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„Zur Sache Baden-Württemberg“: Man kann eben in der Tat nicht Arzt und Homöopath sein

| 24 Kommentare

Man fragt sich langsam wirklich, ob homöopathiegläubige Apotheker und Ärzte überhaupt noch irgendwas merken.

Da entblödet sich ein studierter Pharmazeut nicht, vor laufender Kamera das „Schlagen zum Erdmittelpunkt“ bei der Herstellung von Globuli zu demonstrieren – ohne rot zu werden oder zumindest in Gelächter auszubrechen.

Seine Kollegin erzählt derweil ins Mikrofon der Reporterin, wie man schon kleine Kinder zu Pillen-Junkies erzieht:

Kommt jemand rein und sagt: Meine Kinder sind so eifersüchtig aufeinander, die verhauen sich die ganze Zeit – was gebe ich denen? Jetzt nennen Sie mir ein Medikament aus der Schulmedizin, was Sie denen geben.

Äh – gar keins, Frau Apothekerin.

Das ist nämlich kein Problem, bei dem man Medikamente einwirft.

Und weiter geht’s mit einem Hausarzt, der eine homöopathische Zusatz-„Ausbildung“ hat und enthusiasmiert erklärt, dass ihn „bei der homöopathischen Herangehensweise“ das „Vorher und Nachher“ zum Beispiel der Kopfschmerzen eines Patienten interessiere.

Da interessiert mich, was ist bei diesem Menschen Besonderes dran?

Aha – und als Internist und „Schulmediziner“ interessiert ihn das nicht?

Ist das schon schizophren oder bloß betriebswirtschaftliches Kalkül, weil man mit Globuli-Fans den Reibach machen kann:

Wir wissen es nicht, aber all das war gestern Abend bei Zur Sachen Baden-Württemberg zu sehen.

Leider hatte Dr. Christian Weymayr vom Münsteraner Kreis nur ein paar wenige Minuten Zeit, um den größten Unsinn richtigzustellen.

Ich würde zu so einem Arzt nicht mehr gehen,

sagt Weymayr am Schluss wohl auch mit Blick auf das Eingangsbeispiel des Beitrags.

Damit ist er hoffentlich nicht allein. Man kann eben nicht gleichzeitig Arzt und Homöopath sein, wie wir vor elf Jahren hier schrieben.

Zum Weiterlesen:

  • Zur Sache Baden-Württemberg vom 6. Oktober 2022: Wird die Homöopathie beim Arzt ein Auslaufmodell?
  • Weiterbildung Homöopathie für Apotheker und Apothekerinnen, Gesundheits-Check am 5. Oktober 2022
  • Baden-Württembergs Gesundheitsminister kündigt Ärzteschaft fachliche Überprüfung an, medwatch am 28. September 2022
  • Homöopathie: Das INH schreibt dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Lucha, GWUP-Blog am 14. August 2022
  • Auch in Baden-Württemberg: Landesärztekammer streicht Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung, GWUP-Blog am 25. Juli 2022
  • Podcast: „Wirkt Lauterbach gegen Homöopathie?“ Ende der Satzungsleistung in Sicht? GWUP-Blog am 6. Oktober 2022
  • Homöopathie: Umstritten – sollte man Kindern Globuli geben? ksta.de am 18. Oktober 2017
  • Homöopathie in der Schweiz – die Hintergründe zur Aufnahme in den Kassen-Leistungskatalog, INH am 23. Mai 2016

24 Kommentare

  1. Hiernach stellt sich die Frage: Muss man den SWR in die Kategorie „unberechenbar“ einstufen?

    Ja, tatsächlich hat der Sender auch recht gute Beiträge zur Homöopathie produziert, fällt aber immer wieder auf eine Niveaulosigkeit zurück, die einen regelrecht fassungslos macht.

    So wie hier.

    Dazu gibt es einen wichtigen Reminder:

    Bei einer durchaus ähnlichen Fehlleistung (Landesschau) im Jahre 2018 fasste MedWatch nach und brachte den Intendanten in einige Bedrängnis – und zu dem Versprechen, die Verpflichtung des Senders auf faktenbasierte Berichterstattung und die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin im Hause nochmals einzuschärfen.

    https://medwatch.de/arzneimittel/interview-zu-swr-beitrag-eine-ueberschrift-wie-wie-wirkt-homoeopathie-haetten-wir-nicht-senden-sollen/

    Ist dieser komplett verunglückte Beitrag, der selbst bei Astro-TV nicht gut aufgehoben gewesen wäre, nun das Ergebnis dieser Bemühungen? Tja, wie es aussieht …

    Nun ist das unter der Rubrik „schlechter Journalismus in einem besonders schweren Fall“ zu verbuchen. Jedoch gibt es da noch einen unseres Erachtens weit schwerwiegenderen Punkt.

