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Homöopathie ist wie eine Hungersnot mit einem leeren Blatt Papier zu bekämpfen

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Schönes Interview mit Dr. Christian Weymayr („Die Homöopathie-Lüge“) in der Badischen Zeitung:

Ist Homöopathie Unsinn, weil wissenschaftlicher Beleg fehlt?“

Ein Auszug:

Kann es nicht Heilmittel geben, die […] über der Wissenschaft unbekannte Wege wirken?

Wenn ich jemandem nur noch ein reines Zuckerkügelchen gebe, wo soll da die Wirkung sein? Und welche geistigen Informationen und Energien soll dieses Zuckerkügelchen übertragen?

Die Homöopathie definiert die Wirksamkeit ihrer Mittel, indem sie sie am Gesunden ausprobiert. Zum Beispiel indem jemand zwei Tage lang Kochsalz C30 zu sich nimmt – das ist eine Verdünnung von 1 zu 10 hoch 60 – und zwei Tage lang aufschreibt, was mit ihm passiert.

Der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann hat auf diese Weise allein 50 Seiten voller Symptome notiert, die alle auf die Einnahme von verdünntem  Kochsalz zurückgehen sollen – von schrundigen Lippen über schlechte Träume bis zu sexueller Hyperaktivität und üblem Körpergeruch.

Er schloss daraus, dass man einen Kranken, der genau diese Symptome zeigt, umgekehrt auch durch die Gabe von stark verdünntem Kochsalz heilen kann.

Im Prinzip ist das nichts anderes, als wenn ich ein Blatt Papier auf den Tisch lege und zwei Tage lang notiere, was in der Weltgeschichte passiert: Eine Wahl in Nordamerika, ein Umsturz in Afrika, ein Vulkanausbruch auf Sizilien.

Und dann bei der nächsten Hungersnot daraus schließe, dass ich sie allein dadurch bekämpfen kann, dass ich einen leeren Umschlag auf den Tisch lege, in dem einmal dieses Blatt Papier gelegen hat.

Ich denke, es leuchtet jedem schnell ein, dass das nicht funktionieren kann – aber genau das macht die Homöopathie.“

Aber der Andrang in deutschen Homöopathenpraxen spricht doch dafür, dass manche Leute mit solchen Methoden gute Erfahrungen machen?

Meistens reicht es auch, gar nichts für seine Gesundheit zu tun, um wieder gesund zu werden. Das ist kein Hokuspokus, die Selbstheilungskräfte unseres Körpers sind manchmal sogar in der Lage, scheinbare Wunder zu vollbringen.

Und deshalb ist der Fall eines Menschen, der nach der Einnahme von homöopathischen Mitteln gesund wird, nur die Dokumentation eines natürlichen, wenn auch manchmal überraschenden Krankheitsverlaufs.“

Nun können die Homöopathen aber nicht nur auf solche glücklichen Einzelfälle verweisen, sondern auch auf ein paar Studien, in denen ihre Mittel geholfen haben sollen.

Meiner Meinung nach ist das kein Beweis der Wirksamkeit der Homöopathie, sondern ein Beleg für die Fehleranfälligkeit solcher Studien.

Denn auch die beste wissenschaftliche Untersuchung ist nicht immun gegen Fehler: Es gibt immer einen gewissen Interpretationsspielraum, es gibt Probleme beim Studiendesign – es ist bei Arzneimittelwirksamkeits-Studien sogar schon per Definition festgelegt, dass das Ergebnis bei einer von zwanzig Untersuchungen nicht dem Mittel selbst, sondern allein dem Zufall zu verdanken ist.

Wenn ich zur Homöopathie 20 Studien mache und die 19 mit dem  ungewollten Ergebnis unter den Tisch fallen lasse, dann werde ich am Ende sagen: Es gibt Hinweise darauf, dass das Heilverfahren wirkt.

