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„Noch schlimmere Schäden“: Y-Kollektiv-Video über Exorzismus und Heilungsdienste 2.0

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Was wir beim „Skeptical“ im Mai in Augsburg …

… und im aktuellen Skeptiker (3/2024) beschrieben haben, illustriert jetzt eine Reportage vom Y-Kollektiv:

Gesund durch Jesus? Exorzismus und Heilungsdienste 2.0

  • Offiziell macht die Kirche (in Deutschland) „das nicht mehr“:

Meines Wissens gibt es in keinem der deutschen Bistümer einen Exorzisten,

erklärt der katholische Weltanschauungsbeauftrage Matthias Neff (Trier).

  • Es existiert allerdings ein inoffizieller Graubereich, in dem etwa Gastpriester aus der Weltkirche oder Ruhestandspfarrer ohne bischöfliche Erlaubnis „Dämonen“ austreiben.

In dem Film von Jana Gareis treten zwei polnische Priester auf (die am Ende auch Klingenberg in Deutschland besuchen), und der Internet-Exorzist „Nature23“ behauptet, mit katholischen Pfarrern zusammenzuarbeiten.

  • Der überwiegende Teil des Geschehens spielt sich in den Freikirchen ab.

Gareis besucht zum Beispiel die Josua-Gemeinde in Dortmund und parliert online mit „Nature23“, der sich als „Torahchrist“ versteht.

So weit also wenig Neues.

Interessant ist, was das evangelikal orientierte Medienmagazin Pro an dem Beitrag kritisiert:

Eine breitere Darstellung positiver Erfahrungen oder langfristiger Erfolge dieser Praktiken wäre von Vorteil.

Ach – die gibt es? Dann lasst uns doch bei Gelegenheit gerne mal die entsprechenden Studien zukommen, liebe Kollegen.

Beim „Skeptical“ und im Skeptiker hat sich die angehende Psychologin Jasmina Eifert (o.r.) mit den möglichen Folgen von Exorzismen beschäftigt.

Die Studienlage dazu muss als sehr dünn bezeichnet werden, weist aber zum Beispiel eine Fallstudie von 2017 aus:

Hierbei wurde eine mauritische Frau mittels Forschungsinterviews zu ihren Erfahrungen mit Exorzismen befragt. Das Ergebnis: Die (teils gegen ihren Willen) durchgeführten Exorzismen hatten auf die bereits biografisch vorbelastete und traumatisierte Frau einen retraumatisierenden Effekt.

Diese berichtete unter anderem von Gewalterfahrungen in ihrer Kindheit, die Exorzismen im Erwachsenenalter sorgten dann für ein Wiedererleben des Kontrollverlustes, welche wiederum zu dissoziativen Zuständen und dadurch zu noch intensiveren Gefühlen von Kontrollverlust führten.

In einer Untersuchung von Bull et al. (1998) wurden N=15 DIS-Betroffene mit Exorzismus-Erfahrungen zu ihrer persönlichen Wahrnehmung dieser Erlebnisse befragt.

Je mehr Kontrolle die Betroffenen über den Exorzismus hatten, desto positiver empfanden sie diese Erfahrung. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass diese positive Einschätzung ausschließlich retrospektiv und subjektiv erfolgte. Bei keinem der Exorzismen gab es eine Prä-Post-Messung, Kontrollgruppen oder ähnliche, objektivere Erhebungen, welche den Standards der heutigen Wissenschaft entsprechen.

Wenn die Betroffenen hingegen keinerlei Autonomie erlebten (und Exorzismen sogar teils gegen ihren Willen und/oder unter Fixierung durchgeführt wurden), bewerteten alle diese Exorzismen als Missbrauchserfahrung. Zudem berichteten die Betroffenen dann unter anderem von einem erhöhten Therapiebedarf und negativen Einflüssen auf ihr spirituelles Erleben.

So wie „Irena“, die in dem Y-Kollektiv-Film von ihren Erfahrungen mit Exorzismus berichtet.

Auch Gareis kommt nach einem Gespräch mit der Psychologin Bianca Liebrand vom Sekteninfo NRW zu einer klaren Einschätzung der Umtriebe von „Nature23“ und Co.:

Die von ihm behandelten Frauen laufen in mehrfacher Hinsicht Gefahr, noch schlimmere Schäden davonzutragen.

„Besonders erschütternd“ findet die Journalistin einen Videomitschnitt von „Nature23“, in dem zu sehen ist, wie ein Exorzismus-Opfer einen akuten Asthmaanfall erleidet. Gareis sieht darin zu Recht eine Situation, die „lebensgefährlich“ werden kann. Der Internet-Exorzist tut das Ganze damit ab, dass „der Dämon mit Absicht eine gewisse Pressatmung durchgeführt hat, damit dieser Asthmaanfall ausgelöst wird“.

Offenbar wird die Justiz erst dann mal aktiv werden, wenn es wirklich zum Äußersten kommt.

Das Video von „Exorzismus und Heilungsdienste 2.0“ gibt es in der ARD-Mediathek (zirka 30 Minuten). Den Skeptiker mit den zwei Artikeln

  • Exorzismus: Hilfe oder Missbrauch?
  • „Zehn Teufelsaustreibungen pro Tag“

kann man hier bestellen.

Zum Weiterlesen:

  • „Grotesk, aber gefährlich“: Exorzismus im neuen Skeptiker, GWUP-Blog am 18. September 2024
  • Neu im Skeptiker: Der Internet-Exorzist „Nature23“, GWUP-Blog am 9. Dezember 2023
  • Ist Dämonenaustreibung gefährlich? pro am 26. November 2024
  • Exorzismus in Polen: Tausende gehen hin, einige werden Opfer, srf am 9. April 2024
  • Geistlicher Missbrauch: Exorzismus, Sekten, Freikirchen, Esoterik im Tagungsband der EI, GWUP-Blog am 1. Oktober 2024

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