    Und das ist der Auftritt von Prof. Robert Jütte, einem bekannt homöopathiegeneigten, aber durchaus honorigen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Medizingeschichte, direkt vor den Alibiminuten mit Christian Weymayr.

    Was Jütte dort – faktisch und bewertend – zur Situation in der Schweiz sagt, das ist eine komplette Unwahrheit. Von A bis Z. Wir können uns nicht vorstellen, dass er die Tatsachen nicht kennt. Was die Sache nicht besser macht.

    Sollte er sie wirklich als Fachmann für Medizingeschichte nicht kennen, könnte er bei uns nachschauen;

    https://netzwerk-homoeopathie.info/ueber-die-entscheidung-zur-homoeopathie-in-der-schweiz/

    Auch seine Behauptungen, die Wirtschaftlichkeit sei für gegeben befunden worden, ist widerlegt – von der Santésuisse, der Schweizer Allgemeinversicherung, selbst:

    https://www.santesuisse.ch/details/content/teure-komplementaermedizin/

    Das ist im Grunde so nicht hinnehmbar.

    Vielleicht sollte man den SWR noch einmal an die Zusagen seines Intendaten erinnern. Und ganz allgemein muss man schon ganz schön weit neben der Asphaltstrecke unterwegs sein, um in diesen Zeiten noch derart medial über Homöopathie zu berichten.

  2. @Bernd Harder

    Eine gute Nachricht.

  3. @Bernd Harder

    Das Ding im Alpenland ist tot, keine Chance.

    Es hatte sich ja an der FH selbst beträchtlicher Widerstand formiert und die Initatoren des Masterlehrgangs müssten schon völlig realitätsfern sein, um nicht zu wissen, dass ihr Ansinnen im letztentscheidenden Kollegium keine Chance haben wird.

    Diese Geschichte wird also wohl ein deja vu der legendären Traunsteiner Homöo-Akademie werden, der damals auch ein unrühmliches Ende noch vor ihrem Beginn beschieden war.

    Und das ist gut so.

    FunFact: Ich habe damals – als Privatperson – die FH angemailt und auf einige Ungereimtheiten in ihrer eigenen Ankündigung hingewiesen, ohne in die Tiefe des Problems zu gehen. Woraufhin ich eine relativ unfreundliche Antwort in dem Sinne erhielt, was mich das angehe. Tja.

  4. Der SWR-Beitrag verursacht in seinen Einspielern wirklich Schnappatmung.

    Aber immerhin beantwortet der schüttelnde Apotheker zu Beginn endlich die Frage, auf die Frau Dr. Geiger* in einer früheren SWR-Doku** keine Antwort wusste,

    „Welche Fortschritte hat die Homöopathie eigentlich in den letzten 200 Jahren gemacht?“:

    man muss beim Verschütteln gar nicht auf einen Ledereinband aufschlagen! Bahnbrechend!

    Bleibt nur die Anschlussfrage offen, ob er mit dieser Technik mehr als eine D/C6-Lösung am Tag herstellen kann, bzw. ob er nach zehnmal D/C30 seine Sehnenscheidenentzündung auch rein homöopathisch behandelt?

    * https://twitter.com/kattascha/status/1563614822650236929

    ** https://www.youtube.com/watch?v=NrhpKNebaKo

  5. Der SWR ist seit langem ein Propaganda-Sender für allerlei esoterischen Unfug.

    Wird über unsere Fauna berichtet, ist immer eine Heilpraktikerin (tatsächlich fast immer Frauen) nicht weit, die über die Heilwirkung von Kräutern aus der Natur faseln darf; werden Landwirte vorgestellt, sind es immer Demeter-Landwirte (konventionell arbeitende Landwirte kommen im SWR praktisch nicht mehr vor, es sei denn als schlechtes Beispiel).

    Künstler sind immer auf der Suche nach Kraftorten in ihrer Umgebung, Ernährungsberater schwafeln über die heilsame weil immunstimulierende Wirkung bestimmter Nahrungsbestandteile, usw usf.

    Eine echte Distanzierung von Pseudomedizin und Pseudowissenschaft habe ich beim SWR noch nie erlebt.

  6. man muss beim Verschütteln gar nicht auf einen Ledereinband aufschlagen! Bahnbrechend!

