GWUP-Mitglied Klaus Schmeh ist Spezialist für das Thema Verschlüsselung.
Sein aktuelles Buch „Nicht zu knacken“ wurde gerade im Spiegel vorgestellt (9/2012). Wir sprachen mit ihm über Wissenschaftler und Verschwörungstheoretiker in der Verschlüsselungstechnik.
In Deinem neuen Buch „Nicht zu knacken“ geht es um die zehn größten ungelösten Rätsel der Verschlüsselungstechnik. Was haben diese „kryptologischen Jahrhundertprobleme“, wie Du sie nennst, mit Parawissenschaften zu tun?
Erstaunlich viel.
Verschlüsselung und Geheimschriften sind nicht nur für Experten interessant, sondern faszinieren seit je her auch Esoteriker und Verschwörungstheoretiker. Das beste Beispiel dafür ist das Voynich-Manuskript. Über dieses verschlüsselte Buch aus dem Mittelalter habe ich schon mehrfach im Skeptiker berichtet.
Es gibt inzwischen über 20 Leute, die behaupten, das Manuskript gelöst zu haben – eine „Lösung“ ist allerdings lachhafter als die andere.
Andere meinen, Außerirdische seien an der Entstehung des geheimnisvollen Texts beteiligt gewesen. Unvermeidlicherweise hat uns auch Erich von Däniken mit seinen Ansichten zum Voynich-Manuskript beglückt. Es gibt zu diesem Rätsel inzwischen dermaßen viel pseudowissenschaftlichen Unsinn, dass die seriöse Forschung darin fast schon untergeht.
Ist das bei anderen Verschlüsselungsrätseln auch so?
Durchaus, wenn auch nicht so extrem.
Den Codex Rohonci, ein weiteres verschlüsseltes Buch, wollen auch schon mehrere Leute entschlüsselt haben. Dazu gehört eine rumänische rumänische Philologin, die ihre „Lösung“ in einer 800-seitigen Monografie veröffentlicht hat – Parawissenschaftler können ganz schön fleißig sein.
Bei der Recherche habe ich erfahren, dass es in Rumänien eine ganze Szene von Pseudohistorikern gibt, die meinen, die Vorfahren der Rumänen hätten einst ein ganzes Weltreich beherrscht. Dieses war angeblich so groß und mächtig, dass es das Imperium Romanum dagegen wie ein unbedeutender Kleinstaat wirkte.
Selbst hochrangige Politiker bekennen sich zu diesem pseudowissenschaftlichen Blödsinn.
Geht es in dem Buch nur um pseudowissenschaftliche Umtriebe?
Nein, absolut nicht. Im Mittelpunkt stehen jeweils die seriösen Bemühungen, die beschriebenen Jahrhunderträtsel zu lösen. Das Thema ist sehr abwechslungsreich, denn die betrachteten Verschlüsselungen haben jeweils eine völlig andere Geschichte.
In einem Fall geht es beispielsweise um einen Serienmörder, der verschlüsselte Botschaften an die Polizei verschickt, im anderen um ein Verschlüsselungsverfahren aus dem Kalten Krieg. Zwischen dem ältesten und neuesten Rätsel liegen über 500 Jahre.
Hat die Wissenschaft diese Verschlüsselungsrätsel bisher ausreichend gewürdigt?
Eindeutig nein.
Mit dem verschlüsselten Notizbuch des Künstlers James Hampton haben sich beispielsweise nur ganz wenige beschäftigt. In anderen Fällen sind Wissenschaftler gegenüber den Hobby-Forschern klar in der Unterzahl. Das führt einerseits zu einer wahren Schwemme an unbrauchbaren Arbeiten.
Andererseits stammen jedoch viele interessante Forschungsergebnisse von Laien. Einen verschlüsselten Brief des erwähnten Serienmörders hat beispielsweise ein Ehepaar aus Kalifornien dechiffriert, das bis dahin allenfalls Kreuzworträtsel gelöst hatte. Die anderen Briefe dieses Kriminellen, der sich selbst „Zodiac“ nannte, haben ihr Geheimnis allerdings bisher nicht preisgegeben.
Eines der Jahrhunderträtsel in Deinem Buch hat einen direkten Bezug zum Themenkreis der GWUP.
Ja, denn dabei geht es um Parapsychologie.
1948 veröffentlichte der britische Parapsychologe Robert Thouless drei verschlüsselte Nachrichten. Zum Verschlüsseln verwendete er jeweils ein Kennwort, das er nach seinem Tod aus dem Jenseits übermitteln wollte. 1984 ist Thouless gestorben. Im Erfolgsfall hätte er bewiesen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.
Hat er aber nicht …
Nein. Dafür haben Verschlüsselungsexperten inzwischen zwei seiner Kennwörter mit Hilfe wissenschaftlicher Dechiffriermethoden ermittelt. Die dritte Verschlüsselung ist aber noch nicht geknackt. Robert Thouless kann sich also noch aus dem Reich der Toten melden.
Zum Weiterlesen:
- Klaus Schmeh: Nicht zu knacken. Von ungelösten Enigma-Codes zu den Briefen des Zodiac-Killers: Die ungelösten Rätsel der Kryptologie. Hanser-Verlag, München 2012
4. März 2012 um 02:26
Den vielen Theorien zum Voynich-Manuskript gibt man am besten einen Score nach VBI. Das hilft bei der Beurteilung. ;)
4. März 2012 um 21:02
Interessanter Ansatz. Einige Arbeiten zum Voynich-Manuskript dürften locker mehrere Hundert Punkte erreichen.