„Widerlich“ war das Adjektiv, das uns und anderen angemessen erschien, als wir vor vier Wochen über das Eigenmarketing einer „Vermisstenhellseherin“ berichteten.
Damals ging es „nur“ um Evelyn Störzner und ihre angeblichen Erfolgsberichte.
Wir hatten ja keine Ahnung, was sich in dieser Szene sonst noch so tut – es ist einfach unglaublich.
Aktuelles Beispiel:
Da gründet jemand, der anscheinend in keiner Beziehung zur Familie des vermissten Kindes steht, mal eben so eine Facebook-Gruppe, um ein bisschen Detektiv zu spielen, und lädt in diese „Intensivsuche“-Community ausdrücklich „Hellseher und andere Medien“ ein:
Die Scharlatane lassen sich natürlich nicht lange bitten, wird ihnen doch eine grandiose Möglichkeit zur Machtausübung und zur Selbstaufwertung ihres tief gestörten Egos geboten:
Und diese Gestalten belassen es nicht bei den üblichen vagen Hinweisen auf “Wasser” oder “Bäume” – sondern halluzinieren brutalste Schreckensbilder wie dieses herbei (das die Gruppenadministratorin völlig ungerührt für das ausländische “Medium” übersetzt hat):
Eine weitere Obskurantin behauptet, dass das vermisste Kind tot sei und stellt einen „telepathischen Kontakt“ zu ihm her, der offenbar von einem Missbrauchsszenario handelt:
Um das angemessen zu kommentieren, müsste es ein Wort geben, welches die Bedeutung von „widerlich“ mindestens hundertfach steigert.
Die eine oder andere kritische Stimme geht in diesem Irrsinn völlig unter:
Das trifft die Sache immerhin annähernd.
Der Gipfel der Perfidität ist indes noch nicht erreicht.
Uns liegt ein Screenshot vor, aus dem hervorgeht, dass auch der 14-jährige Bruder des vermissten Kindes in die Facebook-Gruppe „eingeladen“ wurde. Mutmaßlich in der Absicht, den Scharlatanen einen direkten Weg zur Familie zu bahnen.
Dann ist es sicherlich an der Zeit, die Behörden auf dieses Treiben aufmerksam zu machen.
Was betroffene Familien von „Vermisstenhellsehern“ halten, haben wir hier und hier schon beschrieben.
In diesem James-Randi-Video nimmt der Vater der 1978 verschwundenen Genette Tate zu solchen Praktiken Stellung:
The YouTube ID of ix_DEto6nH4&feature=youtu.be&t=1h29m46s is invalid.Das ganze Elend der Hellseherei bringt dieser Artikel in der New York Times über drei angeklagte „Medien“ auf den Punkt:
Celia Mitchell, 38, was pointedly asked that exact question last year: “What is the psychic business? Is it real, or a bunch of baloney?”
She answered, “It’s a scam, sir.”
“The whole thing is a scam?”
“Yes.”
Zum Weiterlesen:
- Wenn “Hellseher” vermisste Kinder finden wollen, GWUP-Blog am 5. August 2015
- Die Vermisstenhellseherin wütet gegen die Skeptiker – und präsentiert „Beweise“, GWUP-Blog am 7. August 2015
- Immer mehr „Beweise“ von der Vermisstenhellseherin – und der Dritte Weltkrieg, GWUP-Blog am 8. August 2015
- Evelyn Störzner: Ein weiterer Fall der „Vermisstenhellseherin“ – und Gegenbeispiele zur Warnung, GWUP-Blog am 10. August 2015
- Warum nicht einfach “alles” versuchen, um ein vermisstes Kind zu finden? Lydia Benecke am 9. August 2015
- Seeing Freedom in Their Future, Psychics Reveal All: „It’s a Scam, Sir“, New York Times am 28. August 2015
- Polizei warnt vor Vermisstensuche über Facebook, WAZ am 9. Februar 2011
- Klar darf man einen Hellseher „Scharlatan“ nennen, GWUP-Blog am 14. August 2015
5. September 2015 um 17:41
Völlig unwesentlich eigentlich in diesem Zusammenhang, aber das Erlernen der deutschen Sprache ist den Damen- und Herrschaften „Mediums“ offensichtlich weniger wichtig gewesen als die Heranbildung ihrer spirituosen… äh geistlosen Fähigkeiten.
Ich bin außerstande, auch nur annähernd den Gemüts- und Geisteszustand dieser Leute nachzuvollziehen. Hier kommen so viele Dinge zusammen, die irrationale Eso-Ausrichtung, völlig fehlende Empathie, nicht zuletzt offensichtliche Dummheit.
Mich bewegt in letzter Zeit mehr und mehr die Frage, wie man mit solchen Leuten und Gruppen umgehen soll.
Ignorieren ists ja wohl keine Option (mehr).
5. September 2015 um 17:43
Es gibt tatsächlich Menschen, die das für einen harmlosen Spaß halten.
Aufklärung wo es nur geht und diese Betrüger nerven und vorführen, bis sie wieder löschen und sperren.
5. September 2015 um 18:18
Muss man wohl alles selbst machen, also…:
Scam, auf deutsch: Betrug, Beschiss, Masche, Schwindel.
5. September 2015 um 19:40
Wenn ich sowas lese, könnte ich kotzen. Wirklich. Wie mit der Not und Angst sowie teils unsäglichem Leid von Menschen und auch solchen Familien umgegangen wird, sie benutzt und missbraucht werden für eigene Zwecke ist unerträglich.
Einen Fall von Vermisstenhellseher(in) kenne ich persönlich jetzt nicht, aber einen, in dem ein solches selbsternanntes „Medium“ es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen jungen Mann bei seiner Identitätsfindung zu „begleiten“.
Der Sohn einer Familie in meinem näheren Umkreis hatte in seinen späteren Teeniejahren u. jungen Erwachsenenjahren einige Probleme zu bewältigen. Die Familie (inkl. Sohn) fiel irgendwann auf solche „Medien“ rein bzw. Typen, die sich als solche bezeichnen und selber auch so sehen.
Ergebnis: die Familie ist jetzt um ein paar tausend Euro ärmer und der Junge leidet nach all den „Behandlungen“ unter einer Psychose.
Soviel zum Thema „hellseherische Fähigkeiten“ und Medium.
5. September 2015 um 21:30
Klaus:
Danke, wozu hat man kluge Kommentatoren?
6. September 2015 um 01:12
Das bestätigt mich wieder in meiner Meinung, daß das Internet zum Ruin der Gesellschaft führen wird….
…ich bin so alt, daß ich mich noch an die Neunziger erinnern kann und da hörte man Stimmen, die den (offiziellen) Medien Verrohung vorwarfen, aber das wird durch das Internet, um ein Vielfaches überboten.
Wie grotesk wirkt da die BPjM, die Medien (in Form von Datenträgern) inidziert…im Internet ist Kirmes und der Jahrmarkt ist schon lange geöffnet; da hilft es auch nicht Websites zu indizieren…wenn man mit einer anderen Suchmaschinenseite, die nicht an dt. Gesetze gebunden ist, die Inhalte kinderleicht finden kann…
Warum tut sich Deutschland so schwer, in der Realität anzukommen?
6. September 2015 um 15:21
Ich erinnere mich daran gelesen zu haben, ein Mann der behauptete Hellseher zu sein, gab der Polizei Ratschläge und geriet dann selber in Verdacht 2 Menschen getötet zu haben, weil er über die Morde zu gut Bescheid wusste.