    Dabei hätte ich aber gern noch Auskunft, wie man auf diese Erkenntnis gekommen ist.

    Ist man da wissenschaftlich herangegangen, gibt es dazu irgendein Paper oder sowas in der Art? Und warum hat man nicht gleich die ganze Wahrheit herausgefunden, nämlich dass man eigentlich gar nicht schütteln muss?

    Oder hat man, will sich die mageren Fortschritte so einteilen und strecken, dass nicht sofort alles verbraucht ist, sondern man in ein paar Jahren wieder was zu vermelden hat?

  7. Interessant.

    Der Apothekerin im SWR-Beitrag zufolge muss man bei der Herstellung auch „positive Gedanken“ haben. Dass das Wasser nicht nur ein Gedächtnis, sondern auch telepathische Fähigkeiten hat, war mir neu. Man lernt doch immer noch dazu.

    Sehr schön auch der gleichzeitig praktizierte krude Materialismus: Sind Kinder eifersüchtig aufeinander, so die Apothekerin, gibt es dafür Globuli. Die Kinder werden dadurch auf Biomaschinen reduziert, ihre subjektiven Handlungsgründe spielen keine Rolle.

    Dass auch sexueller Missbrauch, Vergewaltigung usw. homöopathisch behandelt werden (https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0030-1257725), muss da nicht wundern.

    Wenn das an die Stelle einer guten Psychotherapie tritt, sind das, genau wie eine wegen Globuli versäumte Krebsbehandlung, Paradebeispiele dafür, wie Homöopathie schadet.

  8. Pingback: Homöopathie betrachtet den Menschen ganzheitlich, ist sanft und schadet nicht? – Gesundheits-Check

  9. @ Joseph Kuhn:

    Ich habe mir den Autor des Artikels, den Sie verlinkt hatten, genauer angeschaut: Wenn es nicht so traurig wäre, dann müsste man lachen.

    So aber kann einem angst und bange werden! Was für ein Knallkopf.

  10. @gnaddrig

    Vermutlich hat irgendein veganer Homöopathiefan statt Leder was anderes benutzt, und siehe, die Homöopathika wirkten genauso nicht über den Placeboeffekt hinaus wie die auf Leder geklopften.

    Ich vermute ja, dass das Klopfen auf Leder darauf zurückgeht, dass das kräftige Aufschlagen von Glasbehältnissen auf Keramik- und sonstige harte Laborbänke eben zu Bruch führt.

    Damals waren Bücher halt oft in Leder gebunden, insbesondere wertvollere Fachbücher in Apotheken etc..

  11. @ Christian Becker:

    So wird es gewesen sein, und die erstaunliche Entdeckung hat man dann vermutlich einfach per Binnenkonsens kanonisiert.

  12. man muss beim Verschütteln gar nicht auf einen Ledereinband aufschlagen! Bahnbrechend! Dabei hätte ich aber gern noch Auskunft, wie man auf diese Erkenntnis gekommen ist.

    Wenn ich mich richtig erinnere wurde in „Homöopathie – Heilung oder Humbug“ von 2014 von den Studenten genauso „verschüttelt“ – der HP-kritische Prof sagte dann „das steht so im Arzneibuch“

  13. @FrankM
    „Wenn ich mich richtig erinnere wurde in „Homöopathie – Heilung oder Humbug“ von 2014 von den Studenten genauso „verschüttelt““

    Stimmt, ab 9:00, war mir bei der Verlinkung oben gar nicht mehr gegenwärtig, ich hatte mich nur nur an Frau Dr. Geiger erinnert.

    Die Doku zeigt beim Freihandschütteln eine etwas andere Technik als der Apotheker in Stuttgart. Und zur „Theorie“ sagt Prof. Rolf Daniels (Pharmazeutische Technologie, Uni Tübingen):

    „Traditionelle Homöopathie sagt, dass man zum Erdmittelpunkt schütteln soll. […] Im europäischen Arzneibuch steht davon nichts mehr drin, sondern es geht einfach darum, dass man zehnmal kräftig geschüttelt hat.“

    Er erwähnt dann aber auch das Aufschlagen auf eine harte, aber elastische Unterlage. Prof. Daniels selbst äußert in dem Beitrag nichts Kritisches zu dieser Maßnahme, in der gleichen Szene muss das der Pharmakologe Prof. Peter Ruth (ebenfalls Uni Tübingen) übernehmen: „Das ist Humbug, Scharlatanerie!“.

