Eine Woche vor der Bundestagswahl finden sich André Sebastiani und Holger Marcks auf dem YouTube-Kanal der Skeptischen Gesellschaft zusammen, um über die Brandmauer-Debatte und den Umgang mit der AfD zu reden.
Aus der Videobeschreibung:
Ist die sogenannte Brandmauer zur AfD gefallen? Die CDU, unter Friedrich Merz, hat im Bundestag mit einem Antrag und einer Gesetzesinitiative zur Migrationspolitik eine Welle der Empörung ausgelöst. Große Proteste folgten, und erneut wurde die Frage aufgeworfen: Wie umgehen mit der AfD? In dieser Episode sprechen André Sebastiani und der Soziologe Holger Marcks über die Bedeutung des Begriffs „Brandmauer“, historische Parallelen und die Strategien im politischen Umgang mit der AfD. Welche Effekte haben Brandmauern tatsächlich? Ist eine strikte Ausgrenzung der richtige Weg – oder stärkt sie am Ende sogar radikale Kräfte? Was zeigen wissenschaftliche Studien, und welche historischen Vergleiche sind sinnvoll?
Holger unterteil die Brandmauer-Möglichkeiten in verschiedene Schichten:
- 1. Stufe:
Mit Rechten redet man nicht, sie dürfen keine Plattform in den Medien erhalten etc. Auch Inhalte der Rechten dürfen nicht übernommen werden. - 2. Stufe:
Keine Abstimmung mit rechten Parteien wie der AfD. Die Differenzierung zwischen direkter und indirekter Zusammenarbeit muss beachtet werden. - 3. Stufe:
Kooperation mit rechten Parteien in der praktischen Politik bzw. in der Regierungspolitik. Zusammenarbeit in Ausschüssen/Gremien oder in einer Koalition.
Inhaltsüberblick:
- Vorstellung [ab 0:00 min]
- Zusammenfassung der Brandmauer-Diskussion [ab 1:10 min]
- War die gemeinsame Abstimmung eine Zusammenarbeit? [ab 3:40 min]
- Der Brandmauer-Begriff in der aktuellen politischen Landschaft [ab 12:10 min]
- Die Schichten des Brandmauer-Begriffs [ab 20:20 min]
- Besprechung der Studie Does accomodation work? und der Stufen anhand aktueller Beispiele [ab 27:00 min]
- Bezug zur NSDAP und zur Deutschen Partei [ab 40:20 min]
- Der Asylkompromiss der 90er-Jahre [ab 46:50 min]
- Kann die Brandmauer-Diskussion zu einer Radikalisierung der AfD beitragen? [48:40 min]
- Erklärung des Begriffs „Neo-Links“ [ab 56:10 min]
- Proteste gegen die CDU [ab 58:20 min]
- Polarisierung und Autoritarismus [ab 1:06:30 h]
- Wie Poppers Toleranz-Paradoxon missinterpretiert wird. [ab 1:13:10 h]
- Ausblick auf die BTW [ab 1:19:30 h]
- Postfaktischer Volksverpetzer mehr Faktenverbieger als Faktenchecker [ab 1:24:30 h]
- Schlusswort [ab 1:27:40 h]
Zum Thema:
Interview: Wie Weimar ist die Gegenwart? Jens Bisky über historische Vergleiche, taz vom 16.02.2025
Hinweis:
- Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen: https://skeptisches-netzwerk.de/.
- Falls ihr Ideen, Anregungen oder Empfehlungen habt bzw. selbst ein Gastkapitel für den GWUP-Blog schreiben möchtet, kontaktiert uns unter: blog@gwup.org.
17. Februar 2025 um 17:01
Danke für das interessante Gespräch.
Vielleicht sollten wir unseren Blick etwas von Deutschland abwenden und andere Länder in Bezug auf die Frage, ob eine Brandmauer sinnvoll ist, untersuchen. Aus meiner Sicht ist die Brandmauer eine Absprache unter den demokratischen Parteien, auf keinen Fall mit undemokratischen Parteien zusammen zu arbeiten, um kurzfristig für die eigene Partei einen Erfolg mitzunehmen.
