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Kortizes-Vortragsvideo: „Falsche Erinnerungen und ihre Folgen“ mit Aileen Oeberst

| 16 Kommentare

Der Kortizes-Vortrag

Gedächtnis und Wirklichkeit – Falsche Erinnerungen und ihre Folgen

mit der Psychologin Prof. Aileen Oeberst ist jetzt online:

Menschen können sich an Dinge „erinnern“, die nie geschehen sind. Solche falschen Erinnerungen (engl. „false memories“) verursachen in forensischen Situationen enorme Probleme.

Oeberst ist auch in der Vollbild-Doku

Undercover in Heilpraktiker-Schule: Alptraum statt Ausbildung?

zu sehen, über die wir hier berichteten.

Ein Interview mit der Psychologin und Gedächtnisforscherin gibt’s im nächsten Skeptiker.

Zum Weiterlesen:

  • Alptraum Heilpraktiker-Schule: Falsche Erinnerungen an Missbrauch in der Familie, GWUP-Blog am 9. Mai 2023
  • Replicating a classic false memory study: Lost in the mall again, skeptic.org am 10. Mai 2023
  • Interview mit Aileen Oeberst: Falsche Erinnerungen – „Das kann in katastrophalen, falschen Erinnerungen münden“, Zeit-Magazin am 27. Mai 2022
  • Studie von Aileen Oeberst: Rich false memories of autobiographical events can be reversed, Proc Natl Acad Sci USA, 2021 Mar 30
  • Viele Denkfehler folgen demselben Prinzip, spektrum am 5. Mai 2023
  • Falsche Erinnerungen lassen sich rückgängig machen, bdw am 23. März 2021

16 Kommentare

  1. Ein interessanter Vortrag. Mich beschäftigt das Thema ja sehr und ich bin immer dankbar über jedes neue Stückchen Information.

    Was diese verdrängten Erinnerungen angeht, die angeblich nicht erinnert werden KÖNNEN und dann aufgedeckt werden, nun, mir wurde das damit erklärt, dass es sehr wohl erinnert wird, jedoch drängt man selbst die Erinnerungen unter hohem Kraftaufwand zurück.

    Sprich, man erinnert sich durchaus, aber bekämpft aktiv, wenn auch nicht unbedingt bewusst die Erinnerungen und Intrusionen.

    Ein Therapeut kann daher auch nichts finden, ein Therapeut kann lediglich helfen nicht mehr gegen die eigenen Erinnerungen anzukämpfen.

    Was manchen Leuten auch nicht ganz klar zu sein scheint ist, dass Intrusionen an traumatische Ereignisse sehr diffus sein können, vor allem wenn sie mit Phänomenen wie Derealisation/ Depersonalisation oder stark regressiven Persönlichkeitszuständen einhergehen.

    Fand und finde ich eine logische Erklärung für gewisse DIS Symptome und den Eindruck, man erinnere etwas plötzlich zum ersten Mal.

    Was ich sagen möchte ist, selbst bei Diagnose DIS ist viel an Erinnerungen vorhanden und Betroffenen ist mit Phantastereien nicht geholfen.

  2. @Yvonne:

    Die Verdrängung ist ein fossiles Konzept aus der Freudschen Märchenwelt (ok, ich spitze hier etwas zu, aber im Kern stimmt das schon). Hat sich als eine Art soziokulturelles Meme erhalten, oder – wie False Memory Deutschland es treffend ausdrückt – als „psychologische Folklore“.

    https://www.false-memory.de/wissenschaft/verdraengung/

    Frau Prof. Oeberst lässt ja im Vortrag keinen Zweifel daran, was sie aus wissenschaftlicher Sicht vom Konzept einer „Verdrängung“ hält, insbesondere von einer „Verdrängung“ traumatischer Erlebnisse.

    Nämlich gar nichts, zumal belegt ist, dass gerade Traumata in aller Regel sehr (zu) gut von Betroffenen erinnert werden.

    Freud geistert immer noch in der Psychologie herum mit seinen erdachten Narrativen, vor allem aber in der kollektiven Wahrnehmung. Wer glaubt nicht, zu „Verdrängung“, zum „Ödipuskomplex“ oder ganz generell zur These, psychische Störungen entstünden praktisch alle im Kindesalter, etwas zu „wissen“ …

  3. Pingback: De linke weekendbijlage (19-2023) - Kloptdatwel?

  4. @Udo Endruscheit

    Ich verstehe Ihre Antwort gerade nicht recht.

