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Homöopathie ist raus aus der Weiterbildungsordnung für die Ärzte in Baden-Württemberg

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Jetzt aber endgültig:

Die Zusatzweiterbildung Homöopathie wird aus der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg gestrichen. Das hat die Vertreterversammlung am Samstag in Stuttgart entschieden.

Damit geht ein zweijähriger Verfahrensprozess zu Ende.

Eigentlich war diese Entscheidung schon im Sommer 2022 gefallen (wir berichteten hier). Daraufhin folgte ein „Sperrfeuer aus allen homöopathischen Ecken“ (INH), bei dem unter anderem der grüne Gesundheitsminister Manfred Lucha und über 100 Mediziner aus dem Land mit einem Offenen Brief mitmischten.

Das alles führte zu einer aufwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Beteiligungsverfahren und öffentlicher Anhörung.

Genützt hat es die Globuli-Lobby nichts. Der Beschluss vom 20. Juli 2024 fiel noch deutlicher aus als vor zwei Jahren. Auch Karl Lauterbach findet’s gut.

Jetzt gibt es die Homöopathie-Weiterbildung nur noch in Sachsen und Rheinland-Pfalz.

Zum Weiterlesen:

  • Ärztekammer streicht Homöopathie-Weiterbildung in BW, tagesschau.de am 22. Juli 2024
  • Keine Homöopathie-Weiterbildungen mehr für Ärzte in Baden-Württemberg, spiegel.de am 20. Juli 2024
  • Homöopathie: Keine Evidenz – Die Landesärztekammer BW begründet ausführlich das Aus für die Zusatzweiterbildung, GWUP-Blog am 9. Februar 2024
  • Auch in Baden-Württemberg: Landesärztekammer streicht Homöopathie aus der Weiterbildungsordnung, GWUP-Blog am 25. Juli 2022
  • Homöopathie: Das INH schreibt dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Lucha, GWUP-Blog am 14. August 2022
  • Lucha stellt sich bei Homöopathie gegen Ärzteschaft, aerzteblatt am 2. August 2022
  • Streit um Homöopathie: BW-Ärztekammer hält an Aus für Weiterbildung fest, swr am 21. August 2022

18 Kommentare

  1. Es wird nicht verwundern, wenn wir aus der Sicht der Homöopathiekritik den Abschluss dieses Vorganges im Ländle kaum weniger wichtig nehmen als den Ärztetagsbeschluss vom Mai d.J., der die Homöopathie außerhalb des ärztlichen Kanons verortete – „in der Regel“ jedenfalls.

    Denn dieses Drama versinnbildlichte den Versuch der Homöopathielobby, hier angeführt von einem einflussreichen Landespolitiker, auf einer Art argumentativer Metaebene die Sachargumente gegen die Homöopathie und ihre Rolle im Gesundheitssystem schlicht zu überspielen. Bis in die letzten Tage vor dem bestätigenden Beschluss der LÄK BW konnte man das beobachten.

    Deshalb ein großes Lob für die Delegierten, die dem Beschluss nun zum endgültigen Durchbruch verhalfen, für ihre Standhaftigkeit.

    Wir wissen wohl, dass das faktenfreie Gelärme auf der eben freundlich so bezeichneten „argumentativen Metaebene“ weitergehen wird. Vom „Beliebtheitsargument“ bis hin zur Falschbehauptung, Ziel der Kritik sei ein Verbot oder gar die „Vernichtung“ der Homöopathie.

    Fakt ist aber schon, dass nach und nach immer neue Zacken aus der Krone der Homöopathie brechen. Und keine kleinen. Was Edzard Ernst auch so sieht, er bietet aktuell in einem Blogartikel eine Art Timeline des schleichenden Zusammenbruchs der „offiziellen“ Homöopathie in Deutschland:

    https://edzardernst.com/2024/07/news-from-germany-the-place-for-homeopathy-is-in-the-medical-history-books/

    Übrigens wäre zu wünschen, dass der bundespolitische Einfluss von Minister Lucha angesichts dieser Zurückweisung seiner halbprivaten Pro-Homöopathie-Propaganda schwindet. Aus Gründen.

  2. Eine ehrliche Frage: Welchen bundespolitischen Einfluss hat Manne Lucha denn überhaupt?

    Sein Einstehen für Anthroposophie und Homöopathie ist für die grüne Bundesparteispitze inzwischen eher Peinlichkeit und Problem. So äußern sie sich auch immer wieder ihm gegenüber. Bei der esoterikgläubigen Mitgliedern in der Basis sieht es sicher umgekehrt aus.

    Ich hatte immer den Eindruck, dass Lucha seinen Posten in der Landesregierung in 2016 eher als Belohnung dafür erhalten, ein Direktmandat für die Grünen in Ravensburg gewonnen zu haben. Und ja, er hat vorher mehrere Jahre als Vorsitzender des Arbeitskreises Soziales der Grünen Landtagsfraktion gedient.

