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„Seriöse“ und „unseriöse“ Astrologie

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Nach dem unsäglichen „Jahreshoroskop“ für 2011 versucht Die Welt uns heute gleich doppelt davon zu überzeugen, dass es so etwas wie „seriöse“ Astrologie gebe.

Zunächst eiert eine Autorin namens Dr. Claudia Becker in epischer Breite so lange rum, bis der Leser zwangsläufig den Eindruck bekommen muss, dass es zwar gaaanz viele „Scharlatane“ in der Branche gibt – aber eben doch auch so etwas wie eine „seriöse“ Astrologie, weil ja „die Quantenphysik die fest naturwissenschaftliche Art der Weltanschauung erschüttert“ hat und so weiter.

Da ist sie also wieder – die Quantenphysik als mystische Geheimlehre, die alles mit allem verbindet … Dass das barer Nonsens ist, haben wir hier schon öfter erörtert.

Aber auch der etwas kritischere Artikel von Ulli Kulke über die Abzocke von „Astro TV“ und Co. („So wird die Sterndeutung zum lukrativen Geschäft“) lässt sich auf die unsinnige Unterscheidung zwischen „Scharlatanen“ und „seriösen“ Astrologen ein. Letztere könnten zum Beispiel eine Art „Examen“ vom Deutschen Astrologenverband vorweisen.

Na und? Das Jodel-Diplom bleibt auch dann Quatsch, wenn „Dö dudl dö“ das zweite Futur bei Sonnenaufgang ist.

Ganz schlicht gesagt: Es ist vollkommen egal, ob Langsdorf, Schilddorfer etc. fünf Minuten oder fünf Tage für ein Horoskop aufwenden – Unsinn wird ja nicht dadurch sinnvoller, je länger man sich damit beschäftigt. Ein „Star“-Astrologe, der alle möglichen Phantastereien wie „Häuser“, „Transite“, „Progressionen“, „Eklipsen“ mit berücksichtigt, gelangt damit ebenso wenig zu gesichertem Wissen wie ein Yellow-Press-Sterndeuter.

Zwischen „seriöser“ Astrologie und so genannter Vulgärastrologie zu differenzieren, ist nichts weiter als reine Rhetorik und führt keinen Schritt weiter. Denn der Unterschied zwischen einem detaillierten „persönlichen“ Horoskop und einem vierzeiligen Zeitungshoroskop liegt lediglich im Grad der Kompliziertheit.

Individuelle astrologische Persönlichkeitsanalysen und Daseinsdeutungen beziehen sehr viel mehr Daten des Klienten mit ein, die die „kosmische Situation“ zum Zeitpunkt seiner Geburt möglichst exakt wiedergeben und ein „tiefgründiges Bild der menschlichen Natur“ zeichnen sollen; es wir also mehr gerechnet, verglichen, analysiert etc.

Doch dieses gewaltige Regelgebäude mit seinen zahllosen Abstraktionen, Zuordnungen und Deutungselementen sagt rein gar nichts darüber aus, wie seriös das zugrunde gelegte Wissen ist.

Seriosität“ ist folglich kein taugliches Unterscheidungsmerkmal.

Zu fragen ist vielmehr, ob es auch nur eine einzige Variante astrologischer Deutungskunst gibt, die „funktioniert“. Existiert überhaupt ein nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Gesamtsymbolik eines Horoskops und einem entsprechenden Geschehen auf der Erde beziehungsweise einem Individuum? Klare Antwort: nein.

Die von der Astrologie angenommenen Beziehungen zwischen uns Menschen und der Welt der Gestirne sind unzählige Male untersucht worden und bestehen gar nicht. Die grundlegende astrologische Hypothese von einer – wie auch immer gearteten – Entsprechung zwischen „Oben“ und „Unten“ ist also schlicht falsch.

Sehr schön erklärt wird diese Thematik auch bei Astrodicticum simplex:

Und natürlich ist jeder Astrologie überzeugt, er würde ,seriös‘ arbeiten… Unseriös sind immer nur die anderen ;)
Leider konnte mir bis jetzt noch kein Astrologe meine Frage beantworten: Wie unterscheidet man seriöse von unseriöser Astrologie? Und ich gehe mal davon aus, dass sich daran auch nichts ändern wird. Denn Astrologie ist eine in sich völlig inkonsistente und beliebige ,Lehre‘.