    In Ihrem Link finde ich folgende Erklärung: „absichtliches Vergessen oder ein absichtliches Vermeiden, sich mit etwas zu befassen, was zum Vergessen führt. Diese Definition steht auf dem Boden der Gedächtnispsychologie.“

    Das ist doch eben der Kampf gegen die eigenen Erinnerungen, den ich meine. Wenn ich schreibe, dies erfolgt nicht bewusst, so meine ich, es erfolgt nicht mit dem fest gesetzten Plan, eine Erinnerung zu vermeiden, sondern man macht es zwar aktiv, aber nicht geplant und gezielt.

    Traumata werden in der Regel erinnert, aber das bedeutet nicht, dass man nicht versucht die Erinnerungen auf Teufel komm raus zu vermeiden. ich schaffe das durchaus immer wieder und dann fällt es mir, gefühlt das erste Mal, wieder ein.

    Unter anderem deswegen beschäftigt mich das Thema ja so. Weil ich es sehr anstrengend finde, dass mein Gedächtnis derart variiert.

  5. @Yvonne

    Ich sehe da keinen Widerspruch.

    Mir ging es darum, einem generellen psychologischen Topos „Verdrängung“ entgegenzuhalten, dass ein „psychischer Mechanismus“ oder „Automatismus“ in Anlehnung an Freud dazu nicht existiert.

    Gerade das Umgekehrte, dass Traumata ZU sehr erinnert werden (ich kann da auch ein Lied von singen) und man dies zu vermeiden sucht, ist etwas anderes als der Begriff der Verdrängung, wie er im Schlepptau der Freud’schen Vorstellungen immer noch als „psychologische Folklore“ in den Köpfen herumschwirrt.

    Und eben diese Bedeutungszuschreibung für „Verdrängung“, die, wie False Memory ausführt, die einzige ist, die auf dem Boden der Gedächtnistheorie steht, muss eben von den „alten folkloristischen“ Begriffen abgegrenzt werden.

    Darum ging es mir. Mit Freuds Narrativen hat all das nichts (mehr) zu tun.

    Eine Frage sauberer Begriffsdefinition. Umso wichtiger, als in der Allgemeinheit meist immer noch der „Freudsche Automatismus“, das „Verschieben“ in die Schublade des „Unbewussten“, mit dem Begriff der Verdrängung verbunden wird.

  6. @Udo Endruscheit

    Danke, jetzt hab ich es verstanden. Mir war nicht ganz klar, ob ich richtig verstanden wurde.

    Freud wird leider auch noch herangezogen in der Ausbildung im pädagogischen Bereich. Ich verstehe das nicht, wo doch klar ist, wieviel an seinen Deutungen lange widerlegt ist. Freud scheint vielen sehr wichtig zu sein, bloß nicht antasten. Aber warum eigentlich?

    Das dümmste Zeug zum Thema Erinnerungen scheint mir allerdings aus einem bestimmten Kreis von Traumatherapeuten zu kommen.

    Meines Erachtens ist da eine ordentliche Portion Sensationsgeilheit dabei. Ich bin absolut überzeugt davon, dass Menschen, deren Krankheitsbild mit einem hohen Maß an Inkohärenz des Ich einhergeht, sehr anfällig sind für eingeredete Erinnerungen und auch dafür, hunderte Ichs zu entwickeln in der Therapie.

    Es ist einfach unglaublich verantwortungslos, was da passiert.

    Ich weiß auch nichts davon, dass echte Amnesien sich durch Therapie aufösen könnten.

    Mein Eindruck ist mittlerweile, es gibt Menschen denen nur das Schlimmste, Schrecklichste und Grausamste gut genug ist als Erklärmodell. Missbrauch reicht da nicht, es muss schon satanischer Missbrauch mit Kannibalismus und Folterorgie sein.

    Es reicht auch nicht, dass Missbrauchsopfer schwere psychische Störungen haben, nein, nur der Zerfall in hunderte und tausende Personen und Programmierungen etc ist gut genug. Was für eine Menschenverachtung!

  7. Herrlich: Die „Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie“ fordert eine

    … transparente und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Thematik und den diesbezüglich bestehenden Wissenslücken mit dem Ziel, einen wissenschaftlich konstruktiven und fachlichen Dialog zu führen, um Patient:innen best- und schnellstmöglich unterstützen zu können.

