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Schöpfung: Wer’s glaubt, wird selig?

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Wie vertreiben wir uns in diesem Blog nun am besten die „Zeit zwischen den Jahren“?

Mit Weisheiten? Mit Blödeleien? Oder einem Mix aus beidem? Letzten Monat hatten wir ja schon mal angekündigt, bei Gelegenheit ein paar Passagen aus Dieter Nuhrs Buch „Wer’s glaubt, wird selig“ zu bloggen. Vielleicht passt die folgende Seite (29 ff.) auch ganz gut zu der recht lebhaften Diskussion hier um unsere beiden WeihnachtsTexte – und darüber hinaus zu einer aktuellen Fachveröffentlichung von GWUP-Mitglied Dr. Erich Eder zum Thema Kreationismus.

Also, los geht’s:

Menschen wollen glauben, und ihr Glaube wird umso stärker, je mehr sie das Gefühl haben, mit ihrem Glauben nicht allein zu sein. Selbst die Zeugen Jehovas kommen fast immer zu zweit.

Im Umfeld einer Glaubensgemeinschaft kann man sogar völlig Unlogisches als folgerichtig begreifen. Nehmen wir die großen monotheistischen Weltreligionen, die islamischen, christlichen und jüdischen Glaubensgemeinschaften. Sie alle glauben an denselben Schöpfergott, der die Welt in sechs Tagen erschuf, ein Zeitraum, der auch extrem leichtgläubigen Menschen knapp erscheinen sollte. Ich habe da mit Handwerkern andere Erfahrungen gemacht …

Ein Universum ist ein gewaltiges vernetztes Etwas. Wer einmal ein eigenes LAN eingerichtet hat, weiß, dass die Vernetzung eines Universums nicht unter zwei Wochen zu packen ist, auch wenn der Schöpfer mit einer ganzen osteuropäischen Hilfstruppe anrückt, die schon mal die Kernbohrungen und Putzarbeiten ausführt. Sechs Tage halte ich insofern für gestrunzt. Wahrscheinlich hat der Schöpfer selbst diese Geschichte in die Welt gesetzt, um sich der Kundschaft für weitere Universen zu empfehlen.

Mein Tipp: vor der Auftragsvergabe sorgsam prüfen, ob das Angebot in der veranschlagten Zeit überhaupt durchführbar ist, und einen Festpreis vereinbaren.

Unser Universum ist jetzt knapp 14 Milliarden Jahre alt – und im Grunde immer noch nicht fertig. Reklamationen sind nicht möglich, da der Schöpfer weder eine Firmenadresse hinterlassen hat noch eine Homepage unterhält. Und eigentlich weiß niemand, ob er längst pleite ist …

Am sechsten Tag, so wird behauptet, soll Gott den Menschen geschaffen haben, ein Projekt, das unserem himmlischen Bauherrn trotz Allwissenheit, Allmächtigkeit und motivierter Herangehensweise ziemlich in die Hose gegangen ist. Erst verweigern die Menschen den Gehorsam, dann essen sie vom Baum der Erkenntnis, und nach verdienter Vetreibung aus dem Paradies setzten sie in der Folge allerlei Mord, Totschlag und Intrige in die Welt. Was für eine inzüchtige Blase! Gott war zutiefst erzürnt – zu Unrecht, wie ich meine.

Hätte er als Allwissender nicht ahnen können, was da kommt? Hätte er als Allmächtiger nicht bessere Menschen machen können? Hätte er als gütiger Gott nicht pädagogisch einwirken können? Er hat es nicht getan, was beweist, dass Gott entweder unkonzentriert oder uninteressiert war oder – was wahrscheinlicher wäre – dass die Geschichte einfach falsch aufgeschrieben wurde. Man sollte einem Wesen niemals etwas übelnehmen, was man nur aus dritter Hand erfahren hat.

Dazu kommt, dass der unbekannte Autor nicht mal über rudimentäre Kenntnisse des menschlichen Fortpflanzungsprozesses  verfügte. Wie kann aus zwei Menschen eine ganze Menschheit entstehen, wo jeder Biologe im Grundstudium lernt, dass eine Art mit nur noch zwei Mitgliedern in freier Wildbahn zum Aussterben verurteilt ist? Genau so will es uns die Bibel weismachen …

Wenn man der Bibel Glauben schenken darf, hatte Gott aufgrund der genannten Vorgänge extrem schlechte Laune. Dem neutralen Beobachter stellt sich da die Frage: warum?

