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Medizin: Wenn C-Promis die „Experten“ spielen

| 20 Kommentare

In Deutschland fragen wir uns bisweilen kopfschüttelnd, was Schriftsteller, Theologen oder Dschungelcamp-Promis in Fernsehsendungen zu suchen haben, die sich mit komplexen Wissenschaftsthemen beschäftigen.

Vince Ebert, der gerade mit seinem neuen Programm „Evolution“ auf Tour ist, hat das mal so formuliert:

Wieso geht man wie selbstverständlich davon aus, dass Günter Grass genauso viel über die Globalisierung weiß wie ein Ökonomieprofessor? Warum glaubt man, ein katholischer Abt könne zur Stammzellenforschung Profunderes beitragen als ein Molekularbiologe? Etwa, weil sich Mönche durch Zellteilung vermehren?“

In den USA ist man längst so weit, dass die öffentliche Diskussion, etwa zu Medizin und Gesundheit, von Ex-Playmates und Schauspielern beherrscht wird.

Chuck Norris und Jenny McCarthy zum Beispiel lärmen permanent als „Impfgegner“. Gwyneth Paltrow ist überzeugt davon, dass Biokost Krebs verhindern kann. Stella McCartney regt sich über „Frostschutzmittel“ in Kosmetika auf, ohne zu wissen, wovon sie überhaupt redet.

Diese Woche hat die US-Schauspielerin Suzanne Somers im angesehenen Wall Street Journal ein flammendes Editorial gegen die Gesundheitsreform des Präsidenten veröffentlicht.

Selbstverständlich bleibt Ms. Somers ihre persönliche Meinung zu „Obamacare“ unbenommen – wenn sie nicht ihre „Argumentation“ ganz dezidiert auf ihre Prominenz und ihre Vorliebe für Pseudomedizin abstellen würde:

As a writer of 24 books mostly on health and wellness and by using my celebrity to get to the best and brightest doctors, scientists and medical professionals in the alternative and integrative health-care world, I have come to the following conclusions …“

Wow, so sieht also wissenschaftliche Expertise in den Vereinigten Staaten aus.

Immerhin nahm das Internet-Magazin Salon Somers Geschreibsel zum Anlass,

America’s love of celebrity pseudoscience“

kritisch zu hinterfragen.

Der Autor Daniel D’Addario kommt indes zu dem deprimierenden Urteil:

These actresses’ work lies at the intersection of two uniquely American desires: the love of celebrity and the distrust of academic authority.

The reflexive distrust of orthodoxy — as demonstrated by Somers’ dismissal of Obamacare with half-remembered or made-up anecdotes that merit a Journal correction, or by her claims that she knows more than those fuddy-duddy doctors, or McCarthy’s imagining a global conspiracy against the truths she alone can figure out — has been a part of American life since snake-oil wagons rambled through towns.

And Somers’ and McCarthy’s voices are louder than their detractors’.

The celebrity’s belief he or she is right about everything by dint of being charming on a 1970s sitcom or a 1990s dating show is the very essence of the American myth of self-creation; they’re on TV, so they must have something substantial to teach us!

These wealthy people with cultural capital can show us all how to live. It’s much more fun to watch them, even if they’re dangerously wrong, than it is to watch a physician.“

Daraus kann man nun eine Reihe von Schlüssen ziehen.

Etwa, dass es wichtig ist, sachliche Informationen gegen die Behauptungen der Schlangenöl-Verkäufer im Netz zu finden.

Zwei Beispiele von heute sind bei BlooDNAcid („Wie wirkt eigentlich Alaun? – Über das wichtigste Adjuvans in Impfstoffen“) und bei aargks/pro Logik (eine Würdigung des Blogs Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie) erschienen.

Und dass wir mehr populäre Clips und Filme à la „Penn and Teller“ benötigen.

Und dass Skeptiker TV-Sendungen keinesfalls meiden dürfen.

