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Virginia und der Weihnachtsmann

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Alle Jahre wieder … hat die Welt am Sonntag „unseren Klassiker vorm Fest“ abgedruckt: den Briefwechsel zwischen der achtjährigen Virginia und dem New York Sun-Kolumnisten Francis P. Church zur Frage, ob es den Weihnachtsmann gibt.

Das Ganze datiert von 1897 und ist „ein unauslöschbarer Teil populärer Weihnachtsüberlieferungen in den Vereinigten Staaten und andernorts geworden“ (Wikipedia), seit 1977 auch in der WamS:

Virginia, Deine kleinen Freunde haben nicht recht. Sie sind angekränkelt vom Skeptizismus eines skeptischen Zeitalters. Sie glauben nur, was sie sehen: Sie glauben, dass es nicht geben kann, was sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können …“

Hm, nun ja.

Vielleicht vor über hundert Jahren okay, heute aber regt mich das Jahr für Jahr auf“,

schreibt Patrick Pricken.

Und hat in seinem Blog eine aktualisierte Antwort an das Mädchen verfasst. Diese sei – analog zu den zahllosen Nachdrucken des Originals – auch hier wiedergegeben:

Virginia, deine kleinen Freunde haben Recht. Es gibt keinen Weihnachtsmann. Deine Familie kauft die Geschenke, die unter dem Weihnachtsbaum liegen, um dir damit eine Freude zu machen. Manchmal müssen sie dafür sogar wirklich lange sparen, und das tun sie dann nur, weil sie dich so gern haben.

Wenn du an einen Weihnachtsmann glaubst, kannst du genauso gut an Feen glauben, oder an rosarote Grashüpfer mit Pantoffeln. Das alles sind tolle Ideen, und es macht Spaß, so zu tun, als wären sie echt, aber sie sind es nicht. Was echt ist, sind die Gefühle, die deine Freunde und deine Familie für dich haben, und die du für sie hast. Freundschaft kann man genauso wenig anfassen wie den Weihnachtsmann, aber Freundschaft soll ja auch keine Person sein.

Gibt es denn gar keine Zauberei? Nicht wirklich, Zauberei sind immer Tricks. Das ist, als ob sich dein Vater als Weihnachtsmann verkleidet, um die Geschenke zu bringen. Dann ist es in Wahrheit trotzdem dein Vater, er tut nur so. Und Zauberei ist so: man tut nur so.

Aber es gibt das Wunderbare. Leg dich mal im Sommer nachts ins Gras und schau dir die Sterne an, oder sieh dir die Eiskristalle an, die der Winter an die Wohnzimmerfenster klebt. Die Natur ist wunderbar und schön, und das ganz ohne Zauberei. Hör dir dein Lieblingslied an und vergiss dich selbst, lies ein Buch und tauche in eine fremde Welt ein. Das alles geht ohne Zauberei. Von einem Hochhaus kannst du die ganze Stadt sehen, und mit einem Computer kannst du einen Brief schneller um die ganze Welt schicken als du zur Ecke und zurück rennen kannst. All das geht ohne Zauberei.

Virginia, du brauchst keinen Weihnachtsmann. Der kommt nur einmal im Jahr, um Geschenke abzugeben, und ansonsten hörst du nie was von ihm. Du kannst ihn nicht sehen, nicht umarmen, ihm nicht schreiben und er antwortet dir nicht. Der Weihnachtsmann ist langweilig. Außerdem will er, dass du immer brav bist. Brav sein ist toll, aber manchmal ist brav sein auch falsch. Davon hat der Weihnachtsmann aber keine Ahnung.

Dafür hast du eine Familie, die dich lieb hat. Und du hast Freunde, mit denen du jeden Tag Unsinn anstellen kannst. Und wenn du älter bist, baust du vielleicht große Häuser oder fliegst zu den Sternen oder was du machen möchtest.

Und denk immer dran: Die Welt ist wunderbar genug, da muss man keinen Weihnachtsmann erfinden.“

Zum Weiterlesen:

20 Kommentare

  1. Der Brief ist großartig.
    Könnte man den nicht mal im Skeptiker abdrucken?

    Gruß,
    Stephan

  2. Ein wundervoller Text – Danke, danke. Für „Weihnachtsmann“ kann man ohne weiteres „lieber Gott“ einsetzen.

  3. Ein wunderbarer Text – vielen Dank. Für „Weihnachtsmann“ kann man ohne weiteres „lieber Gott“ einsetzen (Ist ja wahrscheinlich auch so gedacht, oder?)
    In diesem Sinne: Frohes Fest!

    auch noch zum Thema Weihnachts- und andere Männer:
    http://www.wissenrockt.de/2010/12/19/sonntagsfrage-was-feiern-atheisten-zu-weihnachten-13591/#comment-2409

  4. Dubiator: ich habe den Brief nicht bewusst gegen eine Gottesvorstellung gerichtet, auch wenn sich der Vergleich anbieten mag. Sondern tatsächlich primär deshalb, weil mich ärgerte, dass in nahezu jeder Zeitung der originale Brief steht und keiner es für nötig hielt, der Skepsis und dem Skeptizismus unserer Zeit mal das Wort zu reden.

