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Skeptiker in der Schweiz

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Andreas Kyriacou (44) ist Berater für Wissensmanagement. Als Präsident der Zürcher Freidenker und Initiant des Denkfestes interessiert er sich für Parawissenschaften aus neuropsychologischer Sicht. Sebastian Bartoschek ließ sich von ihm erklären, was eigentlich spezifisch schwyzerdütscher Skeptizismus ist.

Andreas, die Schweiz ist für uns Deutsche immer noch ein weitgehend „unentdecktes Land“. Welche Rolle spielt Skeptizismus bei euch?

Andreas Kyriacou: Eine zu geringe – leider. Dies zeigte sich beispielsweise 2009, als zwei Drittel der Abstimmenden einer Änderung der Bundesverfassung (Schweizer Grundgesetz) zustimmten, welche den Gesundheitsartikel um die „Berücksichtigung der Komplementärmedizin“ ergänzte. Die „Schulmedizin“ ist in der Verfassung nirgends erwähnt. Die Initiatoren der Abstimmung gaben sich keine Mühe, ihre Privatüberzeugung von ihrer dienstlichen Tätigkeit zu trennen: Der Sprecher des Zürcher Ja-Komitees arbeitet in einem Spital, das Krebspatienten Alternativheilungen anbietet, nebenher als Numerologe, ein Arzt dieses Spitals hat Masern als wichtiges spirituelles Erlebnis für seine Kinder bezeichnet. Die meisten Medien und Politiker wollten gar nicht genauer hinsehen. Und auch die Wissenschaft geht bisher weitgehend in Deckung. Ich brauchte zwei Wochen, bis ich für ein kontradiktorisches Podium (eine Form von Podiumsdiskussion, d. Red.) einen kritisch eingestellten Vertreter der Ärztevereinigung und einen wissenschaftlich agierenden Phytotherapeuten fand, die öffentlich für ein Nein eintraten.

Mit welchen Themen beschäftigen sich die Schweizer Skeptiker und Freidenker schwerpunktmäßig?

Im Zentrum stehen säkulare Forderungen. So setzen wir uns gegen Diskriminierung von nicht-religiösen Menschen in verschiedenen Lebensbereichen ein, ferner für den Erhalt der liberalen Sterbehilfepraxis und der Möglichkeit zur Abtreibung. Außerdem haben die Zürcher Freidenker im Februar die schweizweit einzige 10:23-Aktion organisiert. Wir hoffen, dass nächstes Jahr weitere Veranstaltungsorte dazu kommen.

Die Schweiz ist Herkunftsland der bekannten parawissenschaftlichen Autoren Erich von Däniken und Andreas von Rétyi. Gibt es in der Schweiz eine besondere Offenheit gegenüber irrationalen Glaubensystemen, vielleicht vor allem in den ländlichen Gebieten?

 Insgesamt glaube ich nicht, dass die Schweizer stärker esoterisch veranlagt sind als die Menschen in den Nachbarländern. Jedoch nimmt sie bei der Anthroposophie eine Sonderposition ein. Rudolph Steiner lebte lange hier und die Gemeinden Arlesheim und Dornach bilden sowas wie die internationale Zentrale dieser obskuren Glaubensgemeinschaft. Die Anthroposophendichte korreliert übrigens mit der Anzahl von Masernerkrankungen.

Du bist einer der Hauptinitiatoren des Denkfests. Erzähl doch bitte einmal, wie es zu dieser Veranstaltungsidee kam und was die Besucher erwarten dürfen!

 Mich beeindruckt die angelsächsische Skeptikerszene mit ihren großen Konferenzen, vor allem „The Amaz!ng Meeting“ (TAM) der James Randi Educational Foundation (JREF). Als die JREF den Sprung über den Atlantik wagte und das erste TAM London ankündigte, dachte ich, „das müsste es in der Schweiz auch einmal geben“. Also fragte ich Randi per Mail, was er von der Idee eines TAM Zürich hielt. Es dauerte keine zwei Stunden, bis ich eine begeisterte Antwortmail bekam. Also begann ich, erste Referenten anzufragen und die Idee zu bewerben. Die JREF stieg dann doch nicht ein, entschied aus guten Gründen, mit ihrem Label vorerst im englischsprachigen Raum zu bleiben. Vielleicht war dies sogar eine glückliche Fügung. Wir brauchten einen neuen Namen – und haben mit „Denkfest“ einen gefunden, der sich selbst erklärt.

Das Denkfest verheimlicht nicht, dass das TAM Inspirationsquelle war. Wir haben uns um klare Gliederung bemüht: Zum Auftakt am Donnerstagabend gibt’s ein Podium mit skeptischen Bloggern aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Rumänien sowie zwei Workshops für Lehrpersonen. Jeder Halbtag ist einem Schwerpunktthema gewidmet. Es gibt die Blöcke „Wissenschaft für Kinder – Erfolgsgeschichten“, „Skeptische Blicke auf Therapien“, „Skeptische Blicke auf religiöse Verlautbarungen“, „Die Psychologie seltsamer Überzeugungen“ und „Skeptische Blicke auf Verschwörungstheorien“. Von Freitag bis Sonntag gibt’s nach der Mittagspause einen Vortrag zu „Wissenschaft topaktuell“, Auf diese Weise kriegt Spitzenforschung eine Bühne. Zur abschließenden Selbstreflexion soll eine zweite, abschließende zweite Podiumsdiskussion dienen.

Noch eine Frage zum Abschluss: Wenn Du einen skeptischen Wunsch frei hättest – welcher wäre das?

Dass die Schule kritisches Denken gezielt fördert. Nicht im Rahmen eines eigenen Faches, sondern als Kernkompetenz, die beständig geschult wird.

Vielen Dank für dieses Interview!

Fragen: Sebastian Bartoschek

Autor: Inge Hüsgen

Redaktionsleiterin Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken

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