Zum Weiterlesen:

  • Suzanne Somers, Jenny McCarthy and America’s love of celebrity pseudoscience, Salon am 29. Oktober 2013
  • Vince Ebert zur Wissenschaftsfeindlichkeit, arprin-Blog am 16. Juli 2011
  • Stars who spout ‚pseudo-science should check their facts first‘, Daily Mail am 2. Januar 2008
  • Jenny McCarthy preaches belligerent ignorance to the world on vaccines and autism, Torstar News Service am 29. Juli 2013
  • Buffy kämpft jetzt für die Keuchhusten-Impfung, GWUP-Blog am 16. Juni 2013
  • Mit Witz und Betroffenheit gegen aggressive Impfgegner, GWUP-Blog am 11. August 2013
  • „Nachtcafé“-Video jetzt online, GWUP-Blog am 6. Oktober 2013
  • Hex und hopp: Skeptiker im TV, GWUP-Blog am 29. Januar 2013
  • Wie wirkt eigentlich Alaun? – Über das wichtigste Adjuvans in Impfstoffen, BlooDNAcid am 1. November 2013
  • Blog-Rezension V: Beweisaufnahme in Sachen Homöpathie – der Ultrasachliche, aargks/pro Logik am 1. November 2013
  • Gericht verbietet Schüßler-Werbung mit Ursula Karven, GWUP-Blog am 7. Mai 2013
  • Kate Moss, die Skeptiker und falsche Umfragen, GWUP-Blog am 13. Januar 2010
  • Hilft Homöopathie Frauen, die an PMS leiden? Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 2. November 2013
  • Jenny McCarthy: anti-vaxxer, public menace, LA Times am 27. Januar 2015

20 Kommentare

  1. Ob sich diese Showheinis ihre diversen kosmetischen Operationen auch vom Pseudomediziner machen lassen.

  2. Ich würde Amateure nicht verdammen.
    Ihnen geht das Fachidiotentum ab und das kann manchmal sehr nutzbringend sein.

  3. @Michel
    Natürlich, denn es gibt eine homöopathisches Mittel für „Schönheit“ und zwar wird ein Bild – eines wirklich hässlichen Menschen – soweit verkleinert, bis es nicht einmal mehr einen Pixel groß ist und dann sieht man es sich an :-D

  4. @ Michel
    „…diese Showheinis…!

    Bitte nichts gegen Showheinis;-)

    @ Albert Wilfert

    Mir sagte mal vor vielen Jahren mein Kollege MARVELLI:
    „In der Showbranche ist es wie beim ältesten Gewerbe der Welt: Amateure ruinieren das Geschäft!“

    Der Artikel von Bernd Harder spricht mir aus der Seele. Ich habe schon oft verwundert den Kopf geschüttelt, wenn irgendwelche (Möchtegern-) Superstars und Sternchen überall und wirklich zu jedem Thema ihren Senf hinzugeben.

    Mir ist klar, dass die Aussage des Artikels von Bernd Harder in Bezug auf Wissenschaft gemeint ist. Dennoch musste ich das mal loswerden, weil viele Amateure (zumindest in meinem Metier) der Branche sehr, sehr geschadet haben.

  5. @Wilfert:
    Sich zu Themen zu äußern, von denen man überhaupt nichts versteht, ist idiotisch. Diesen „Amateuren“ geht vor Allem das Fachliche ab.

    Da höre ich lieber auf die Leute, die du als „Fachidioten“ bezeichnest.

  6. @Alle:

    Man sollte da vielleicht etwas differenzieren.

    Natürlich gibt es bei Jenny McCarthy und dieser Schauspielerin nichts zu deuteln, das ist Schwachsinn.

    Bei Fernsehdiskussionen in Deutschland ist es aber meistens so, dass „der Abt“ oder „der Showheini“ sich nicht zum Thema Molekularbiologie oder Präimplantationsdiagnostik an sich äußern, sondern zu den gesellschaftlichen Folgen, Auswirkungen und Befürchtungen solcher Forschungen.

    Da ist es natürlich interessanter, Til Schweiger zuzusehen, als meiner Nachbarin.

  7. Kleiner Fernsehtipp:

    Heute gibt es beim WDR die

    „Lange Quarksnacht“ mit Ranga Yogeshwar

    (23.30 bis 06.20 Uhr)

  8. @ Martina Rheken

    Und warum sollte ein Abt oder ein Showheini zu gesellschaftlichen Folgen irgendeiner Erfindung/Forschung mehr wissen als meine Nachbarin?

    Um die Folgen abschätzen zu können, muss man zuerst einmal genau wissen was Sache ist. Mangels Betätigung auf dem jeweiligen Gebiet fehlt das diesen Menschen gewöhnlich.

    Kirchenleute und Showheinis führen üblicherweise auch keine soziologischen Forschungen durch mit denen sie dann ihre Ansichten zur Gesellschaft begründen könnten.

