gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Panther Gustav – der deutsche Yeti

| 6 Kommentare

Wenn ich etwas verabscheue, dann sind es lose Kommentare zu ernsten Themen.

Da berichtet Welt-Online ausführlich darüber, dass im deutsch-belgischen Grenzgebiet eine gefährliche schwarze Raubkatze gesichtet worden sei – und schon meint jemand, sich darüber lustig machen und den Artikel mit der unqualifizierten Äußerung „Paul Panther muhahhha“ verunzieren zu müssen.

Das geht gar nicht!

Der Panther heißt nämlich nicht „Paul“. Sondern Gustav.

Woher ich das weiß? Nun ja, wir kennen uns. Fast könnte man sogar sagen, dass wir alte Freunde sind. Und wer weiß, ob ich ohne Gustav überhaupt jemals bei der GWUP angedockt hätte.

Gehen wird 17 Jahre zurück. Sommer 1992. Damals volontierte ich gerade bei einem Zeitschriftenverlag in Bayern und fuhr jedes Wochenende in meine saarländische Heimat. Samstags nachmittags joggte ich fröhlich durch den Saarbrücker Stadtwald. Bis – ja, bis zu jenem Tag, da meine Mutter selig mich mit sorgenvoller Miene davor warnte, die Laufschuhe zu schnüren.

Weshalb? Da ich die Lokalpresse zu jener Zeit nicht mehr regelmäßig verfolgte, war mir die Sensation des Sommers glatt entgangen. Gustav, der schwarze Panther, in freier saarländischer Wildbahn!

Noch heute besitze ich einen ganzen Ordner mit Panther-Meldungen, die ich mir noch am selben Tag aus dem Archiv der Saarbrücker Zeitung (SZ) besorgte. Am 25. Juni 1992 etwa lautete die Schlagzeile:

„Polizei machte in Saarbrücken Jagd auf einen Panther.“

Im Text dazu heißt es:

„Nicht Paulchen Panther, sondern möglicherweise ein echter schwarzer Panther streift nach Augenzeugenberichten im Saarbrücker Stadtteil Rußhütte durch den angrenzenden Wald und versetzt die Bewohner in Angst und Schrecken!“

Man ahnt schon: Es begannen aufregende Tage und Wochen im ansonsten eher beschaulichen kleinsten Bundesland unserer Republik. Weiter ging’s mit:

30 Beamte jagten die Raubkatze: erneut entkommen!“ (10. Juli 1992)

und

„Noch keine Spur vom Panther“ (13. Juli),

ehe sich schließlich leise Zweifel in die höchst launige Berichterstattung der regionalen Presse schlichen:

„Panther Gustav – ein Gespenst?“ (18. Juli).

Wieso eigentlich „Gustav“? Auf die Idee kam ein findiger SZ-Journalist – „weil er sich so eisern versteckt hält“.

Und pünktlich zum Ferienende war der Spuk dann genauso plötzlich vorbei, wie er begonnen hatte. Nicht ein gerissenes Reh oder Schaf blieb zurück, keine geplünderten Mülltonnen, kein Pfotenabdruck, kein Beweisfoto – absolut nichts. Ich konnte endlich wieder joggen. Und trat wenig später der GWUP bei. Seitdem treffe ich Gustav immer wieder. Zumindest in den Medien.

Im Sommer 1999 zum Beispiel spürten die Behörden einem Panther bei Bad Camberg nach.

„Panther fressen keine Hessen“,

amüsierten sich die Medien über die erfolglose Aktion.

„Ein schwarzer Panther streift durch den Harz!“, meldete die Bild-Zeitung im September 2001. Besonders „Kinder und Pilzsammler“ seien in höchster Gefahr

Ebenso in Berlin. Am 23. August 2000 erreichte gegen 10.30 Uhr ein ungewöhnlicher Notruf die Polizei. In einem Gewerbegebiet treibe sich ein „großes, dunkelbraunes Tier, größer als ein Schäferhund“ herum. 60 Polizeibeamte, 15 Feuerwehrleute, ein Jäger und ein Tierarzt durchsuchten das Gebiet südwestlich des Stadtteils Krummensee bis zur Autobahn A 13. Zwei Hubschrauber versuchten das Raubtier aus der Luft zu orten – alles ohne Ergebnis. Und doch meldeten sich immer mehr Augenzeugen. Die mysteriöse Erscheinung habe braunes Fell und einen „gelassenen“, katzenartigen Gang, aber keine Mähne.

