Genau die passende Ergänzung zu unserem gestrigen Posting über Daniele Ganser ist heute bei Zeit-Online erschienen:
Die notwendige Technik der Ideologiekritik angesichts einer selbstgerechten Gesellschaft ist in die völlig falschen Hände geraten.
Die seriösen kritischen Stimmen im Öffentlichkeitsdiskurs werden übertönt von jenen polternden Verschwörungstheoretikern, die sich in die Tradition des Querdenkertums stellen, nur um Lügen und Halbwahrheiten zu verbreiten. Sie haben den Aluhut zweckentfremdet, um die Öffentlichkeit bewusst zu manipulieren.
Der Aluhut verdeutlicht demnach wie kein anderer Gegenstand den Kampf um die Wahrheit und verlangt von seinen Betrachtern eine schwierige Gedankenoperation: nämlich den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu erkennen, zwischen profunder Wissenschaftskritik und dummer Hetze.
Diese Differenzierungsleistung ist eine der zentralen Herausforderungen westlicher Gesellschaften. Auf seiner glänzenden Oberfläche des Aluhuts spiegelt sich die Ambivalenz der (Post-)Moderne, in der sich die Wahrheit immer auch als Produkt von starken Sprechakten und überzeugenden Argumenten erweist.
Man muss also den Verschwörungstheoretikern mit einer Rhetorik der Selbstsicherheit entgegentreten, um sie zu bekämpfen. Zudem ist es an der Zeit, den Aluhut aus ihren Händen zu reißen und ihn dort hinzusetzen, wo er hingehört: auf das Haupt der Kulturkritik, die dafür erfunden wurde, um Wahrheitsbegriffe einer seriösen Analyse zu unterziehen.“
Zum Weiterlesen:
- Verschwörungstheorien: Zur Ehrenrettung des Aluhuts, Zeit-Online am 11. Juni 2017
- Daniele Ganser-Fans und ihr Posterboy: „Selbstverschuldete Unwissenheit”, GWUP-Blog am 10. Juni 2017
- Yes, we Chem! Über Freimaurer, die Rothschilds und das Heil in der Verschwörung, Stern-Online am 9. Juni 2017
12. Juni 2017 um 08:14
Lesenwerter Artikel!
Bei der rasanten Zunahme von Verschwörungstheoretikern sollte man den „Aluhut“ vielleicht als „Fertigprodukt“ auf den Markt bringen. Schon vorgefaltet in den jeweiligen Größen mit passenden Sprüchen aufgedruckt.
Bei den scheinbar immer mehr werdenden geistig verstrahlten Mitbürgern könnte der Aluhut so zum Verkaufsschlager werden.
Es wundert mich, dass noch niemand diese Marktlücke entdeckt hat!
12. Juni 2017 um 09:29
Der Artikel hat aber gewisse Schwächen.
„Auch Einstein wurde, bevor er seine Relativitätstheorie entwickelte, für einen Wahnsinnigen gehalten.“
Das ist kaum verbrämtes Galileo-Gambit und das Standart-Argument aller Aluhüte:
https://www.ratioblog.de/entry/fehlschluss-19-das-galileo-gambit
Außerdem ist es falsch. Einstein war schon vor der Entdeckung der RT mehrfach für den Nobelpreis nominiert. Außerdem waren alle seine Thesen überprüfbar im Sinne einer wissenschaftlichen Theorie.
Schlechtes Beispiel, z.T. fragwürdiger Artikel, finde ich.
12. Juni 2017 um 21:24
@Martina Rheken
Einstein, war meines Wissens nach nicht vor der Relativitätstheorie, mehrfach für den Nobel-Preis nominiert. Die „Spezielle Relativitätstheorie“ veröffentlichte er im Alter von 26 Jahren, als er noch Patentbeamter des Schweizer Patentamtes war; diese Theorie basiert auch auf den Arbeiten anderer Physiker, wie zb Hendrik Lorentz
Einstein erkannte nur die Tragweite der Gleichungen und postulierte die „Spezielle Relativitätstheorie“.
Auch bei der „Allgemeinen Relativitätstheorie“ hatte er Helfer, hier sollte man Hermann Minkowski erwähnen.
Ich bin ein großer Fan der Relativitätstheorie und auch von Einstein, aber ich weiß, daß auch viele große Physiker daran mitwirkten.
Den Nobelpreis bekam Einstein für den Photoeletrischen Effekt, welcher nichts mit der RT, sondern eher mit der Quantentheorie zu tun hat.
12. Juni 2017 um 21:34
…mit meiner Beschäftigung der Relativitätstheorie fand ich manche Helfer interessanter, wie zb Minkowski und vor allem Riemann, der leider schon im Alter von Vierzig Jahren starb…mMn ein wahres Genie, das zu unglaublicher Abstraktion fähig war, aber doch wußte, wie er es auf eine physikalische Theorie anwenden konnte.
Riemann ist für mich, neben Gauß einer der ganz Großen…
13. Juni 2017 um 00:38
Hallo Ralf, hier steht dass Einstein mehr als 50 Mal für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde, allerdings wohl tatsächlich nicht vor der RT.
https://www.welt.de/wissenschaft/article120838408/Ewige-Kandidaten-im-Schatten-des-Nobelpreises.html
13. Juni 2017 um 22:14
@Martina Rheken
Das kann eher stimmen – ich bin jetzt nicht der absolute Einstein-Kenner, aber ich finde es etwas befremdlich, daß er 50x vorgeschlagen worden sein soll…konnte es auch auch nicht durch schnelles googeln verifizieren.
Bisher habe ich mich aber mehr mit der Theorie, als mit dem Menschen „Einstein“ beschäftigt.