    Er darf dann später noch in einer Vorlesung die Frage einer Studentin beantworten, weshalb Globuli bei Säuglingen und Tieren „wirken“.

  14. @FrankM

    In meiner 3. Auflage von 1958 des Homöopathischen Arzneibuchs steht das so nicht:

    „… verkorkt und durch zehn kräftige, abwärts geführte Schüttelschläge gemischt.“

    Da ich heute frei habe, kann ich leider nicht im aktuellen HAB nachschauen, aber es würde mich wundern, wenn da nun explizit das Leder erwähnt würde.

  15. Was passiert, wenn man nur 9x schüttelschlägt oder gar 11x? Ich meine, man kann sich ja mal verzählen. Nicht auszudenken.

  16. @Kalle

    Wahrscheinlich muss man nur dran glauben, dass man 10x geschüttelt hat.

  17. Die im SWR-Beitrag gezeigte Praxis in Esslingen meldet sich immer wieder mal zu Wort:

    https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Die-Homoeopathie-gibt-der-Psyche-heilsame-Impulse-391900.html

    Da man inzwischen weiß, dass die Indikationsbreite von Antidepressiva sehr schmal ist und sie bei leichten und mittleren Depressionen praktisch nicht wirken (siehe zuletzt https://www.nature.com/articles/s41380-022-01661-0), muss man sich nicht wundern, wenn Hömöopathika in dem Fall sogar mit den Antidepressiva mithalten können.

  18. @Kalle @Christian Becker

    Die exakte Anzahl der Verschüttelungen sollte kein Problem darstellen, das Wasser wird schon wissen, wie oft es hätte geschüttelt werden sollen, genau wie es weiß, welchen Bestandteil der Biene es sich für welche Anwendung von Apis mellifica C30 hat merken sollen ;-)

  19. @Kalle: Es steht wohl jemand daneben, der sehr detailliert die Schlag-Anzahl erläutert, die 11 scheidet ganz aus und dann kommt was mit nem Kaninchen usw. usf. (Kopfkino läuft)

  20. Omeinspaghettimonster!! Homöopathisch geklopfte Killerkaninchen? Man reiche mir St. Attilas Glaubuligranate!!!

  21. @ borstel:

    Oryctolagus cuniculus C30, warum nicht. Vorher muss man nur klären, wie man die Ursubstanz gewinnt – wie bei der Honigbiene (Schweinkram und vermutlich auch tierschutzrechtlich problematisch) oder wie bei Mondlicht, Elektrosmog oder Plutonium…

  22. Klärung zum Schütteln:

    Die Sache mit dem Erdmittelpunkt ist so etwas wie eine urban legend, eine klar esoterische Anreicherung, die sich irgendwann man in das Gewirr des homöopathischen Gedankenspaghettis eingeschlichen hat. Bei Hahnemann findet sich dazu nichts.

    Sehr wohl findet sich aber die Sache mit dem ledergebundenen Buch – das führt er aber nur als Beispiel an, wie man die „kräftigen Schüttelschläge“ auf eine feste, aber federnde Unterlage ausführen könne.

    Die Zahl der Schüttelschläge ist letztlich willkürlich abgeleitet aus dem Dezimalsystem, ein exakter Grund für diese Abstufungen ist bei Hahnemann nirgends zu finden. Die Homöopathen geraten daher durchaus in Not: es ist ja unter ihnen höchst strittig. ob eine Potenz einer Ursubstanz gegenüber einer anderen nur „stärker oder schwächer“ wirkt oder ob sich das Simile derart verändert, dass es ein anderes Krankheitsbild abdeckt.

    Solange das nicht „entschieden“ ist, wäre ohnehin jeder Therapieversuch durchaus fatal. Wobei dann auch noch die Unterschiedlichkeit der Repertorien hinzukommt … und die Frage einer nicht an Dezimalpotenzen orientierten Verschüttelung bleibt ungeklärt.

    Viele Homöopathen geben zu, dass dies eine offene Frage ist, aber wie so oft erklären sie diese einfach für unwesentlich.

    Das ist auch nicht mehr mit der „Individualität“ der Homöopathie zu rechtfertigen, das sind Systembrüche und Systemlücken, die das ganze Gedankengebäude zu Fall bringen. Man muss schon geistig recht robust sein, um sich ins Gewirr der Widersprüche innerhalb der Homöopathie zu begeben …

  23. Viele Homöopathen geben zu, dass dies eine offene Frage ist, aber wie so oft erklären sie diese einfach für unwesentlich.

    Oder sie fordern mehr Forschung zur Klärung solcher offenen Fragen.

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