    Wäre sicher ein guter Anfang, wissenschaftliche Erkenntnisse mal anzuerkennen und nicht zu leugnen.

    https://www.degpt.de/aktuelles/aktuelle-themen/stellungnahme-zur-aktuellen-diskussion-ueber-sexualisierte-gewalt-in-kindheit-jugend-in-organisierten-rituellen-strukturen/

  8. „Wäre sicher ein guter Anfang, wissenschaftliche Erkenntnisse mal anzuerkennen und nicht zu leugnen.“

    Ja, das wäre eine gute Idee. Einfacher ist es jedoch Kritikern vorzuwerfen, sie seien polemisch und machen die Situation für Betroffene von Missbrauch noch schwieriger.

    Eine gute Therapie zu erhalten ist sowieso ein Glücksfall und wenn gewisse traumatherapeutische Ansätze weiter verbreitet werden, dann wird es irgendwann ein Ding der Unmöglichkeit.

  9. @Yvonne

    „Freud wird leider auch noch herangezogen in der Ausbildung im pädagogischen Bereich. Ich verstehe das nicht, wo doch klar ist, wieviel an seinen Deutungen lange widerlegt ist. Freud scheint vielen sehr wichtig zu sein, bloß nicht antasten. Aber warum eigentlich?“

    Die Erziehungswissenschaft war lange einer geisteswissenschaftlichen Tradition verhaftet und hat ihre Wendung hin zu empirischen Methoden deutlich später vollzogen als die anderen großen sozialwissenschaftlichen Fächer Soziologie und v.a. Psychologie.

    Zum Teil ist die geisteswissenschaftliche Verwurzelung in pädagogischen Studiengängen bis heute spürbar. Die Psychoanalyse, wenn auch von einem Mediziner entwickelt, basiert in ihren Grundannahmen nicht auf einer empirischen Hypothesenprüfung.

    Gleichzeitig wurden viele pädagogische/erziehungswissenschaftliche Fragestellungen, etwa zur Subjektgenese, kindlichen Entwicklung oder familialen Erziehung, durch psychoanalytische Erklärungsansätze informiert.

    Das könnten u.a. Gründe für die Weiterexistenz psychoanalytischer Denktraditionen in manchen pädagogischen Ausbildungsgängen sein.

  10. Ist es denn wirklich so, dass sich durch die bisherige Aufklärung über SRA-/MindControl-Verschwörungsnarrative die Situation von DIS-Patient*innen bzgl. der Therapiekapazitäten derart verschlechtert hat oder handelt es sich dabei lediglich um ein Kampfargument von Verfechter*innen dieser Verschwörungserzählung?

    Es ist generell schwierig, einen Psychotherapieplatz zu finden, unabhängig von der Diagnose, und Plätze bei speziell traumatherapeutisch ausgebildeten Therapeut*innen waren schon immer rar.

    Angenommen die Behauptung trifft zu, stellt sich allerdings auch die Frage, wieso es für diejenigen, die darüber klagen, erstrebenswert sein sollte, von verschwörungsgläubigen Therapeut*innen behandelt zu werden – mit dem hohen Risiko einer Fehlbehandlung inkl. Verschlechterung der Symptomatik?

  11. @Purkinjezelle

    Danke für die Antwort. Es war eigentlich mehr eine rhetorische Frage, aber ich hab mich trotzdem gefreut.

    Meines Erachtens sind die Lehrpläne veraltet, zumindest hier in Bayern und Freud hat einen Sonderstatus, den ich einfach nicht nachvollziehen kann.

    Heute wird das unterrichtet, was ich vor über 25 Jahren gelernt habe und neuere Erkenntnisse nur bedingt aufgenommen. Das Phasenmodell der kindlichen Entwicklung beispielsweise ist nicht klein zu bekommen.

    Ich sehe das auch im Bereich Ernährung, wo alles einfach überholt ist. Andere Fächer kann ich nicht beurteilen.

    Was die DIS Patienten angeht, naja, ist jetzt nur meine Meinung, aber ich denke da kommen mehrere Punkte zusammen.

    Es ist ein seltenes Störungsbild und schwer abgrenzbar von Borderline zum Beispiel.

