An Christi Himmelfahrt findet bekanntlich der Publikumstag der 20. GWUP-Konferenz in Essen statt. In München läuft dann der Ökumenische Kirchentag. Und der Papst reist nach Portugal.
Genauer gesagt nach Fatima, zum Jahrestag der angeblichen Marienerscheinungen von 1917 und zehn Jahre nach der Seligsprechung der beiden „Seherkinder“ Jacinta und Francisco Marto.
Ich komme gerade aus Fatima. Eine TV-Produktionsfirma hatte mich für drei Tage dorthin eingeladen. Es ging um ein neues Sendeformat für den Bayerischen Rundfunk mit dem bekannten Schauspieler und Liedermacher Michael Fitz, der an populären Wallfahrtsorten Gläubige und Kritiker zwanglos interviewt. Sehr sympathischer Mann. Völlig uneitel und interessiert.
Mal gespannt, welche Passagen unserer mehrstündigen Gespräche an verschiedenen Schauplätzen rund um das Marienheiligtum ausgestrahlt werden.
Natürlich ging es auch um die berühmten und angeblich unwiderlegbaren „Prophezeiungen“ sowie um die drei „Geheimnisse“ von Fatima – und um die Frage, was Jacinta (7), Francisco (9) und die eigentliche Protagonistin Lucia Santos (10) wohl gesehen haben an jenem 13. Mai 1917, beim Schafe hüten in dem kleinen Talkessel Cova da Iria.
War Lucia eine Betrügerin?“,
wollte Michael Fitz unter anderem wissen.
Das vermutlich nicht – aber einige Menschen haben eidetische Fähigkeiten. Sie können innere Bilder in der Außenwelt wahrnehmen, unterliegen also einer Sinnestäuschung ohne psychotische Ursachen.
Dazu passt auch, dass nur Lucia sich mit der „Erscheinung“ (eine von blendenden Lichtstrahlen umgebene Frauengestalt) unterhielt, auch bei allen späteren Begegnungen. Jacinta glaubte zwar auch, die „wunderschöne Dame“ zu sehen und zu hören, fragte aber nie selbst etwas.
Franciscos Eindrücke waren nach eigenen Angaben stets undeutlich. Der Hirtenjunge sah die „Erscheinung“ zeitweise gar nicht und hörte ihre Worte selbst nie.
Alles, was die beiden Nebenseher Jacinta und Francisco über die Marienerscheinungen wissen, beruht auf Lucias Erzählungen.
Was könnte der Auslöser für das spontane visuelle Phänomen gewesen sein? Auch das ist nicht schwierig zu erklären: Es ging um persönliche Ängste und Nöte, die auf die „Erscheinung“ projiziert wurden.
Beredetes Indiz hierfür: Das erste persönliche Anliegen Lucias betraf den Ersten Weltkrieg. Sie wollte von der Gestalt wissen, ob der Krieg bald zu Ende gehe.
Verständlich, denn ein Jahr zuvor war Portugal – im Land höchst umstritten – in den Krieg eingetreten. Die drei Kinder bekamen mit, wie Angehörige, Nachbarn, Verwandte in den Krieg mussten, erlebten Unruhen und Aufstände, weil eine deutsche Seeblockade die Nahrungsmittel drastisch verknappte.
Nüchtern betrachtet ging es an keinem einzigen der sechs Erscheinungstage (von Mai bis Oktober, immer am 13. des Monats) um spektakuläre „Geheimnisse“ und Voraussagen – sondern um nichts weiter als um den beständigen Appell der „Erscheinung“, den Rosenkranz für die Beendigung des Krieges zu beten.
Neben persönlicher Angstbewältigung hat das von der „Erscheinung“ geforderte und von Lucia als „Seherin“ verkündete Ritual noch eine zweite wichtige Bedeutung: Es ging um nichts weniger als um die Illusion, etwas „tun“ zu können, also jenen schwierigen und bedrückenden Zeiten nicht mehr hilflos ausgeliefert zu sein, sondern dagegen aktiv zu werden – nämlich in dem von der „Erscheinung“ geforderten Sinne: beten, opfern, fasten.
Um damit Gott zu bewegen, weiteres Unheil abzuwenden.
Das war erst einmal alles. Wie konnte ausgerechnet Fatima zu einem der weltgrößten Marienheiligtümer mit enormer politischer Bedeutung aufsteigen?
Zum Weiterlesen:
9. Oktober 2017 um 15:40
Mit GWUP-Erwähnung:
http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/lebenszeichen/100-jahre-fatima-108.pdf
9. Oktober 2017 um 15:41
@Martina:
Besten Dank.
19. Oktober 2017 um 00:30
Zum Jubiläum:
http://www.philly.com/philly/news/fatima-lady-virgin-mary-apparitions-catholic-100th-anniversary-secrets-sun-miracle-russia-war-pope-20171011.html
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