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Michelle Hunziker, Paolo Coelho und die Krieger des Mists

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Überlassen wir nun die beiden Jenseitskomiker Winfried Noe und Jürgen Fliege endgültig ihren „Wut-Briefen“ und ähnlichen Torheiten – und widmen uns einem anderen Promi:

der naturschönen Grinsekatze Michelle Hunziker.

Heute hat die „zarteste Versuchung, seit es die Schweiz gibt“ erstmals über ihre Sekten-Vergangenheit gesprochen, die Hunziker bislang standhaft leugnete. 2003 etwa schrieb Die Welt:

Es heißt, nach der Trennung von Italiens Schnulzenkönig vor anderthalb Jahren sei Michelle Hunziker einer Sekte namens „Krieger des Lichts“ verfallen. Die Mutter ihres neuen Freundes soll sie verhext haben. „Ach, das ist doch Mittelalter. Inquisition“, wehrt sie genervt ab. „Ich habe mich nur mit meinem Leben auseinander gesetzt. Dabei hat mir jemand geholfen. Eine Freundin, eine lebenskluge Frau, die es für jeden Menschen geben kann.“ Alora. Basta. Der Rest ist Privatsache. „Sacra – heilig.“ Okay?

Okay. Aber sie selbst spricht weiter, das Thema ist ihr wichtig. „Ich hätte kein Problem zuzugeben, wenn ich zu einer Wahrsagerin ginge. Aber ich tue es nicht. Genauso gibt es keine ,Krieger des Lichts.““ Dann verhaltener: „Giulia ist eine Pranatherapeutin.“ Plötzlich bekommt sie Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache: „Eine staatlich aner-aner-anerkannte Prana-, äh, Pranatherapeutin. Also, Prana, die Energie.“ Ja, und das sei alles normal und „Krieger des Lichts“ nur ein Buch von Paulo Coelho. Und wie zum Beweis überreicht ihr Manager gleich ein Exemplar als Geschenk.

Trotzdem titelte die Boulevard-Presse gerade: „Hier empfängt Michelle Hunziker den Segen ihrer Wundersekte.“ Der Manager schnaubt und stellt sofort richtig: „Die Aufnahme, die angeblich Michelles Segnung beweisen soll, zeigt ihre Maskenbildnerin, die ihr die Haare ordnet – für die wichtigste Musiksendung Italiens, ,Festival Bar“, vor 14 Tagen.“

In Wahrheit war da wohl einiges mehr in Unordnung als nur die Haare. Sechs Jahre lang gehörte die Co-Moderatorin von „Wetten, dass …?“ einer obskuren Eso-Clique namens „Krieger des Lichts“ an:

Ich war 23, hatte gerade meinen Vater verloren. Man fühlt sich allein, ist sehr schwach, diese Leute tauchen im Moment der größten Verletzlichkeit auf“,

erzählte Hunziker jetzt der italienischen TV-Journalistin Simona Ventura.

In ihrer damaligen emotional labilen Situation sei sie für die Sekte „leichte Beute“ gewesen:

Sie sind psychologisch sehr gut geschult. Es fällt ihnen leicht, dir einzureden, dass sie es gut mit dir meinen.“

Die Glaubenssätze der „Krieger des Lichts“ orientieren sich am gleichnamigen Buch des bekannten brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho.

Da hätte Michelle Hunziker vorher wohl mal besser die launige Rezension der Wiener Zeitung über die Coelho-Machwerke gelesen, betitelt „Der Krieger des Mists“.

Ein Auszug:

In der Gegenwartsliteratur gibt es einige Schriftsteller, die schreiben, ohne schreiben zu können. Aber von allen Schriftstellern der Gegenwart, die schreiben, ohne schreiben zu können, ist Paulo Coelho derjenige, der am meisten schreibt und es am wenigsten kann.

Zugegeben: Wenn sich ein Autor selbst als „Krieger des Lichts“ bezeichnet, als wäre er eine Fleisch und Blut gewordene Figur eines drittklassigen Fantasy-Romans, rümpfe ich von vorne herein die Nase. Aber Coelho bestätigt alle Vorurteile. Soeben hat der Brasilianer ein neues Buch veröffentlich. „Sei wie ein Fluss, der still die Nacht durchströmt“, heißt es.