    Vergleiche auch hier:

    https://dissoziationen.de/news/der-schmale-grat-zwischen-borderline-dis/

    Dann wird das Störungsbild in bizarrer Art und Weise zu etwas Besonderem gemacht, das einer ganz speziellen Therapie durch ganz besondere Therapeuten erforderlich macht. Da wird momentan ziemlich Wind gemacht, um diese Behauptungen aufrecht zu erhalten.

    Dissoziative Störungen brauchen, so wie jede andere auch, gute, fachkundige Theras und individuelle Begleitung. Das wollen halt die speziell geschulten Theras nicht akzeptieren, denn damit verlieren die ihren Status des Besonderen.

    Die Schweiz wird ja als Beleg angeführt, aber meines Wissens sind die betroffenen Kliniken derzeit damit beschäftigt, das Thema aufzuarbeiten und ich hab letztens von einer Fortbildung in Münsingen gelesen. Da wird in der Bubble rumphantasiert, man bekäme nie wieder Hilfe.

    Ich hab die Diskussionen teilweise mitgelesen und die Behauptungen, die da aufgestellt werden…äh, naja, Realitätsverweigerung trifft es ganz gut.

    Mir kommen diese Therapeuten mit ihren Patienten vor wie Stars mit ihren Fans.

  12. @Yvonne

    „Meines Erachtens sind die Lehrpläne veraltet, zumindest hier in Bayern und Freud hat einen Sonderstatus, den ich einfach nicht nachvollziehen kann. Heute wird das unterrichtet, was ich vor über 25 Jahren gelernt habe und neuere Erkenntnisse nur bedingt aufgenommen. Das Phasenmodell der kindlichen Entwicklung beispielsweise ist nicht klein zu bekommen“

    Das kann ich für meine Hochschule (außerhalb von Bayern) zum Glück nicht bestätigen.

    Die verpflichtenden Lehrveranstaltungen in der Erziehungswissenschaft zu Entwicklungs-, Motivations-, Lernpsychologie und ausgewählten klinischen Störungsbildern (u.a. AD(H)S, Autismus-Spektrum-Störungen) werden sämtlich vom Fachbereich Psychologie organisiert.

    Freud spielt dort gar keine Rolle. Auch nicht in den Studiengängen der Sozialen Arbeit an der örtlichen Fachhochschule.

    Zu den Therapieplätzen:

    Was Du beschreibst ist gerade das, was ich meinte.

    Es scheint mir weniger eine Sorge um fehlende Therapie-/Hilfeangebote zu sein, sondern vielmehr ein Dramatisieren der Situation, mit dem Bestreben den status quo innerhalb dieser Szene zumindest aufrechtzuerhalten, besser noch das SRA-/MindControl-Narrativ in weiteren Bereichen und Institutionen des Systems therapeutischer und sozialpädagogischer Hilfen zu etablieren.

  13. @Purkinjezelle

    Gut zu lesen, dass es nicht überall so läuft.

    Hier weiß ich es für die FOS Sozialwesen und die Berufsfachschulen für Kinderpfleger und Erzieher. Irgendwie hängt man da am Phasenmodell und unterrichtet es aktuell immer noch. Zu Studiengängen habe ich keinen aktuellen Ist-Stand.

    Ich plane gerade meine Weiterbildung, dann sehe ich ja, wie das weitergeht.

    Das mit den Therapieplätzen ist zumindest meine Erfahrung in der Bubble. Die Realität ist da nicht immer beliebt.

  14. Die DGTD hat ebenfalls eine Stellungnahme herausgebracht … war mir bisher nicht bekannt und es steht leider auch kein Datum dabei. Tippe auf Anfang Mai (laut Wayback Machine war es am 8. Mai schon auf der Seite)

    https://www.dgtd.de/aktuelles

  15. Selbst noch nicht ganz gehört, allerdings geht, laut Beschreibung, der Beitrag auch auf die Satanic Panic ein und Frau Oeberst ist ebenfalls mit am Start

    Podcast „Mordlust“, #122 Memento

    https://plus.rtl.de/podcast/mordlust-2hfkwvvqeib1b/neue-folge

  16. Durch Zufall gesehen, dass im Januar noch ein Artikel von Merle Madita Wachendörfer und Aileen Oeberst erschienen ist.

    Wachendörfer, Merle & Oeberst, Aileen. (2024). Differences Between True and False Autobiographical Memories: A Scoping Review. European Psychologist. 10.1027/1016-9040/a000513.

    https://www.researchgate.net/publication/377474964_Differences_Between_True_and_False_Autobiographical_Memories_A_Scoping_Review

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