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turmdersinne-Serie in „Gehirn & Geist“ (1)

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Heute wieder ein Gastbeitrag vom turmdersinne, diesmal mit einem Lesetipp:

In der neuen Ausgabe 11/2009 des Magazins Gehirn & Geist setzt Dr. Rainer Rosenzweig seine Serie VON SINNEN fort. Der promovierte Wahrnehmungspsychologe und turmdersinne-Geschäftsführer entführt die Leser unter anderem in den „magischen“ Ames-Raum und erklärt das Prinzip der Größenkonstanz. Der Artikel heißt treffend. „Scheinriesen und Hobbits“.

Normalerweise gilt die Faustregel: Je weiter ein Objekt entfernt ist, desto kleiner erscheint es. So können wir die Größe von Gegenständen und Personen ganz gut einschätzen. Aber schon wenige, gezielte Mreichen aus, um unser Gehirn gehörig in die Irre zu führen. Genau das passiert im Ames-Raum, benannt nach seinem Erbauer, dem amerikanischen Psychologen und Augenarzt Adelbert Ames Jr. (1880-1955). Der Ames-Raum ist völlig schief und verzerrt und sieht auch aus fast jeder Beobachtungsperspektive so aus.

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Nur von einem bestimmten Punkt aus wirkt er wie ein normales Zimmer mit lauter rechten Winkeln. Schaut man genau an dieser Stelle durch ein Guckloch hinein, scheinen die Personen im Inneren beim Hin- und Hergehen zu wachsen oder zu schrumpfen.

Aber wieso? Ganz einfach, wie Rosenzweig erklärt. Die Informationen, die unsere Sinnesorgane dem Gehirn liefern, sind nie ganz vollständig. Beim Sehen beispielsweise wird die räumliche Umgebung auf die plane Netzhaut abgebildet. Deshalb gibt es theoretisch unendlich viele Interpretationen für jedes Netzhaut-Bild, so auch beim Ames-Raum. Aber nicht alle sind gleich wahrscheinlich. Es ist plausibler, einen rechtwinkligen Raum anzunehmen, weil wir gelernt haben, dass Räume normalerweise keine schrägen, sondern gerade Wände besitzen.

Mit dieser falschen Annahme fangen wir uns beim Ames-Raum allerdings gleich einen weiteren Irrtum ein, der die Täuschung komplett macht: Wenn sich eine Person von uns entfernt, wird auch ihr Bild auf der Netzhaut kleiner. Mit diesem Phänomen sind wir so vertraut, dass das Gehirn es automatisch mit der geschätzten Entfernung verrechnet – normalerweise. Diese Größenkonstanz jedoch wird bei der Ames-Täuschung ausgehebelt, der Eindruck des rechtwinkligen Raumes ist einfach stärker.

Manchmal allerdings ist die Täuschung schwächer oder bleibt ganz aus, etwa bei sehr vertrauten Menschen. Aktuellen Untersuchungen zufolge gilt dies besonders für Frauen, die ihrem Partner viel Zuneigung und Vertrauen entgegenbringen.

„Scheinriesen und Hobbits“ ist die zweite Folge der Serie VON SINNEN. In Folge 1 (Gehirn & Geist 9/2009) widmete sich Rainer Rosenzweig dem berühmten Hermann-Gitter. Wie die Illusion zustande kommt, galt lange als eklärt. Bis 2004 ein einziges Bild das alte Theoriegebäude zum Einstürzen brachte. Seitdem haben die Wahrnehmungsforscher wieder was zum Rätseln.

Weitere Folgen sind in Planung. Der nächste Beitrag wird sich der Gestaltwahrnehmung widmen.

Übrigens: Der originale schräge Raum, den Adelbert Ames 1946 konstruiert hat, steht heute im „Exploratorium„, einem Museum in San Francisco. Im Nürnberger Erlebnismuseum turmdersinne können die Besucher ebenfalls einen begehbaren Ames-Raum bewundern.

Links zum Thema:

  • Der Ames-Raum: Preisgekrönter Film eines Videoseminars an der Universität Heidelberg
  • Modell eines Ames-Raums zum Selberbasteln

Zum Weiterlesen:

  • Rosenzweig, R. (2009): Nicht wahr?! Sinneskanäle, Hirnwindungen und Grenzen der Wahrnehmung. Mentis, Paderborn.

Autor: Inge Hüsgen

Redaktionsleiterin Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken

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