Ist nicht der Produzierende haftungstechnisch verantwortlich für Mängel am Produkt? Da ist ein Allmächtiger, der alles falsch macht, ein Allwissender, der sich überraschen lässt, ein Gütiger, der alles niedermetzelt. Da stimmt doch was nicht.

Die ganze Geschichte riecht nach Erfindung, nach Phantasie, nicht gut durchdacht, aber immerhin mit Esprit erzählt. Und da die Schöpfungsgeschichte ja zunächst auch jahrhundertelang nur weitererzählt wurde, bevor sie endlich jemand aufschrieb, fiel die verschrobene Handlung voller Widersprüche auch nicht so auf.

Dass ein gütiger Gott die komplette Menschheit mit Ausnahme seiner beiden Lieblingsexemplare ersäuft, macht aus Gott eine Art stalinistischen Säuberer. Hätte er nicht in seiner ganzen Kraft und Herrlichkeit zur Reparatur schreiten können? Einmal mit dem Finger geschnippt, zack, Software-Relaunch im menschlichen Hirn – und schon wäre die Geschichte anders verlaufen. Das hat er nicht für nötig gehalten. Das ist nicht gerade das, was im Neuen Testament als Barmherzigkeit bezeichnet wird …

Was lernen wir daraus? In erster Linie nichts über Gott. Der hat mit der Bibel nämlich gar nichts zu tun. Er hat sie nicht geschrieben. Und die, die ihn beschreiben, haben ihn offensichtlich nicht gekannt. Sie haben ihn nicht mal gut erfunden. Eine Geschichte muss eben keine schlüssige Geschichte sein, um das Zeug zur Weltreligion zu haben. Sie muss nur spannend erzählt sein. Und man muss früh genug anfangen, hartnäckig ihre Wahrheit zu behaupten.

Heute ist es zu spät. Wo sich Fußballtrainer oder Sänger als Messias feiern lassen, haben Religionsgründer keine Chance mehr.“

Zum Weiterlesen:

9 Kommentare

  1. Sich auf diesem Niveau zu Bibeltexten zu äußern unterscheidet sich kaum von der Argumentation der Kreationisten, denn sie nimmt den Text genau so wörtlich wie der Autor des vorliegenden Textes. Das hat nichts mit Exegese zu tun, sondern ist billige Polemik. Das hat nichts mit dem zu tun, was ich sonst an der GWUP schätze. Wer davon ausgeht, dass in der Bibel falsifizierbare Inhalte stehen, ist auf der Seite des Biblebelts, nur scheinbar auf der anderen Seite der selben Medaille. Ich personlich finde sowohl die eine wie auch die andere Seite widerlich. Sollte ich damit ganz alleine dastehen, sind meine Tage in der GWUP wohl gezählt, aber die Frage muss dennoch erlaubt sein: Was sollte das denn?

  2. Genial einfach auf den Punkt gebracht: Wie bringt man am besten ein Gebäude zum Einsturz? Indem man am Fundament wackelt,und zwar kräftig.Genau das tut dieser Artikel. Die Einzigen, die Religion richtig – und das heißt buchstäblich getreu der Bibel und ähnlicher Schriften – kapiert haben, sind die Kreationisten. Und deshalb sieht man, was Religion wirklich ist: kompletter intelligenzbeleidigender Unsinn.

  3. @Dr. Heinrich:

    << aber die Frage muss dennoch erlaubt sein: Was sollte das denn? <<

    Nicht mehr und nicht weniger als das, was in der Ankündigung steht: ein Auszug aus dem Buch eines Kabarettisten, als Lesestück für die nachrichtenarme Zeit vor dem Jahreswechsel. Ich denke, wir können davon ausgehen, dass der nicht ganz unintelligente Comedian Dieter Nuhr hier die wortwörtliche Bibelauslegung der Kreationisten parodiert und nicht imitiert.