Das lässt gleich nichts Gutes ahnen. Was nämlich soll der Titel bedeuten? Klingt gut. Klingt nach alter Weisheit und buddhistischer Lehre – ist in Wahrheit aber bloß Coelhos Weisheits-Leere.

Und so geht’s weiter. Was auf den ersten Blick wie eine Ansammlung von Kreuzungen fernöstlicher mit christlicher Philosophie anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Sammelsurium flacher Gedanken, die bestenfalls zum Lachen reizen.“

Nun ja, ihr strahlendes Lachen ist tatsächlich „Michelle Hunzikers Markenzeichen“ (Süddeutsche). Aber irgendwas hatte die Schweizerin da wohl falsch verstanden, als sie vor einigen Jahren dem P.M.-Magazin sagte:

Ich habe in Paulo Coelhos ›Handbuch des Kriegers des Lichts‹ mal reingelesen. Die Krieger des Lichts sind einfach Menschen, die nach den Ideen des Buchs von Paulo Coelho leben.“

Was uns fast zwangsläufig zu dem Thema „Promis und ihre merkwürdige Affinität für Esoterik und Übersinnliches“ bringt. Einen guten Beitrag dazu gibt’s in der Weltwoche.

Zitat daraus:

Stars als ewige Pubertierende?

Dass Prominente sich zu spirituellen Organisationen hingezogen fühlen, hat gemäss Ross [ein US-Sekten-Experte] hauptsächlich mit ihren unsicheren Egos und der Psychologie der Unterhaltungsindustrie zu tun: «Es ist wie in der Lotterie oder in einem Spielkasino. Unbekannte Künstler können über Nacht zu Stars werden. Die Gründe dafür sind häufig nicht rational erklärbar.

Diese Künstler, so hat Ross festgestellt, werden vom plötzlichen Ruhm überwältigt und verspüren den Drang, von einer übergeordneten spirituellen Instanz aufgefangen zu werden. Sie möchten Antwort auf drängende Fragen wie: Warum bin ich berühmt? Habe ich eine spezielle Aufgabe auf dieser Welt?

Wer bin ich, und was passiert, wenn mein Ruhm wieder verschwindet? (Oder auch: Wo soll ich heute Abend essen gehen, und mit wem?)“

Glücklicherweise dürfte Michelle Hunziker mit den beiden letzten Fragen zur Zeit voll ausgelastet sein – nach der jüngsten Trennung von ihrem untreuen Freund Daniele Pecci.

Zum Weiterlesen:

  • Sekten-Info NRW präsentiert Jahresbericht, GWUP-News am 28. März 2011
  • Die Geisterjägerin: Lady Gaga völlig gaga, GWUP-Blog am 8. Oktober 2010
  • Lady Gaga – haunted? GWUP-Blog am 3. November 2010
  • Die Geister-Therapeutin, GWUP-Blog am 15. Oktober 2009
  • Wünschel-Wichte: GWUP in der Bunten, GWUP-Blog am 6. November 2010

3 Kommentare

  1. Bitte noch „Hunziker“ überall korrekt schreiben, macht mit „ck“ einfach einen seltsamen Eindruck! :)
    Gruß
    Markus

  2. Kommt wieder hoch:

    „Michelle Hunziker lebte offenbar jahrelang in einer Sekte. Einem Bericht zufolge schildert sie nun ihre Erfahrungen: Es geht um Entbehrungen, Liebesentzug – und Todesangst.“

    http://www.spiegel.de/panorama/leute/michelle-hunziker-ueber-ihre-sekten-zeit-daemonische-kraefte-a-1229882.html

  3. Jetzt mit Interview:

    „Michelle Hunziker war offenbar mehrere Jahre lang einer Sekte verfallen. Wie gewinnen solche Gruppen neue Anhänger? Welche Rolle spielt die eigene Lebenssituation? Theologe Matthias Pöhlmann gibt Antworten.“

    http://www.spiegel.de/panorama/michelle-hunziker-wie-betroffene-in-einer-sekte-landen-experteninterview-a-1230233.html

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