  5. Ehrlich gesagt finde ich es nicht so gut.
    Auch damals schon hätte der Journalist eine sehr ähnliche Antwort geben können. Hat er aber nicht. Nicht weil er in irgendeiner Form die Werbetrommel für Esoterik o.ä. rühren wollte, sondern weil er einem Kind die Weihnachtsgefühle nicht vermiesen wollte.

    Und Kindern sollte man solche Gefühle zugestehen. Das unsere Welt eben doch absolut rational ist, lernen sie noch früh genug.

    Es heißt doch die letzten Jahre immer mal wieder, Kinder brauchen Märchen. Sie sind Teil der Kindheit, helfen dabei, so völlig unrationale Begriffe wie „Gut“ und „Böse“ zu unterscheiden und zu Guter letzt erfreuen sie sich einfach dran. Man muß als Kind nicht von allem Wissen, ob es echt ist. Viele Dinge machen einfach mehr Spaß, wenn man sie für echt hält, wenn sie einen verblüffen und erstaunen, weil man sie eben nicht versteht oder nicht den Trick dahinter sieht.
    Und genau darum geht es bei dem Weihnachtsmann. Er soll den Kindern Spaß bringen und ihre Augen so zum Leuchten bringen, was dann selbst mir total verkopften Menschen dann noch Freude macht. Ein strahlendes Kindergesicht ist eben manchmal schöner als die schnöde Wahrheit.

  6. Also ganz ehrlich, mir gefällt der Text gar nicht.

    Mag ja sein, dass der Text besser in unsere Zeit passt, aber da fehlt ja aller Zauber! Ich finde Kinder sollen so lange an den Weihnachtsmann glauben dürfen wie es geht und das Original schafft genau das zu vermitteln. Diesen Text hier würde ich jedenfalls keinem kleinen Mädchen oder Jungen vorlegen.

  7. Ich muss mich den beiden negativen Kommentaren anschließen.

    Kinder sind Kinder und gerade in der heutigen Zeit geht viel zu oft unter das sie ein anrecht auf eine Kindheit haben, eine in der sie an Dinge wie den Weihnachtsmann glauben dürfen/sollen. Die Intention der Erwachsenen dabei ist ja auch nicht ihren Kinder etwas vorzulügen sondern eben ihnen Freude und die besonderen Werte die in unserer Kultur nunmal mit dem Weihnachtsfest verknüpft sind zu vermitteln.

    Ein klein wenig Magie im Leben schadet niemandem, solang man trotzdem mit beiden Beinen fest in der Realität verwurzelt ist.

  8. ich weiß es nicht, aber ich vermute der Brief von Hr. Pricken richtet sich nicht an ein 5-jaehriges Maedchen, daher kann ein Kind natuerlich seine Fantasie durch Maerchen und Co. entwickeln, aber zu einem individuellen Zeitpunkt X waere es fuer das Kind hilfreich, wenn es diesen Brief erhalten wuerde. Jedenfalls will keiner (hoffe ich zumindest)Kindern ihre magische Kindheit wegnehmen.

  9. Es geht doch um etwas anderes. Die Freiheit des Kindes mit dem eigenen Verstand zu begreifen das es gesellschaftlich im großen Stil verarscht wurde. Den ein Kind das gelernt hat, nicht an den Weihnachtsmann zu glauben obwohl es ihm alle erzählen wollen kann auch begreifen das nicht alles was in der Zeitung steht war ist.

    Im Buch das Kainsmal von Chuck Palahniuk findet sich der Gedanke irgendwo besser formuliert aber das hab ich grad nicht zur Hand

  10. Anscheinend hat man den Original Brief nicht verstanden, naja seis drum. No one gives a shit.

  11. Ich habe den Originalbrief nicht gelesen, daher kann ich nicht beurteilen, ob die Antwort am Kern vorbei geht (@Mann).

    Ich finde sie dennoch gut. Natürlich ist es so, dass man Kindern ruhig ein paar „magische“ Jahre lassen soll. Niemand bestreitet das. Die beiden Briefe richten sich aber an ein Mädchen, dass bereits von sich aus gefragt hat, ob es den Weihnachtsmann wirklich gibt. Wie man darauf antwortet scheint mir exemplarisch für die Einstellung im Umgang mit Kindern zu sein: Begreift man sie als Menschen, die beginnen sich ihres Verstandes zu bedienen und neugierig die Welt zu entdecken („richtig“ entdecken, die Dinge so verstehen wollen, wie sie sind), wird man eher antworten wie im „modernen“ Brief. Hält man sie für „zu klein“, „zu unreif“ oder ähnliches, beharrt man auf „Lügen für Kindern“.