Also gibt es auch keine Möglichkeit, zwischen ,richtiger‘ und ,falscher‘ Astrologie zu unterscheiden.“

Zum Weiterlesen:

  • Das Horoskop der Horoskope, Astrodicticum simplex am 20. Januar 2011
  • Endlich: Schadensersatzpflicht für Astrologen, Frischer Wind-Blog am 4. Januar 2011
  • Der doppelte Astrobernd, Wahrsagerchecks Blog am 19. Januar 2011
  • Bernd Harder: Geister, Gothics, Gabelbieger. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2005
  • Was Sie in Astrologiebüchern nicht finden werden, dermond.at
  • Tiefschlag für Horoskope, Bild der Wissenschaft am 26. April 2006
  • Warum Horoskope immer stimmen, Süddeutsche vom 20. Dezember 2006
  • Andreas Hergovich: Die Psychologie der Astrologie. Huber-Verlag, Bern 2005
  • Klaus Schmeh: Planeten und Propheten. Alibri-Verlag, Aschaffenburg 2006
  • GWUP-Thema: Astrologie
  • „Die Akte Astrologie“ von Gunter Sachs aus Sicht der mathematischen Statistik, Skeptiker 3/1998
  • Akte Astrologie Österreich, Skeptiker 4/2009

13 Kommentare

  1. Der Artikel in der Welt am Sonntag war leider eine echte Glanztat des „seriösen Journalismus“.

    Ich denke aber, dass es tatsächlich ein Unterschied zwischen „seriöser“ und „unseriöser“ Astrologie gibt. Natürlich anders als von der Autorin impliziert: Dieser Unterschied hat nicht viel mit der Komplexität der verwendeten astrologischen Methode zu tun, vielmehr geht es um den Umgang mit dem Kunden. Ist also der „astrologische“ Berater explizit und wissentlich auf Abzocke oder Verarschung des Kunden aus? Oder glaubt er selbst an seine Methode, kennt gewisse Grenzen und geht halbwegs verantwortungsvoll mit seinen Klienten um?
    Die Grenzen sind natürlich fließend. Wenn man diese seriöse Astrologie konsequent zu Ende denkt, bleibt von der eigentlichen Astrologie auch nichts mehr übrig. Was bleibt, ist Psychologie und Lebenshilfe, die einen gewissen Markt bedient.

    Ein anderer Punkt, der mich am Welt-am-Sonntag-Artikel sehr gestört hat: Es war viel die Rede von den Untersuchungen von Michel Gauquelin und Gunter Sachs, auch Kritik wurde – leider viel zu kurz – erwähnt. Es wurde aber nirgends erwähnt, wie klein diese ganzen Effekte sind. Die Größenordnung, von der Sachs schreibt, ist so gering, dass sie eher gegen als für eine praktische Anwendung jeglicher Form von Astrologie spricht.
    Genau deshalb sind die mathematischen Methoden ja auch so aufwendig und genau deshalb wird in der Fachwelt ja auch gestritten, ob diese Effekte auch real sind (s. Skeptiker 4/2009).

  2. << Ist also der "astrologische" Berater explizit und wissentlich auf Abzocke oder Verarschung des Kunden aus? Oder glaubt er selbst an seine Methode, kennt gewisse Grenzen und geht halbwegs verantwortungsvoll mit seinen Klienten um? << Diese Unterscheidung leuchtet mir nicht ganz ein - warum sollte das eine besser sein als das andere? *Gerade* wenn ein Astrologe selbst von seiner Methode überzeugt ist (was wir zugunsten der Astrologen wohl annehmen sollten), ist das ein denkbar ungünstiger - weil blind für die Realität machender - Faktor für eine seriöse, "verantwortungsvolle" Beratung.

  3. @ Martina Rheken:

    Mir ist bewusst, dass die Unterscheidung schwierig ist. Ich denke aber, dass es unfair wäre, deshalb gleich alle Astrologen in einen Topf zu werfen.