Warum ist es sinnvoll, Verfassungsfeinde aus der politischen Verantwortung fernzuhalten? Nun, die Antwort findet man im Grundgesetz bzw. in dem Konsens, der im Parlamentarischen Rat 1949 gefunden wurde: Niemals soll das passieren was, 1933 möglich war: eine undemokratische Partei kommt mit scheinbar demokratischen Mitteln an die Macht und beseitigt die Demokratie.
Schaut man in Länder wie USA, Polen, Ungarn, (demnächst vielleicht Österreich) so stellt man fest: Rechtsradikale und rechtspolitische Parteien nutzen nach der „Machtergreifung“ sofort alle Möglichkeiten, die Demokratie abzubauen bzw. zu beseitigen: Unabhängige öffentliche Medien werden reduziert oder umgebaut, die Gewaltenteilung wird eingeschränkt oder abgeschafft. Sehr „schön“ gegenwärtig in den USA zu sehen, wo ein Milliardär ohne je Legitimation komplette Staats-Strukturen abwickelt.
Die Republikaner unter Trump haben in den Vereinigten Staaten beide Kammern erobert und in der ersten Amtszeit von Trump wurde bereits der oberste Gerichtshof unter ihre Kontrolle gebracht. Der hat bereits während der Amtszeit vom Vorgänger beschlossen, dass das Handeln eines Präsidenten immer dem Recht entspricht und nicht rechtlich überprüft werden muss.
He who saves his Country does not violate any Law.= Wer sein Land rettet, verstößt gegen kein Gesetz.
Quelle: Trump selbst bei Twitter. https://x.com/realDonaldTrump/status/1890831570535055759
Das ist eine interessante Parallele zu „Der Führer schützt das Recht“ (Carl Schmitt 1934). Schmitt legitimierte damit die Liquidierungen während des sogenannten Röhm-Putsches.
Den Demonstranten gegen rechts ging es vielleicht darum, ihren Mitbürgern aufzuzeigen, dass sie bei dieser Bundestagswahl noch die Möglichkeit haben, Parteien zu unterstützen, die nicht mit der AfD zusammenarbeiten wollen. Vielleicht geht es auch um einen Appell an den Bundestag, ein Verbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten, was ja jederzeit möglich wäre. Der Verfassungsschutz hält sich zwar auf Bundesebene noch bedeckt, was die Einstufung der Bundes-AfD geht, aber angesichts der Bedeutungszuname des sogenannten Flügels unter Höcke und Kubitschek ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die AfD insgesamt oder weitere Landesverbände als verfassungswidrig einzustufen sind.
Aus all dem folgt nicht, dass man nicht mir AfD-Funktionären, -Mitgliedern oder –Wählern offen und lösungsorientiert reden soll, eher im Gegenteil. Man sollte sich aber nicht der Illusion hingeben, dass man damit sehr weit kommt. Die Rhetorik der führenden Leute wirkt teilweise recht geschickt, vermeidet aber jede Konkretisierung im Sinne einer konkret möglichen Problemlösung. Die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten hat diese Rhetorik am 30.1. im Bundestag teilweise übernommen und musste einsetzt feststellen, dass es Grund zum Jubeln nach der Abstimmung über den 5-Punkte Plan nur bei der AfD gab.
Bei allen Gesprächen mit Personen aus der AfD sollte auch beachten, dass viele nicht unbedingt ehrlich sind, wenn sie ihre politischen Ziele erläutern. Stichworte hierzu sind Selbstverharmlosung und Dog Whistling, wofür es viele Beispiele gibt: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-thueringen-hoecke-100.html
Mein Fazit: Reden ja, Zusammenarbeit Nein, Parteienverbot weiter im Auge behalten.
19. Februar 2025 um 11:04
Der Parlamentarismus ist das politische Äquivalent zum Schneeballsystem – wer das mit Demokratie verwechselt, hat einen Hitler mehr als verdient.