    Ich denke, ersteres ist sinnvoller, da es den Weg nicht nur zu einer Begegnung „auf Augenhöhe“ mit den Kindern ebnet, sondern auch hilft, die fragenden Kinder in genau dem zu unterstützen, was neugierig-forschende Frager ausmacht und so wichtig für eine reife Persönlichkeit ist: Über Dinge nachdenken, Zweifeln nachgehen, unterschiedliche Quellen heranziehen, weiter denken, Nachhaken, sich mit einfachen Erklärungen nicht zufrieden geben, kurz: die Welt begreifen wollen. Ich sehe nichts verwerfliches daran, dies zu bestärken.

  12. Tjo, Spielverderber… Realisten sind immer nen bischen neidisch, dass sie Phantastische Geschichten nicht verstehen können.

  13. Müsste man dann dem Kind nicht auch noch erklären, daß Liebe ja auch kein „Gefühl“ ist, sondern nur ein Muster und eine biochemische Reaktion im Gehirn, welches ja ganz sicher nur quasi mechanisch funktioniert? Alles determiniert? Müsste man dann nicht alles „entzaubern“?

    Armseelig muß ich sagen. So rational wird man blind – selbst in der Wissenschaft. Rationalität kann den Blick auf wirkliche Antworten (auch wissenschaftliche) verschließen, da der Horizont doch zu sehr eingeengt wird. Schade.

  14. Argh! Wieso bitteschön soll nur das, was nachweislich nicht existiert, einen Zauber haben? Da steht doch oben ganz deutlich: Freu dich, das Leben ist spannend, voller „Wunder“, entdecke die Welt! Obwohl mir meine Eltern schon mit vier (auf meine Frage!) gesagt haben, dass sie die Geschenke bringen, bin ich nicht zu einer fantasielosen Langweilerin geworden. Im Gegenteil, ich bin in meine Kinderbücherwelten nur so versunken. Und meine Schwester, auch ein „Opfer“ der Aufklärung ist sogar eine unglaublich kreative Künstlering geworden. Wo nimmt die nur ihre Einfälle her, wo sie doch schon früh nicht mehr an Hokuspokus glauben durfte? Wer glaubt, dass Zauber nur Erfundenem innewohnen kann, der tut mir ehrlich gesagt mehr leid, als jedes Kind, das um das Geschenk, an einen bärtigen Mann im roten Gewandt zu glauben, gebracht wurde.
    @Naja: Dass Rationalität den Horizont einenge ist wohl der größte Blödsinn, den ich seit langem irgendwo gelesen habe.

  15. @blubb
    Rationalität kann augeklärt und auch abgeklärt sein. In der Quantenphysik und auch in der Medizin sieht man es sehr schön. Da wurden einige alte Ideen als Humbuk abgetan, symbolisch, etc. und nun sieht man doch, daß es eben kein Humbug ist.

    Der Punkt ist: Einiges wird als Schwachsinn abgetan (vom rationalen Menschen/Wissenschaftler), bis es endlich eine wissenschaftliche Erklärung dafür gibt und dann wird aber meistens vergessen, eben daraus zu lernen. Würde die Wissenschaft sich nicht so dumpf rational und überlegen aufführen, dann wären einige Antworten schon viel früher gefunden worden. Wenn ich mir die Veden durchlese, dann lese ich da z.B. vieles aus der Quantenmechanik. Aber das war ja alles nur irgendein Mythos, symbolische Geschichte des sinngebenden Menschen. DAS meine ich mit Horizont. In der Medizin ist es auch so. Medizinmänner = Glaubenssystem. Siehe Plazebo. Wobei es ja sogar Untersuchungen gibt, die durchaus sogar an der Sinnhaftigkeit einiger Operationen zweifeln lassen (kann man googeln). Das meine ich damit.

    Anstatt die Wissenschaft wie eine Religion zu behandeln und als Dogma hochzuhalten, sollten mit offenen Augen auch andere Wege eingeschlagen – und ja – auch durchaus untersucht werden.

    blubb, genau so eine unreflektierte und – vor allem – kurzgeschaltete Antwort hätte ich nicht erhofft.

  16. Die erhitzen Gemüter hier erklären sich wohl am ehesten dadurch, dass die Reaktion eines Kindes auf diese Version des Briefes nicht unbedingt Freude wäre. Kinder, die noch an den Weihnachtsmann glauben, würde es herzlich wenig interessieren, wenn ihnen gesagt wird, wie wundervoll die Welt ist, falls man sie nur richtig betrachtet.