  3. Pingback: Gute nachricht des tages | Schwerdtfegr (beta)

  4. @RPGNo1:

    Um über seine Kontakte erpresserische Polit-Deals einzufädeln, reicht der bundespolitische Einfluss wohl noch. Korrigiere: Reichte …

    Im Ländle allerdings – oder besser innerhalb der BW-Regierung – ist er nach wie vor so gut wie unantastbar. Die grüne Parteibasis ignoriert er notfalls, ja, schottet sich komplett gegen die ab.

    Haben wir erlebt, als die evidenzbasierten Grünen versucht hatten, in Sachen Ärztetags-Beschluss bei ihm über die Parteiebene zu intervenieren.

    Kretschmann schützt ihn aus struktur- und wirtschaftspolitischem Opportunismus. Auch über den kommt man an Lucha nicht ran.

    Aber das wirst du selbst wissen.

    Wobei das Tragische ist, dass er sicher überzeugt von seiner Position ist, aber er die Problematik einfach nicht versteht.

    Ich habe ihn Vergleiche bringen hören, was Homöopathie und „Schulmedizin“ angeht, da haben sich mir die Schnürsenkel aufgerollt.

  5. @Udo Endruscheit:

    Sorry Leute, mir ist klar, dass das extrem unwissenschaftlich ist – aber wie soll ich einen erwachsenen Menschen ernst nehmen, der sich als öffentliche Respektsperson („Gesundheitsminister“) selbst „Manne“ nennt und nennen lässt?

    Das kann man im privaten Freundeskreis machen, aber sonst nirgends.

    Das sagt m.E. schon alles aus.

  6. @Udo Endruscheit

    Ich wohne in Ravensburg wie Lucha. ;) Habe ihn aber noch nie live erlebt und sonst nur nebenbei mitbekommen, dass er unserer Firma in 2021 einen Besuch abgestattet hatte, um das firmeninterne Corona-Impfzentrum vorzustellen. Da war er ganz hin und weg. :)

    Was den Rest seines Wirkens in BW angeht, da lag ich mit meiner Einschätzung ja nicht so falsch.

    @Bernd Harder

    Der Spitzname. Oh ja, da meine ich auch schon in diesem Blog virtuell meine Augen gerollt zu haben. Das ist so ein billiges Ankumpeln.

  7. Ich glaube, dass auch viele homöopathisch handelnde Ärzte nicht an eine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus glauben.

    Einmal sagte mir meine Homöopathin damals: „Fahren Sie noch eine Woche mit der Einnahme der xy-Globuli fort.“ Ich: „Oh. Dann habe ich mich verhört. Ich habe z genommen.“

    Darauf sie: „Ach – egal. Die helfen da auch gut.“

  8. @Christine:

    Auch Dr. Natalie Grams hat wiederholt betont, sie sei sicher, dass jeder Homöopath im tiefsten Inneren zweifelt.

    Ich glaube das auch und sehe in dem daraus resultierenden Abwehrmechanismus sich selbst gegenüber eine der Ursachen für die teils unglaubliche Faktenresistenz und Uneinsichtigkeit der eingefleischten Anhänger.

    Aber natürlich gibt es auch die Pragmatiker, aber die sind nicht besser: Denn sie handeln auch noch gegen eigenes besseres Wissen aus rein praktischem Opportunismus. Statt den Leuten zu sagen, dass bei ihnen keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt, machen sie es sich bequem nach dem Motto „Hilfts nicht, so schadets nicht“ – und haben ihre Ruhe.

    Ich würde deine Homöopathin in gewisser Weise der zweiten Kategorie zuordnen. Das spontane Eingeständnis, es sei eh egal, welche Globuli eingenommen werden, ist aber sehr ungewöhnlich. Würde einem Homöopathen der ersten Kategorie nicht unterlaufen – und auch den allermeisten der zweiten Kategorie nicht.

    Woraus man eigentlich schließen muss, dass deine Homöopathin dich damals nicht wirklich ernst genommen hat mit deinem Anliegen.

    @ Bernd Harder:

    Gebe dir völlig recht. Ich lache jedes Mal innerlich, wenn ich das „Manne“ höre oder lese. Ich vernahm allerdings, dass er durchweg auf dieser Anrede besteht, denn er sieht darin wohl so etwas wie ein Markenzeichen. Wie Made in BW oder so.

  9. @Udo Endruscheit

    Da ich parallel evidenzbasiert von ihr behandelt wurde war mein Verdacht, dass sie der Schulmedizin eigentlich mehr mehr vertraute und doch stark auf den Placeboeffekt setzte.

    Um von besagter Homöopathin behandelt zu werden, kamen Patienten von weit her. Was auf mich den Effekt hatte anzunehmen, dies könnte nur ihren Erfolgen mit der Homöopathie zuzuschreiben sein.