    Nach dem Selbstverständnis „seriöser“ Astrologen kann z.B. nur auf Anlagen oder Charakterzüge geschlossen werden, präzise Aussagen über die Zukunft sind dagegen nicht möglich. Das beinhaltet gewisse Grenzen: die Astrologie ist nicht für alle Probleme zuständig, die Verantwortung für sein Handeln bleibt beim Kunden.

    Ein „Astrologe“, der nicht an seine Kunst glaubt, ist von vornerein ein Betrüger, der es nur auf das Geld seiner Kunden abgesehen hat. So jemand wird es viel eher darauf anlegen, seine Kunden von ihm abhängig zu machen… wie es ja teilweise bei Astro-Hotlines geschieht.

    Vielleicht muss man aber zwischen einigen ganz unterschiedlichen Aspekten unterscheiden: Welches Ziel verfolgt der Astrologe? Für wie weitreichend hält er die Astrologie? Ist sie für alles zuständig oder nur eine Methode unter vielen?

    Letztendlich ein weitreichendes und auch Abseits der Astrologie wichtiges Thema. Die Astrologie wird nicht verschwinden, einfach deshalb, weil es ein Markt dafür gibt. Wie die GWUP damit umzugehen hat ist relativ klar: Aufklären. Aber wie sollte die Gesellschaft als Ganzes damit umgehen, welche Spielregeln sollten gelten? Kann man den Schaden begrenzen, indem man die Zunft anerkennt und reguliert?

  4. Unabhängig von den Intentionen basiert das Ergebnis immer auf der falschen Prämisse, der Astrologe könne mit Hilfe einer Methode eine Aussage über die Zukunft treffen. Da allerdinks keine solche Methode existiert, muss bei der falschen Prämisse engenommen werden, dass alle Aussagen von Astrologen immer auch als falsch zu betrachten sind. Damit ist Astrologie IMMER UNSERIÖS. Ob man bei der Beurteilung der Tätigkeit des Astrologen zwischen seinen Intentionen abwägt, ob es sich um einen seriösen oder unseriösen Astrologen handelt, schützt den Kunden nicht vor Betrug. Selbst wenn dieser nicht intendiert ist, so kann man doch unterstellen, dass bei einem umfassend hohen Grad an Informationen auf Seiten des Kunden ein gross der astrologie-Gläubigen wohl eher das Geld behalten würde, statt sich teurer Effekthascherei auszusetzen.

    Vielleicht wäre ja ein richtiger Schritt Astrologie, genauso wie jede andere Form des Wahrsagens total zu liberalisieren und gesetzlich verpflichtend zwingen ein Schild am Hauseingang anzubringen auf dem etwas steht wie: „Die Aussagen einer aus Hellseherei, Sternen- oder ähnlichen Naturdeutungen basieren auf Aberglaube und treffen sehr selten bis niemals zu. Der Verbraucherschutz“

  5. Aber kann Astrologie vorsichtig angewandt nicht auch einfach Zuspruch, Aufmerksamkeit und Mitgefühl transportieren? Das wäre wirklich der einzige Nutzen, den ich mir vorstellen könnte, wenn Menschen, die normalerweise nicht zu einem Psychologen gehen würden oder keine guten Freunde haben, so das Gefühl bekommen, ernst genommen, beraten und verstanden zu werden. „Ja, trenn dich von deinem Mann der dich schlägt“ oder „ja, engagiere dich in deiner neuen Selbständigkeit, 2011 wird ein gutes Jahr“. Das mag alles Humbug sein, bzgl. Sterne usw. aber als Lebensberatung kann es schon einen Sinn haben, für ausgewählte Menschen, die ansonsten wie gesagt nicht zum Psychologen oder Freund gehen würden….

  6. 1. AberGLAUBE wird doch nicht dadurch seriöser, dass mehr „ABER“ geglaubt wird!
    Etliche von den Skeptikern zu Recht kritisierte „Verfahren“, setzen spezifisches Kenntnisse der jeweiligen dogmatischen Glaubensformen voraus.
    2. Ob der „Schröpfende“ z.B. dieses Verfahren ausschließlich anwendet, um seine „Patienten“ zu schröpfen oder – zusätzlich – an eine heilende Wirkung glaubt, Schröpfen ist wirkungsloser Hokuspokus!