    Einfach gesagt:

    Die Showheinis werden wegen des Halo-Effektes eingeladen.

    Die Kirchenfuzzis wegen der Autorität die sie in den Augen vieler Menschen immer noch haben.

  9. Ja, heute hat (fast) jeder eine Meinung zu allem…demokratisch so gewollt (ob das wirklich gewollt ist, ist noch eine andere Frage)…zu allem müssen „wir“ uns eine Meinung bilden, egal ob wir eine Fachkenntnis dazu haben…das „WIR“ entscheidet, hieß es noch vor Kurzem von einer Zeitarbeit…sorry…von der SPD, dem kleinen Koalitionspartner in Spe… :-)

  10. Erschreckend, wie jetzt die Bezeichnung „Showheinis“ von einigen Kommentaren (absichtlich bösartig?) übernommen wurde. Diese Schublade ist nicht freundlich.

    Sowas klingt immer gewollt unseriös und zeichnet die Kommentatoren nicht unbedingt aus. Man sagt auch nicht DIE „Kochheinis, Arztheinis, Schusterheinis usw.) Verallgemeinerung sollte man aus meiner Sicht vermeiden.

    Professionelle Könner unter den „Showheinis“ sind es übrigens, die tagtäglich Menschen aus ihrem schweren Alltag herausholen und ihnen für einige Stunden Freude und Abwechslung bieten. Ohne Showheinis sähe die Welt trostlos aus! Künstler bereichern unseren Alltag.

    Wirkliche Künstler und Entertainer (keine jugendlichen Eintagsfliegen, die von RTL zu Superstars ernannt wurden), haben oft auch durch ihre eigene Welt in den Reihen der Superreichen und deren Umfeld (auch bei Ärzten) Erfahrungen sowie Ansichten erlangt, die zumindest ich ganz gerne mal gelegentlich erfahren möchte.

    Aber eins ist klar: In tiefversunkenen FACHGESPRÄCHEN der (z. B.) Medizin haben sowohl Showmöchtegernstars als auch echte Superstars nichts zu suchen.

  11. Ich weiß,das ich nichts weiß…und ich muß das nicht noch extra analysieren.

  12. Der WDR sendete am Freitag die Talkshow „Plasberg persönlich“.

    Thema der Sendung:

    „Wer´s glaubt!“

    Neben einigen Promis war auch Walter von Lucadou mit dabei.

    http://www.wdr.de/tv/plasberg_persoenlich/

  13. Oh, das Rätsel ist aber einfach zu lösen, denke ich.

    Der Irrtum der Skeptiker besteht darin anzunehmen, dass es bei einer Diskussion in den Medien um eine wissenschaftlich fundierte Argumentation mit klarer Ausrichtung auf den Gegenstand gehen _sollte_.

    Das ist aber nicht der selbstdefinierte Auftrag der Medien. Der besteht in der _moralischen Betreuung_ der Nation. Und deshalb kommen dort vor allem die Moralheinis alleroberster Güte zum Zuge, allen voran die religiösen Moralheinis, gefolgt von den literarischen Moralheinis und natürlich die Schauspielermoralheinis, die den Vorteil haben, sich als Film-Moral-Berühmtheiten bereits zur Abgabe persöhnlicher moralischer Urteile qualifiziert zu haben.

    Wie Martina Rheken oben bereits richtig bemerkte, reden die ja gar nicht über Technik oder den Wissenschaftlichen Gegenstand an sich, sondern versuchen die Technik immer nur in Ihr Weltbild einzuordnen um letztendlich zu einem _Urteil_ über die Technik zu kommen.

    Und insofern hat Günther Grass genauso viel zu sagen wie ein Ökonomieprofessor, wenn es nur noch um die Frage geht, was die Globalisierung zu „unserem Nutzen“ beizutragen hat. Da redet der eine eben darüber, dass es die Moral der Nation zerstört (sprich den gesellschaftlichen Zusammenhang) und der andere, dass dies eine „Chance für Deutschland“ ist, wo sich die Unternehmer hemmungslos weltweit betätigen können. Um die Frage, was „Globalisierung“ eigentlich ist, und wie sie zustande kommt, geht es dabei mit tödlicher Sicherheit nicht.