    << Wer davon ausgeht, dass in der Bibel falsifizierbare Inhalte stehen, ist auf der Seite des Biblebelts, nur scheinbar auf der anderen Seite der selben Medaille. <<

    Nun haben wir aber im vorangegangen Beitrag "Weihnachtsgeschichte" durchaus Beispiele für falsifizierbare Bibel-Inhalte besprochen, was anscheinend nicht auf Ihren Widerspruch stößt. Man könnte historisch fragwürdige oder sogar falsche Bibeltexte ja möglicherweise auch einfach ignorieren – dummerweise wird damit aber seitens hochrangiger Kirchenvertreter knallharte Politik gemacht:

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article11865648/Meisner-vergleicht-PID-mit-Kindermord-von-Bethlehem.html

    Heißt: Herr Kardinal Meisner zum Beispiel „darf“ falsifizierbare Bibelinhalte nach Gutdünken heranziehen und gegen historische Tatsachen zur „Wahrheit“ erklären, um damit rückwärts gewandte gesellschaftliche Forderungen zu stellen – und die Skeptiker „dürfen“ dazu nur schweigen, weil wir ja in unserer skeptischen Weisheit und argumentativen Überlegenheit davon ausgehen, dass in der Bibel gar keine falsifizierbaren Inhalte stehen? Verstehe ich das richtig?

  4. << Sich auf diesem Niveau zu Bibeltexten zu äußern unterscheidet sich kaum von der Argumentation der Kreationisten <<

    Genau, und das ist in diesem Fall auch völlig richtig und angebracht!

    Wieso darf ein populärer Komiker (der wohl nicht namens der GWUP spricht, soweit ich verstanden habe, und vermutlich nicht mal Mitglied der GWUP ist) nicht mal ganz "unwissenschaftlich" und polemisch den Grad der Absurdität einer kreationistischen Bibelauslegung aufzeigen, ohne sich dafür gleich vor der "politischen Korrektheit" (und sei es auch nur der der Skeptiker) verantworten zu müssen? Man muss Nuhr und seine Darbietungen ja nicht mögen, aber diese Kritik verstehe ich nun wirklich nicht.

  5. Das unterscheidet IMHO Atheisten von Agnostikern. Ich verstehe die Verve nicht und finde, sie gehört nicht in die gWuP. Wenn Herr Meisner dumm argumentiert, darf ich das dann auch? Mir war nicht klar, dass der gesamte Text von Herrn Nuhr ist, der darf das. Hätte ich sehen, können, es war spät, wer lesen kann… Die Bibel ist keine parawissenschaftliche Veröffentlichung, sondern eine nichtwissenschaftliche. Sich gegen eine perfide Äußerung von Herrn Meisner zu positionieren ist wichtig und legitim. Aber das passierte nicht in Herrn Nuhrs Text, den ich fälschlicherweise als Hardertext gelesen habe. Aber jetzt den Meisner nachzuschieben, hat nichts mit dem Nuhrtext zu tun. Die „Weihnachtsgeschichte“ habe ich im GWUP-Blog gar nicht gelesen, und sicher ginge das mit ganz vielen Passagen in der Bibel, genau das meine ich ja. Es geht so einfach, und deswegen ist es obsolet. Im Kabarett ja, aber als Dauerthema des GWUP-Blogs? Bitte nicht.

  6. @Dr. Heinrich: Sie haben Recht, dass Nuhr und Meisner in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Mittelbar ist es so:

    – Der Autor (Herr Sarma) unseres Beitrags „Weihnachtsgeschichte“ weist darauf hin, dass es in der Bibel durchaus falsifizierbare Angaben gibt, explizit z.B. Herodes, Kindermord zu Bethlehem etc.

    – Wenige Tage später erklärt Herr Meisner den besagten Kindermord zur historischen Tatsache, um sich damit in einer aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte auf die gewohnt niveaulose Weise zu positionieren.

    – Zeitlich exakt parallel dazu werfen Sie die Frage auf, ob man Bibeltexte mangels Falsifizierbarkeit überhaupt kritisieren darf und sollte.

    Das ist der Zusammenhang, so wie er sich mir zur Minute darstellt.