    Davon abgesehen fand ich, dass auch die ursprüngliche Version des Briefes vermitteln wollte, wie wunderbar es sein kann, sich den „magischen“ Dingen hinzugeben. Aufregen würde es mich da eher, wenn die Antwort nur aus „Ja es gibt ihn“ bestanden hätte. So wie sie ist lässt sie einem Kind seinen Traum und begleitet es gleichzeitig weiter auf seinem Lebensweg, weil er auch ohne Glauben an den Weihnachtsmann noch eine durchaus schöne Botschaft enthält.

  17. Nur weil man selber keinen Zauber an Weihnachten findet, sollte man anderen nicht versuchen den Zauber zu nehmen. Jeder hat einen eigenen Blick auf die Realität. Für mich liest sich der Text sehr engstirnig. Schade. Ich hoffe dass der Verfasser seinen „Weihnachtsmann“ noch findet.

  18. Ich finde schade, daß einige auf explizit Nicht-existentes zurückgreifen müssen um Magie und Wunder zu empfinden. Ihr nehmt euch viel, sehr viel.
    Meiner Meinung nach drückt der Text das wunderbar aus.
    Ob er dem Kind gefallen hätte oder nicht kann wohl niemand sagen. Meine Erfahrung mit Kindern sagt eher ja, aber diese Kinder sind auch nicht nach den Mustern von vor 113 Jahren erzogen ;-)

  19. Ich find es eigentlich seltsam, dass es in den Kommentaren bis jetzt nur darum geht, ob man einem Kind den „Weihnachtsmann“ nehmen darf oder nicht. Ich bin dafür, ihnen keinen „Weihnachtsmann“ zu geben. Er IST ein kommerzialistisches Symbol, denn er bringt nur die Geschenke. Das Christkind ist da doch ein viel passenderes Symbol für Weihnachten, den kleine Kinder rühren uns und rufen in uns das Verlangen hervor, sie zu umsorgen und Nächstenliebe zu versprühen – und darum geht es doch bei Weihnachten! Wer also überlegen muss, wann er seinen Kindern den Geschenke bringenden Weihnachtsmann „nehmen darf“ sollte vielleicht eher überlegen, wann er seinen Kindern den zeitgemäßeren Sinn von Weihnachten, das inne-halten und für-einander-da-sein beibringen will.

    Ich hatte nie einen Weihnachtsmann und mit zwei Jahren haben mir meine Eltern erklärt, dass wir Weihnachten feieren weil wir glauben dass da vor 2000 Jahren ein kleines Kind in einer Krippe auf die Welt kam, ein Mensch der sein Leben lang für seine Mitmenschen da war und ihnen viel Liebe und Verständnis gegeben hat. Ich kann mich daran nicht mehr erinnern, aber mein Vater hat die nachfolgenden Szenen auf Video aufgezeichnet, daher weiß ich dass sie wirklich stattgefunden haben: Als wir endlich genug gesungen hatten und ich zum Baum gehen durfte bin ich zur kleinen aufgebauten Krippe gegangen, hab die Jesus-Kind-Figur herausgenommen, in ein Taschentuch gewickelt und wieder in die Krippe gelegt „Damit es nicht so hart liegt und ihm nicht so kalt ist“. Und erst danach hab ich mir meine Weihnachtsgeschenke angeschaut.

    Laut meinen Eltern haben sie weder davor noch danach je ein so magisches Weihnachten erlebt – Kinder können mit der Wahrheit oft besser umgehen als wir glauben wollen, solange man ihnen Sinn von Weihnachten erzählt.

    In diesem Sinn: Im Nachhinein frohe, liebevolle und menschliche Weihnachten!

    PS: Ich will hier keine Diskussion darüber auslösen, ob Jesus wirklich gelebt hat oder wirklich in einer Krippe geboren wurde, denn wer glaubt, dass es in meiner Erzählung darum geht, solle sie bitte nochmals lesen – wem die damalige Erklärung meiner Eltern nicht zeitgemäß erscheint, kann sie ja gerne ersetzen durch „Weil früher geglaubt wurde, dass…“ und „Die Tradition, ein Fest der Nächstenliebe zu haben, war aber zu schön, um sie aufzugeben, nur weil man die ursprüngliche Geschichte/Teile der ursprünglichen Geschichte nicht mehr glaubt.“

  20. Ich finde den Brief an Virginia klasse! Weiter so. Zu dem heiß diskutierten Weihanchtsmannthema kann ich noch folgende schöne Geschichte beisteuern, die eine Kollegin auf der Weihnachtsfeier des Instituts für Pharmakologie in Würzburg zum besten gegeben hat ;o)

    http://www.paranormal.de/geheim/weihnachtsmann.html

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