Die „Kolumnenwoche Weltuntergang“ bei Spiegel-Online hat ein paar ganz nette Beiträge hervorgebracht.
Sibylle Berg („Esoteriker sind unsympathisch“) reflektierte die guten Seiten der bevorstehenden Katastrophe:
Keiner ruiniert die Umwelt in seinen letzten Monaten, mordet, prügelt sich, selbst die schwer Drogenabhängigen halten inne, um ein paar wache Momente zu erleben. Sie alle starren in die Sonne, fühlen sich so klein, wie sie es immer waren. Die Menschen begreifen endlich ihre Sterblichkeit und verhalten sich entsprechend friedlich und rührend.“
Schön wär’s – denn natürlich ist das Ganze „nur ein Traum“.
Wolfgang Münchau argwöhnt im Angesicht der Euro-Krise:
Nur der Weltuntergang kann uns noch retten.“
Jakob Augstein bekennt gar seine Liebe zur Apokalypse:
Die Warnung vor der Apokalypse ist die Aufforderung zur Reform. Wenn man den Fortschritt will, hilft es, den Untergang zu denken. Wunsch- und Schreckbilder gehören zusammen.“
Und Silke Burmester schreibt einen offenen Brief an die „Hochverehrten Apokalyptiker“:
Ich bin so froh, dass es Sie gibt! Wenigstens irgendjemand, der noch an etwas glaubt. Und wenn es an das Ende ist. Das ist mir egal! Hauptsache irgendjemand ist noch von irgendetwas überzeugt!“
Das sei ihr unbenommen, aber leider sitzt auch die bekannte Journalistin einer der zahllosen Nonsens-Behauptungen in Sachen Weltuntergang 2012 auf:
Allerdings, und das räume ich gern ein, erleben wir am 21. Dezember des Jahres ein Ereignis, das man nur alle 25.800 Jahre erleben kann: Die Erde beendet das, was die Fachwelt eine Präzessionsperiode nennt, da geht es um die nicht ganz exakt kugelförmige Erde und die Richtungsänderung ihrer Achse, sehr komplizierte Sache.
Und dass die Maya davon wussten (worauf einiges hindeutet), ohne einen Satelliten ins All geschossen zu haben, das fordert in der Tat Respekt. Und zeigt, dass man Apokalyptiker nicht unterschätzen sollte. Denn wenn die Maya so schräges Zeug wussten, dann wussten sie vielleicht auch, wann die Welt untergeht.“
Schlicht gesagt: Unsinn.
Mit „Präzessionsperiode“ meint Burmester anscheinend ein „Platonisches Jahr“.
Kurz zusammengefasst:
Wegen der Anziehungskräfte von Sonne und Mond bewegt sich die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne nicht in einer festen Achslage, sondern torkelt wie ein Kinderkreisel durchs All. Der Fachausdruck dafür heißt „Präzession”.
Das bedeutet zugleich, dass die Erdachse sich langsam, aber stetig verschiebt.
Denken wir uns die Erdachse verlängert bis ins Weltall, dann verändert sich ihre Ausrichtung auf das Firmament. Die Erdachse zeigt also nicht immer auf dieselbe „Himmelsgegend“, sondern wandert in rund 25.800 Jahren einmal im Kreis herum, und zwar gegen die Richtung der Erddrehung.
Die Spiegel-Kolumnistin meint wohl, die Erdachse werde am 21. Dezember 2012 wieder genau auf denselben Punkt zeigen wie vor 25.800 Jahren, also zu Beginn des „Platonischen Jahres“, wie dieser kosmische Zyklus auch genannt wird.
Tut sie aber nicht.
Denn das Problem ist: Es gibt gar keinen allgemein definierten Anfangszeitpunkt, ab dem ein Präzessionszyklus beziehungsweise ein „Platonisches Jahr“ gemessen wird.
Außerdem:
Die Literatur zur Himmelsmechanik sagt, dass eine Berechnung nur auf etwa 100 Jahre genau sinnvoll ist, weil es allerlei kleine Einflüsse auf die Erdbahn und die Lage der Erdachse gibt, die ein höhere Genauigkeit zumindest schwierig machen“,
erklärt uns Prof. Susanne Hüttemeister vom Zeiss Planetarium Bochum.
Auch im Kosmos-Bote lesen wir:
Man nehme Angaben zur Dauer des Platonischen Jahres nicht für bare Münze. Meist wird bloß der Kehrwert der momentanen Präzessionskonstanten, ausgedrückt in Jahren, angegeben. Die Konstante ist aber leider nicht konstant.“
Aus „uralten Überlieferungen“ soll angeblich hervorgehen, dass der Beginn eines „Platonischen Jahres“ dereinst bei 0 Grad im Sternbild Widder gesehen wurde.
Aber auch dann dauert es bis zum platonischen Neujahr noch über 20.000 Jahre.
Derzeit zeigt die Erdachse ziemlich genau auf den Polarstern im Sternbild Kleiner Wagen. Und das wird noch einige hundert Jahre so bleiben.
