Zum Schluss ein wenig Schmeichelei: Wieder ein sehr gut recherchierter und lesenswerter Artikel. Ich habe euren Blog wirklich gern!

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