Dass Google die Weltherrschaft anstrebt, wissen wir ja – spätestens seit dem Enthüllungsbuch „Die Google-Falle“ von Gerald Reischl. Und nicht einmal vor einem Pakt mit dem Teufel schreckt der Konzern zurück. Oder wie sonst ist es zu erklären, dass heute das schwarz-weiße Muster des Strichcodes von der Startseite der Suchmaschine prangt? Jenes Symbol also, das wie kein anderes auf die „Helferrolle der kapitalistischen Industrie bei der Ausbreitung des antichristlichen Lebens“ hinweist, wie einzelne missionarisch gesinnte Christen Hand in Hand mit Verschwörungstheoretikern glauben.
Denn der Strichcode auf unseren Waren sei das vorausgesagte „Zeichen“, ohne das „niemand kaufen oder verkaufen kann“, wie es in der biblischen Johannesoffenbarung heißt. In dem aufgedruckten Zebrastreifen sei nämlich durchweg die „teuflische“ Zahl 666 verborgen.
Und wo?
Die 13 Zahlen des EAN-Strichcodes sind zwar auch lesbar aufgedruckt – aber nur für uns Verbraucher. Der Scanner an der Kasse erfasst stattdessen die dünnen und dicken Linien und Balken des Strichcodes und berechnet daraus die Europäische Artikelnummer EAN. Für diesen Strichcode werden die Zahlen in Bitcodes umgewandelt. Das heißt stark vereinfacht: Jede Ziffer ergibt im Strichcode ein Muster aus abwechselnd weißen und schwarzen Streifen und Zwischenräumen von jeweils ganz spezieller Breite.
Am Anfang, in der Mitte und am Ende des Strichcodes ist darüber hinaus jeweils ein Paar dünner Striche zu sehen, die länger sind als die übrigen und die nach unten aus dem Strichcode herausragen. Bei diesen drei Doppelstrichen handelt es sich um eine Art Trennungsstriche. Sie geben keinen Zahlenwert an, sondern werden als Normung eingefügt, um den Lesegeräten Vergleichswerte für die Breite der folgenden Striche zu bieten.
So weit, so gut.
Da aber Endzeitschwärmer dazu neigen, in winzigen „Zeichen“ viel zu sehen, versteigen sie sich zu der Behauptung, die drei Trennungsstriche würden so ähnlich aussehen wie jene Striche, mit denen die Zahl 6 codiert wird. Und folgern daraus, dass bei jedem Bezahlvorgang an einer Supermarktkasse eine dreifache 6, also „666“, eingescannt werde, was wiederum die Erfüllung einer uralten biblischen Prophezeiung bedeute.
Was soll man dazu sagen?
Dass der Strichcode mit dem heutigen Tag genau 60 Jahre alt wird und deshalb nicht nur von Google, sondern auch von zahlreichen Zeitungen und News-Portalen beglückwünscht wird?
Dass die drei Doppelstriche am Anfang, in der Mitte und am Ende des Balkencodes gar keinen Zahlenwert ergeben, sonder lediglich der Begrenzung dienen?
Dass es in der Sprache der Bibel, dem klassischen Hebräisch, gar keine Ziffern gab, sondern Zahlen stets in Buchstaben ausgeschrieben wurden – was bedeutet, dass in der Urschrift keine „666“ steht, sondern eine Buchstabenfolge, und die dreifache Sechs lediglich die heutige Schreibung widerspiegelt? (Sehr wahrscheinlich ist die „Zahl des Tieres“ in der Offenbarung des Johannes eine verschlüsselte Anspielung des Autors auf den römischen Kaiser Nero, den ersten großen Christenverfolger.)
Dass solche „Beweisführungen“ von unanständig viel Interpretationsspielraum leben und die Resultate stets willkürlich oder zufällig sind?
Übrigens heißt es in der besagten Passage im 13. Kapitel der Apokalypse auch: „Hier ist Weisheit“. Pseudoreligiöse Spökenkieker sollten zuerst mal über diesen Satz reflektieren.
Links zum Thema:
- atheismus.ch: Sind Barcodes teuflisch?
- Berliner Morgenpost: Wie der Strichcode das Einkaufen revolutionierte.
- Esowatch: Strichcode-Verschwörung.
- Harder, B.: So erkennt man eine Verschwörungstheorie.
- Harder, B.: Die zehn populärsten Verschwörungen.
- Kupfer, A. (2003): Die Zahl des Teufels. Telepolis 17.06.2003.
- Novotny, T. (1997) : 666. Wer Verstand hat, der überlege die Zahl. Berliner Dialog 2/97.
- Shortnews: Enthüllt: Zahl des Teufels nicht 666, sondern 616.
- Stichwort Sechshundertsechsundsechzig bei Wikipedia.
- Stern: 60 Jahre Strich und Ziffer.
Zum Weiterlesen:
- Demuth, L. (2008): Darf man Verschwörungstheorien unterrichten? Legitimatorische und didaktische Überlegungen. Skeptiker 4/08, S. 181-190.
- Grüter, T. (2008): Wie viel Wahrheit enthalten Verschwörungstheorien? Skeptiker 4/08, S. 176-180.
- Grüter, T . (2006): Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Scherz Verlag, Frankfurt.
- Harder, Bernd (2006): Stimmt es, dass im Strichcode auf den Warenverpackungen die Zahl des Teufels versteckt ist? In: Skeptiker 1/2006, Seite 22.
24. Januar 2010 um 06:51
Die haben alle keine Ahnung. Die Zahl des Tiers ist nicht 666, sondern 6 hoch 6 hoch 6, sprich 10.314.424.798.490.535.546.171.949.056 und beschreibt die Anzahl aller moeglichen Universen.
Das hab ich im Interweb gelesen, also muss es wahr sein.
17. Mai 2013 um 15:10
Es wird immer absonderlicher! Auf Spiegel TV gibts dazu ein Video.
http://www.spiegel.de/video/verschwoerungstheorien-um-barcode-striche-video-1271676.html
Das im Video beschriebene Tablett gibts für schlappe 1250 Euronen hier:
http://www.amazon.de/Hildegard-Orgonakkumulator-von-Jentschura-Energetisierung/dp/B0044S3CEK
17. Mai 2013 um 21:00
Zur ‚666‘ gibt es auch eine schöne Primzahl.
Belphegor’s Prime: 1000000000000066600000000000001
Wenn das kein „Beweis“ ist…