Und genau das können wir auch beobachten.“

Zum Weiterlesen:

  • Ist Homöopathie Unsinn, weil ein wissenschaftlicher Beleg fehlt? Badische Zeitung am 4. November 2014
  • „Die Homöopathie-Lüge“ – Ein Interview (Teil 1), GWUP-Blog am 23. Dezember 2012
  • „Die Homöopathie-Lüge“ – Ein Interview (Teil 2), GWUP-Blog am 23. Dezember 2012
  • Der Nobelpreisträger und die Homöopathie, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 22. Oktober 2014
  • Von Ebola bis Mutterglück: Globuli für alle Fälle, Christian Buggischs Blog am 3. November 2014

5 Kommentare

  1. Der Vergleich ist leider nicht richtig. Die Homöopathen verwenden ja nicht diese Aufzeichnungen als „Heilmittel“, sondern winzige Mengen von Stoffen, die angeblich die gleichen Symptome verursachen.

    Um eine Hungersnot zu bekämpfen bräuchte man nach homöopathischer Logik also ein klitzekleines bisschen Hungersnot. ;-)

    Man sucht also jemandem, dem der Magen vor Hunger grummelt, schickt denjenigen in das entsprechende Land und schwupps! Hungersnot weg!

  2. @der 8te Zwerg
    Da haben Sie schon recht, aber auch der Vergleich mit dem leeren Papier ist auch richtig, da die Globuli keinen Wirkstoff mehr enthalten und das kann man mit einem unbeschriebenen Blatt Papier vergleichen (auf dem keine Informationen enthalten sind) ;-)

  3. Kam heute mit der Post.

    http://s19.postimg.org/oqqizfs4j/FBHH_1.jpg

    http://s19.postimg.org/os0gsutyb/FBHH_2.jpg

    Vielleicht sollte man die Hamburger Finanzbehörde mal darüber aufklären, dass die Homöopathie weder ein neues Verfahren ist, noch etwas mit Naturheilkunde zu tun hat, und dass sie nicht wissenschaftlich anerkannt ist und dass man Fehlentscheidungen von Krankenkassen nicht als Indiz einer wissenschaftlichen Anerkennung sehen sollte. So reiht sich dann Fehlentscheidung an Fehlentscheidung, falls die Hamburger Finanzbehörde weiterhin die HOG fördert. Es gilt der Schwur, Experten vor!

  4. @DH
    Ob die Behörden diese Experten auch anhören mag? Das ist die Frage.
    Eigentlich spiegelt dieses Schreiben genau die allgemeine Meinung zur Homöopathie wider.
    Man sollte das Pferd von hinten aufzäumen, dh man muß mit einer breiten Aufklärung in der Bevölkerung beginnen und das ist sehr schwer, das weiß ich…
    Aber wenn sich der allgemeine Konsens sich nicht grundlegend in der Frage der Homöopathie ändert, wird sich auch nichts an der Haltung der Finanzbehörden ändern…ich hab‘ aber trotzdem die Petition unterschrieben ;-)

  5. Gestern bei K-TV gesehen…bei dem Vortrag „Seelenwanderung Teil II“ von Dr. Peter Egger.
    Er erzählte von einem Erlebnis auf dem Petersplatz, mit Papst Franziskus.
    Dieser fragte die Menge: „Wissen Sie was Alternativmedizin ist?“ – Die Menge johlte: „Ja“.
    Dann fragte er: „Und kennen Sie ‚Globuli‘?“, auch hier bekam er ein ‚Ja‘ von der Menge.
    Dann kam sein Vergleich, von dem der Herr Dr. Egger absolut fasziniert war:
    „Man kann die Perlen des Rosenkranzes mit den ‚Globuli‘ vergleichen, somit ist der Rosenkranz die ‚Alternativmedizin‘ für die Seele.“
    DoppeltLOL…
    Eines muß man dem Papst lassen, dieser Vergleich ist absolut richtig, denn beides hat keinerlei Wirkung – höchstens eine Placebo-Wirkung :-)
    Leider hab‘ ich im Internet keine Bestätigung dafür gefunden und die Wiedergabe, erfolgte aus meinem Gedächtnis heraus.

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