    Eine Unterscheidung zwischen Horoskop-Hokuspokus, Naturheil-Hokuspokus wäre bestenfalls dadurch gegeben, dass der Kunde sich nicht in die Gefahr eines gesundheitlichen Schadens begibt.

    Unter dem Aspekt der „self-fulfilling prophecy“ haben Horoskope eventuell einen positiven Effekt. Eine Vorhersage wie z.B. „Du wirst dein Glück finden“ machen aufmerksamer für das, was für den einzelnen Glück bedeutet.
    Dieser Effekt wird gewiss bei der hohen Suggestibilität der *Histrionischen Persönlichkeit* besonders deutlich auftreten.

    Konkret: Mag doch der an sein bevorstehendes Glück glauben, der suggestibel ist, eine wissenschaftliche Disziplin wird das Sterne-deuten mit oder ohne Quantenphysik nie werden!

  7. Astrologie als Methode ist immer unseriös.

    Wo man Unterscheidungen treffen kann, ist die potentielle Schädlichkeit für den Kunden. Es gibt meines Wissens bei einigen Astrologie-Anbietern zumindest einige Tabu-Fragen bzw. Antworten. So wird oft die Auskunft über den künftigen Tod verweigert. Auch werden manchmal konkrete Gesundheits-Fragen nicht beantwortet (zumindest wenn man auf Astro-TV auf Sendung ist).

    Es sieht nicht so aus, als ob Astrologie in absehbarer Zeit aussterben wird. Ich könnte mir vorstellen, dass es Gesellschaftlich sinnvoll ist, einen verpflichtenden Verhaltenskodex für die Branche einzuführen. Beispielsweise Verzicht auf Vorhersage konkreter Ereignisse wie Tod, keine medizinischen Diagnosen, Vermeidung von Entstehen von Abhängigkeiten, usw. Eine Art „seriöse“ Astrologie wäre demnach gegeben, wenn sich der Astrologische Berater an diesen Kodex hält.

  8. Oh nein, damit, dass der Astrologe selbst fest an seine „Lehre“ glaubt, wird die Sache keineswegs seriöser. Es versetzt ihn lediglich in die Lage, umso überzeugender seinem Kunden gegenüberzutreten – und ihn also umso eleganter abzocken zu können.
    Ich kann noch so fest an das fliegende Spaghettimonster glauben, das macht dessen Existenz nicht wahrscheinlicher.
    Noch ein Wort zur vielbeschworenen Quantenphysik: All jene, die unaufhörlich diesen Begriff unter ihr Gelaber mischen, sollte man zwangsweise einer Physikprüfung zuführen, wo sie diese einmal erklären müssen!

  9. Zum Thema „Seriöse und unseriöse Astrologie“ hatte ich im Dezember 2008 einen Leserbrief in der Oberhessischen Presse veröffentlicht, nachdem eine „geprüfte“ Astrologin sich dort von ihren unseriösen Kollegen im Astro-TV abgegrenzt hat (und dabei kräftig kostenlose Werbung für sich gemacht hat). Und sogar das Jodeldiplom wird erwähnt.

    1. Teil des Briefes http://www.jesuswahn.de/Leserbrief%20Kubitza1.jpg

    2. Teil des Briefes http://www.jesuswahn.de/Leserbrief%20Kubitza2.jpg

  10. Halli, Hallo
    es gibt keine seröse Astrologie, alles Humbug und so.
    Tschö mit ö

  11. seriöse/unseriöse Astrologen kann man doch gleichsetzen mit seriösen/unseriösen Hütchenspielern.

  12. @ Wolfgang
    Der Vergleich ist gar nicht schlecht.
    Sowohl Astrologen wie auch Hütchenspieler gaukeln dem Gegenüber etwas vor, was es nicht gibt. Die Astrologen angebliche Kenntnisse, die Hütchenspieler angebliche Gewinnchancen – in beiden Fällen ist es Betrug!

  13. Endlich mal eine Erklärung was seriöse Astrologie ist ;)
    http://www.youtube.com/watch?v=Q1ipMQW9mOg&feature=youtu.be

    Wir sind also ein CD-Rohling ;)))

    Und die Sonne ist nicht so dominant wie bei den unseriösen Astrologen

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