Au weia:
- Homöopathie ist ein Naturheilverfahren.
- Naturheilverfahren sind grundsätzlich nebenwirkungsfrei.
- „Schulmedizin“ bekämpft nur die Symptome, nicht die Ursache.
- Bei der Homöopathie ist das genau umgekehrt.
Falls wir mal einen Preis ausloben sollten für den kürzesten journalistischen Beitrag mit den meisten Fehlern und Irrtümern – dann hätten wir den unangefochtenen Favoriten in der aktuellen Jolie (12/2010) gefunden. In sage und schreibe sechs Sätzen schafft es da jemand, das geballte Unwissen in Sachen Homöopathie und Naturheilkunde in die Welt hinaus zu posaunen. Im Brustton der Überzeugung natürlich.
Immerhin: Das schlanke Pro-und-Contra-Stück auf Seite 30 steht unter dem Motto:
Alternative Heilmethoden sind nichts als fauler Zauber, wenn man einer neuen Studie glaubt. Aber das tun nicht alle – auch nicht in der Jolie-Redaktion.“
Und tatsächlich legt eine kritische Redakteurin im Folgenden dar:
Das Prinzip der Homöopathie – die Verdünnung von Wirkstoffen – hat mir noch nie eingeleuchtet. Und eine neue Studie gibt mir recht: Schweizer Forscher fanden heraus, dass die Wirkung von Globuli etc. nicht besser ist als die von Placebos.“
Dem indes setzt eine Kollegin forsch entgegen: „Homöopathie hilft!“
Wenn meine Kinder krank werden, versuche ich zunächst, Husten und Co. auf schonendem Wege zu behandeln. Denn Naturheilverfahren sind nebenwirkungsfrei – im Gegensatz zur Schulmedizin, die manchmal mehr Schaden anrichtet, als Nutzen bringt. Bei einigen Medikamenten sind die Nebenwirkungen schlimmer als die Krankheit. Beispiel: chronischer Schnupfen durch Nasenspray.
Außerdem werden nur die Symptome bekämpft, nicht die Ursache. Langfristig ist eine ganzheitliche Behandlung sinnvoller!“
Nun ja, die trotzige Verwendung zweier Ausrufezeichen, um ein paar banalen Sätzen mehr Bedeutungsschwere zu verleihen, lässt die inhaltliche Luftnummer schon erahnen.
Muss man das alles wirklich zum hundertsten Mal erklären?
- Dass Homöpathie keine Naturheilkunde ist, sondern zu den „besonderen Therapierichtungen“ gezählt wird?
- Dass nach der „Simile“-Regel Hahnemanns gerade bei der Homöopathie die Symptome des Patienten im Vordergrund stehen und mitnichten irgendeine „Ganzheitlichkeit“?
- Dass Naturheilverfahren keineswegs nebenwirkungsfrei sind?
Zum letzten Punkt schreibt Dr. Florian Freistetter bei Astrodicticum simplex:
Man könnte das ja fast schon wieder für Satire halten: Chemische Bomben oder sanfte Naturheilmittel …
Ernsthaft jetzt: Alles ist Chemie. Das Zeug aus der Natur besteht genauso aus Atomen und Molekülen wie das, was in einem Labor erzeugt wird. Und die ,sanfte‘ Natur hat jede Menge gefährliche und tödliche Mittelchen zu bieten mit jeder Menge Nebenwirkungen. Im Gegensatz zu den gleichen Stoffen, die von Pharmazeuten für den Einsatz als Medikament optimiert wurden und bei denen man versucht, möglichst wenig Nebenwirkungen zu bekommen.
Die Assoziation Natur = immer gut und Chemie = immer böse ist Unsinn. Egal ob das Zeug jetzt aus dem Wald kommt oder dem Labor: Es kann gut wirken und problemlos heilen. Oder uns mit heftigen Nebenwirkungen treffen, krank machen oder umbringen. Es kommt ganz darauf an, was und wie man es einsetzt.“
Trotzdem scheint bei nicht wenigen Zeitgenossen der Verstand ganz einfach auszusetzen, sobald es um milde Heilkräuterlein versus böse Pharma-Industrie geht, wie der aktuelle Hoax um das angebliche EU-Heilpflanzenverbot mal wieder eindrucksvoll zeigt.
Zum Weiterlesen:
- Das EU-Heilpflanzenverbot, das es gar nicht gibt, wissenslogs.de am 9. November 2010
- Kamillenteeverbot und Tomatenboykott, Astrodicticum simplex am 10. November 2010
- Absurde Angst um die Kamille, Spiegel-Online am 11. November 2010
- Keine Gefahr für Lavendel, Salbei und Kamille, Stern-Online am 13. November 2010
- Aberglaube Homöopathie, Kritisch gedacht am 4. Juni 2008
13. November 2010 um 15:48
Es ist wirklich nicht zu fassen, wie in Zeitschriften teilweise mit Desinformation um sich geschmissen wird.
Ich glaube, ich steige auch ins Esoterik-Business ein und biete dann homöopathische Kapitalanlagen an. Bei mir können Sie dann ihr Geld zu einem homöopathisch verdünnten Zinssatz von 0,0001% p.a. anlegen. Ihr Reichtum wird sich vermehren! Garantiert noch wirkungsvoller als die „natürlichen“ Heilkräfte der Homööphatie!
14. November 2010 um 21:03
Ich habe mir jolie.de mal angeschaut… Mal ehrlich, sollte man so etwas wirklich so ernst nehmen, dass man Blogeinträge darüber verfasst?
23. November 2010 um 16:24
@ketam1n: Arrg! Ähnlichkeitsprinzip bitte schön! Also wenn dann -1ppm, oder doch wohl eher -1e60%