Kurz davor in Bayern: Polizei und Jäger im Landkreis Pfaffenhofen waren – zum Teil mit Maschinenpistolen bewaffnet – auf Großwildjagd, seit mehrere Bürger gemeldet hatten, einer schwarzen Raubkatze begegnet zu sein. Etwa 1,80 Meter lang sollte sie sein, womöglich ein Panther. Ein Hubschrauber suchte die Umgebung mit Wärmebild-Kameras ab, ohne das Rätsel erhellen zu können.

Derweil berichtet eine Pfadfindergruppe von einem „großen Tier“ in der Nähe des Klosters Steinerskirchen. Auch eine ältere Dame meldete sich auf dem Pfaffenhofer Polizeirevier. Sie habe beim Gassi-Gehen mit ihrem Hund gegen 7.10 Uhr am Morgen das Hinterteil eines „großen schwarzen Tieres mit einem langen Schwanz“ erspäht.

Und so weiter, und so fort.

Was hat es mit solchen Geschichten nun eigentlich auf sich?

„Irgendwo da draußen, im dunklen Wald, packt manchen die Angst vor der Begegnung mit einer Natur, in der wir ohne Maschinen oder sonstige Errungenschaften der Zivilisation nicht mehr überleben könnten“,

deutet der SKEPTIKER-Redakteur Ulrich Magin den Panther-Mythos.

„Und hin und wieder faucht diese feindliche Natur aus dem Gebüsch, wie sie schon vor 500 Jahren unsere Vorfahren bedroht hat. Wo sie Werwölfe sahen, sehen wir heute Panther und Pumas. Ein Stück der in Zoos gebändigten Wildnis, das uns wieder entglitten ist.“

Wird wohl so sein.

Eine gefährliche Großkatze im Wald direkt vor unserer Haustür – das hat etwas. Etwas Gruseliges. Aber eben irgendwie auch etwas Romantisches. Leser-Kommentare wie bei Welt-Online á la „Ich hab Angst! Wo kann man sich schnell gegen Panther impfen lassen???“ sind daher ganz und gar überflüssig.

Gustav tut niemandem etwas.

Zum Weiterlesen:

6 Kommentare

  1. Sehr schön geschrieben, das hat Spaß gemacht.

    Ich habe im Wald mal ein freilaufendes ausgebrochenes Hausschwein gesehen. Das war zwar nicht schwarz und hatte keinen langen Schwanz, aber es bewegte sich auch ziemlich gelassen, und nachts sind ja sowieso alle Katzen grau.

  2. Kleiner Nachtrag: Gerade im Fitness-Studie die „Bild“-Zeitung vom Samstag durchgeblättert. Balkendicke Schlagzeile auf Seite 6: „Wie gefährlich ist der Eifel-Panther?“

    Direkt daneben ein Interview mit Richard Gere. Überschrift: „Werden Hunde wiedergeboren, Richard Gere?“

    Hunde nicht – aber schwarze Panther …

  3. Hab hier nen großen schwarzen Hund. Giltet das auch?

    Grüßle
    S.

  4. Ich frage mich, wie Leute eine so getäuschte Wahrnehmung haben, dass sie Einbildung mit Realität verwechseln. Oder ist das Absicht und sie wollen Aufmerksamkeit?

  5. „Ebenso in Berlin. … südwestlich des Stadtteils Krummensee.“

    Ein seit 70 Jahren in Berlin lebender Berliner kann noch ’ne zusätzliche Ente melden: Es gibt hier kein „Stadtteil Krummensee“.

  6. Ist der Gustav nun ein Löwe geworden?

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.