    Macht euch frei von der Annahme, die Medien wären zur Aufklärung da. Das wollen die gar nicht.

    next

    PS: Ich finde es kontra-produktiv die Psychologie der Promis und Literaturnobelpreisträger zur Erklärung heranziehen zu wollen. Die mag vielleicht über die Motive etwas der jeweiligen Personen etwas aussagen, erklärt aber immer nicht, warum solche Sachen in den Medien gezeigt werden. Oben wurde bereits bemerkt, dass Nicht-Prominente Nachbarn die gleiche Psyche an den Tag legen, aber die werden in der Regel nicht zu Talk-Shows eingeladen. An der Psyche wird’s also kaum liegen.
    PPS: Ich denke auch ein Promi kann zur wissenschaftlichen Diskussion etwas beitragen insofern er sich tatsächlich mit dem Gegenstand beschäftigt hat. Was jemand beruflich tut ist doch unerheblich, solange er bei einer Diskussion seine, wie auch die Argumente des anderen tatsächlich prüft. Also das tut, was auch berufliche Wissenschaftler täglich tun müssen.

  14. @Leceritus:

    Eine ähnlich unsinnige und falsch übersetzte bzw. falsch verwendete Phrase wie das berüchtigte Hamlet-Zitat:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_wei%C3%9F,_dass_ich_nichts_wei%C3%9F

  15. @Gerry:

    „Und warum sollte ein Abt oder ein Showheini zu gesellschaftlichen Folgen irgendeiner Erfindung/Forschung mehr wissen als meine Nachbarin?“

    Von „Wissen“ habe ich doch gar nichts gesagt.

    Warum dreht deine Nachbarin keine Filme oder moderiert TV-Sendungen?

    Aus dem selben Grund, weshalb Promis in Talkshows eingeladen werden und eben *nicht* deine Nachbarin.

  16. @Trixi der Autor des Welt Artikels scheint aber eher ein persönliches Problem mit R.Y. zu haben. Als Macher/Moderator einer Pop-wissenschaftssendung ist es doch logisch, dass er häufig gefragt wird und auf solche Fragen auch antwortet. Wirklich seltsamer Artikel.

    @Pierre Castell ich meinte mit „Showheinis“ nicht die Unterhaltungsbranche insgesamt. Aber die meisten Promis (A bis Z) tummeln sich eben dort.
    Wenn in Talk Shows von Heilsteinen, Ernährungsgewohnheiten, medizinischen Kenntnissen, Engeln und getrunkenem Urin erzählt wird, machen sich die Promis, meiner Meinung nach, zu „Heinis“.
    Das kann jedem und überall passieren

  17. @ Michel
    Tja, das mit den „Promis“ ist in der Tat ein Problem.
    Früher konnte man davon ausgehen, dass Prominente ernstzunehmende Leistungen vollbrachten, um zu Prominenten zu werden.

    Heute gelten leider irgendwelche Partyluder, pardon, das nennt man ja heute „It-Girl“ (ich würde es als eine Form der Prostitution bezeichnen), die sich z. B. in Begleitung von Fußballstars zeigen, schon als prominent.

    Dass man heutzutage ohne jede Befähigung zum bundeweiten Prominenten werden kann (wenn die Blöd-Zeitung und gewisse RTL-Sendungen nur oft genug über solche Personen berichten), halte ich für sehr schlimm.

    Ich kenne (persönlich) eine wohlhabende mediengeile Familie aus Köln, die sich bei RTL zum Affen machte um mal öfter im TV zu erscheinen. Kurze Zeit entstanden ganze Serien über diese Familie, und RTL 2 sendete sogar Abends zur besten Sendezeit eine zweistündige Doku über diese Familie. Mittlerweile lässt sich der Sohn für Events buchen. Aber was kann er? NICHTS!

  18. das ist unsere Fernsehlandschaft. Da macht man leider nichts dagegen, aber alle wollen es dennoch sehen. Schaut euch nur mal die Quoten der Sendungen an. Ist leider so und wird sich auch nicht ändern. LG Tina

  19. @Bernd Harder
    Das Vorbild brauche und meinte ich nicht.Es ist die persönliche Erfahrung meines unbedeutenden,unwichtigen und unbegreifbaren Lebens.

  20. @Leceritus:

    << Es ist die persönliche Erfahrung meines unbedeutenden,unwichtigen und unbegreifbaren Lebens. << Es wäre trotzdem schön, wenn Ihre Kommentare wenigstens partiell einen Inhalt hätten.

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