Aber was ist nun mit den Maya?
Dass die Mayas die Präzession überhaupt kannten, ist eher nicht wahrscheinlich. Plato kannte sie übrigens wohl auch nicht, deshalb ist auch „Platonisches Jahr“ eine irreführende Bezeichnung. Es sollte eigentlich „Hipparchonisches Jahr“ oder so heißen, denn Hipparchos kannte die Präzession definitiv“,
sagt die Astronomin Prof. Hüttemeister weiter.
Womöglich meint Silke Burmester aber auch ganz etwas anderes, zum Beispiel, dass am 21. Dezember 2012 Sonne, Erde und Milchstraßenzentrum in einer Linie stehen.
Auch damit (und mit zahlreichen ähnlichen Behauptungen) ist es nicht weit her:
- Erde, Sonne und Milchstraßenzentrum stehen nie auf einer Sichtlinie, sondern um einige Sonnendurchmesser versetzt, wenn man exakt das galaktische Zentrum treffen wollte.
- Vom optischen Eindruck her stehen – ganz grob betrachtet – Erde, Sonne und Milchstraßenzentrum jedes Jahr in etwa auf einer Linie, ohne dass diese Konstellation bislang verheerende Folgen gezeitigt hätte.
- Die Sonne befindet sich im Dezember 2012 auch nicht „in einer Ebene mit dem Zentrum unserer Galaxis“, sondern hoch über dieser Ebene – und entfernt sich weiter davon. (Wenn man davon ausgeht, dass die Galaxis einen Schwerpunkt hat, in dem die Rotationsachse „steckt“, und die Mittelebene senkrecht zu dieser Achse und ebenfalls durch den Schwerpunkt geht. Oder einfacher: Die „Hauptebene“ einer Galaxis ist die, in der die Spiralarme liegen. Das ist gewissermaßen der Äquator.)
- Ebenso wenig wird die Sonne im Dezember 2012 „genau ins Zentrum unserer Galaxis“ wandern. Oder am 21.12. 2012 „das Zentrum der Milchstraße einnehmen“. Unser Zentralgestirn zieht seine Bahn vielmehr um das Zentrum der Milchstraße herum, satte 26 000 Lichtjahre davon entfernt.
Diese letzt genannten Punkte kann man ausführlich bei Astrodicticum simplex nachlesen.
Oder in dem prima Scinexx-Dossier „Mythos 2012“.
Zum Weiterlesen:
- Bernd Harder: 2012 – Leitfaden für Endzeit-Liebhaber. Herder-Verlag, Freiburg 2011
- Florian Freistetter: Krawumm! Ein Plädoyer für den Weltuntergang. Ecowin-Verlag, April 2012
9. August 2012 um 23:24
BTW…die Präzesson ist ein Beweis dafür, daß Astrologie nicht stimmen kann, der Frühlingspunkt wandert munter, wegen der Präzession, durch die Sternbilder. Wer heute im Haus „bla bla bla“ geboren ist, ist in 1000 Jahren vielleicht nicht mehr.
10. August 2012 um 10:13
@Ralf: Das wissen aber auch die Astrologen – und interessiert sie nicht weiter …
10. August 2012 um 23:23
@Bernd Harder
Ja, auf der einen Seite soll man genau seinen Geburtszeitpunkt und Ort kennen (GPS-Genau ;-)) und auf der anderen Seite werden astronomische Erkenntnisse ignoriert.
Die Astrologie erfordert den Laplace’schen Dämon und der ist ja mittlerweile überholt. Der Sternenhimmel ist kein Uhrwerk und die Erdachse auch kein Uhrzeiger für den Weltuntergang.
Die Astrologie ist ein Paradebeispiel für eine Pseudowissenschaft, das weiß aber jeder – bis auf die, die darauf schwören…;-)
11. August 2012 um 18:11
Ich muss schmunzeln und denke gerade an die „weisen“ Astrologen, die sich mit ihrer Astrologie fernab vom sonstigen Unfug wie Kartenlegen und Zukunftsdeutungen ähnlicher Art sehen und ständig behaupten, ihre Astrologie sei in Sachen Zukunftsdeutung die Königsdisziplin und das einzig Seriöse…
Alles nur inhaltsloses BlaBlaBla.
Wie oft habe ich mich früher bei Anhängern von Astrologen unbeliebt gemacht, als ich zu diesem Thema Stellung bezog. Man wird als engstirnig und eingefahren eingeschätzt. Diese Leute wollen nur ihren Mist glauben, mit sachlichen Argumenten kommt man da nicht weit.
Als ich vor einigen Jahren mit meinem Hund zum Tierarzt musste, erfuhr ich so ganz nebenbei, dass der helfende Assistent – der auch zugleich der Lebenspartner des Tierarztes war – ein im Hobbybereich aktiver Astrologe ist. Als ich wagte, seine egozentrischen Schilderungen zum Thema zu kritisieren, legte er mir bei der Verabschiedung sehr nahe, mir zukünftig doch bitte einen anderen Tierarzt zu suchen.