    Gerade gestern wurde mir in einer chirurgischen Praxis unterschwellig von einer Arzthelferin suggeriert, ich möge Arnika Globuli nehmen. Das könne die Wundheilung unterstützen. Ich fragte nach, ob denn sonst wohl zu erwarten sei, dass die Wunde schlechter heilt. – Nein, Arnika sollte nur den Heilungsprozess fördern…

    Ich habe an der Stelle nicht weiter versucht das Paradoxon zu lösen…

  10. @Christine:

    Nur in gefestigter geistiger Verfassung über homöopathische Paradoxien nachdenken! Wie man bei „Susannchen braucht keine Globuli“ lesen kann:

    „Die Logik der Homöopathie ist eine nicht endenwollende Kreiselbewegung auf schwankendem Boden.“

    Ein wichtiger Mechanismus bei der Homöopathie ist die wechselseitige Selbsttäuschung von Therapeut und Patient, die beide schnurstracks tief in den Kaninchenbau führt. Natalie Grams hat gelegentlich erzählt, dass sie Patienten hatte, die zweimal jährlich aus den USA zu ihr kamen, manchmal nur, um sich zu vergewissern, dass ihre derzeitigen Globuli noch die richtigen seien.

    Sie hatte sich dadurch aber eher nicht bestätigt gefühlt, sondern fand das schon eher beängstigend …

    Ob das in diesem Fall schon eine psychische Abhängigkeit war – schwer zu sagen. Aber eine solche gibt es durchaus. Immer wieder hört man Geschichten von irgendwelchen Leutchen, die sich bei den steigenden Lebenshaltungskosten ihre monatlichen 400 Euro für Globuli vom Munde absparen müssen … und die sind nicht immer, aber oft genug echt.

  11. @Udo Endruscheit

    Ich fand einiges an Lektüre über Homöopathie beruhigend. Diejenigen, die mir von oben herab mitteilten: „Ist nur Zucker! Kann nicht wirken.“, haben mich nie überzeugen können. Denn DASS es „wirkte“ merkte ich ja – auch wenn es nur um den Placeboeffekt ging.

    Ich fing nach dem besagten Vorfall an zu zweifeln, ging aber weiter zu der Homöpathin. Diese half mir in medizinischer Sicht tatsächlich- schrieb dies aber mehr der homöopathischen Begleitung zu.

    Trotzdem: Das war der Zeitpunkt wo ich weiter recherchierte. Mir fiel auf, dass gut argumentierende Skeptiker unsachlich angegriffen wurden. Während, von einigen Ausnahmen abgesehen, die Skeptiker nicht ad hominem dissten.

    Ich habe mit Homöopathie nichts mehr am Hut, habe viel von Ihnen, Natalie Grams, Holm Hümmler und einigen mehr gelesen.

    Und trotzdem: Manchmal denke ich automatisch an mein „Konstitutionsmittel“. Und war froh zu lesen, dass es anderen „Aussteigern“ ähnlich geht.

  12. Könnte mir jemand den Hintergrund von „Manne“ erklären? Danke :-)

  13. @Ich:

    Soll wohl für „Manfred“ stehen.

  14. @Bernd Harder

    Danke.

  15. Als Rheinland-Pfälzer interessiert mich, warum es hier (und in Sachsen) diese Fortbildung noch gibt?
    Ist es nur eine Frage der Zeit, oder kann es passieren, dass sich hier nichts ändert?

  16. @Frank:

    Wie sagt man hierzulande so schön in solchen Fällen?

    Tja.

    Wir waren und sind ja nicht völlig uninformiert über die Entwicklungen in den LÄK. Was Sachsen betrifft, so wissen wir, dass der dortige Vorstand seit langem eine klare Haltung zum Thema hat, es aber bislang für taktisch nicht angezeigt hielt, sie bei den Landesdelegierten der Kammer zur Abstimmung zu stellen.

    Da gibt es aber möglicherweise in Bälde eine Entwicklung.

    Rheinland-Pfalz und (ja, die fehlen auch noch, werden oft vergessen) Westfalen-Lippe sind allerdings auch für uns weitgehend „Black Boxes“, zu denen uns jede Grundlage für eine Prognose fehlt.

    Man muss allerdings sehen, dass in Anbetracht von 14 Landesärztekammern plus Bundesärztekammer, die sich längst von Weiterbildung in Homöopathie und dem Erwerb der entsprechenden Zusatzbezeichnung verabschiedet haben, eine erstaunliche Beharrlichkeit notwendig ist, um die Rolle des gallischen Dorfes weiter zu spielen.

    Auch mit Blick auf die klare Linie und die Konsequenz der Nachbarn aus Baden-Württemberg und das Verdikt des Bundesärztetages gegen die Homöopathie als Teil des ärztlichen Kanons im Beschluss vom 10. Mai 2024.

    Insofern, ja, mag das bei diesen beiden letztlich auch nur noch eine Frage der Zeit sein. Aber mehr Prognose haben wir auch nicht zu bieten.

  17. Moin,

    ich darf zum Glück korrigieren:

    „Meine“ Ärztekammer Westfalen-Lippe hat in der Kammerversammlung vom 17.06.23 einen Antrag auf „Nicht-Streichung der Zusatzweiterbildung“ Homöopathie mit deutlicher Mehrheit abgelehnt, in der aktuellen Fassung der Weiterbildungsordnung vom 17.06.23, in Kraft getreten am 01.05.24, ist die Homöopathie nicht mehr enthalten.

    LG FlyDoc

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