    << Im Kabarett ja, aber als Dauerthema des GWUP-Blogs? Bitte nicht. << Als Dauerthema nicht, ich darf noch einmal auf die einleitenden Zeilen des Beitrags verweisen. Andererseits habe ich ganz offen gesagt sehr wenig Lust, künftig bei jedem Satz darauf zu achten, ob das nun "Kabarett", lustig/unlustig, spaßig, missverständlich, provokant, wissenschaftlich/unwissenschaftlich, polemisch, erlaubt/nicht erlaubt oder sonst etwas ist. Dann schließe ich die "Humor-Sparte" hier lieber gleich, dann haben wir monatlich etwa die Hälfte an Beiträgen weniger. << Es geht so einfach, und deswegen ist es obsolet.<< Würde konkret heißen: Weil auch die Behauptungen der Astrologen, Homöopathen etc. im Kern völlig simpel und abstrus sind, kritisieren wir das in Zukunft auch nicht mehr, weil es einfach und damit obsolet ist?

  7. Man kann die Genesis diesbezüglich aber auch anders interpretieren:
    * zunächst schufen die Götter den Menschen aus Lehm und so. Möglicherweise nicht ganz falsch, wenn man ein paar Milliarden Jahre Evolution mal eben so überspringt.
    * dann wollte JHWH sein eigenes Ding machen und bastelte Adam nach seinem Ebenbild und plazierte ihn im Paradies und so.

    Demzufolge liefen außerhalb desselben durchaus noch mehr Leute und insbesondere Frauen rum, mit deren mindestens einer Kain dann mindestens ein Kind bastelte.

    Weiteres Indiz dafür: JHWH trug seinen Gescöpfen auf, sie mögen sich ihrer Körper schämen und künftig nur noch mit Feigenblättern rumlaufen. Folglich stammen Leute wie ich, denen ein solches Schamgefühl fehlt, nicht von Adam&Eva ab. Folglich muss es da noch andere Menschen gegeben haben.

    Man sieht: Alles ganz einfach. ;-)

  8. @Bernd Harder
    <<- Zeitlich exakt parallel dazu werfen Sie die Frage auf, ob man Bibeltexte mangels Falsifizierbarkeit überhaupt kritisieren darf und sollte.<<
    Nur gegenüber Leuten, die sie als falsifizierbar bezeichnen, Kreationisten versuchen ja zu beweisen, dass "die Bibel recht hat". Nunja, ein Beweisversuch ist eine schlechte Unterform des Wegs zur Falsifizierung, aber dennoch ist da eine Art Gegenbeweis, auch polemisch, angebracht. Aber dieses kreationistische Gegenüber fehlte im Artikel ja, die Bibel als solche war Gegenstand. Und das ist unfair gegenüber einer grandiosen orientalischen Dichtung. Und wer sie wie ein Geschichtsbuch liest, sei er Kreationist oder Gegner, setzt dem Buch gegenüber das falsche Werkzeug an. Genauso falsch wäre es, über die Schönheit chemischer Stukturen zu reden, wenn es um Chemie und nicht um Ästhetik geht. Also: Man darf und sollte, ja, aber mit Ziel und angemessen. ich bleibe dabei: Die Bibel kann kein Gegenstand der Untersuchungen der GWUP sein, die Lehren der Kreationisten müssen es hingegen, und dabei kann es natürlich auch um die Bibel gehen.

    <<Andererseits habe ich ganz offen gesagt sehr wenig Lust, künftig bei jedem Satz darauf zu achten, ob das nun “Kabarett”, lustig/unlustig, spaßig, missverständlich, provokant, wissenschaftlich/unwissenschaftlich, polemisch, erlaubt/nicht erlaubt oder sonst etwas ist. Dann schließe ich die “Humor-Sparte” hier lieber gleich, dann haben wir monatlich etwa die Hälfte an Beiträgen weniger. <<

    Das kann ich verstehen. Nicht schließen. Und ich gurgle normalerweise nicht täglich mit Reißnägeln.

    <<Würde konkret heißen: Weil auch die Behauptungen der Astrologen, Homöopathen etc. im Kern völlig simpel und abstrus sind, kritisieren wir das in Zukunft auch nicht mehr, weil es einfach und damit obsolet ist?<<

    Nein, denn da gibt es ja jemanden, der z.B behauptet, Globuli würden wirken, und dessen Behauptung kann und muss ich hinterfragen. Und das ist gegenüber den Globlisten nicht einfach, q.e.d. :-)

    Was meinen Beitrag angeht: Wenns nur Humor war, wäre er nicht nötig gewesen, ob es Humor war, ist die Frage, von Herrn Nuhr vorgetragen, ja, geschrieben, nun ja, aber de gustibus non est disputandum.

    Fin.

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