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Neu im „Spiegel“: Deutscher Hebammenverband distanziert sich von Homöopathie

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Zum Welt-Hebammentag gestern rührte die DHU kräftig die Werbetrommel für ihre Globuli:

In der Tat buhlen „die Hersteller homöopathischer Arzneimittel besonders schamlos um junge Patienten und deren Mütter und Väter“, schreibt der Medizinjournalist Hinnerk Feldwisch-Drentrup im neuen Spiegel (19/2023).

Sogar in die S3-Leitlinie „Die vaginale Geburt am Termin“ hat der Satz (Seite 85)

In Deutschland wird Homöopathie in der Geburtshilfe häufig angewandt – umso dringender werden aussagekräftige Studien benötigt.

Eingang gefunden.

Wozu werden da welche Studien benötigt?

Feldwisch-Drentrup weist darauf hin, dass es sich bei den „sanften“ und „natürlichen“ Zuckerkügelchen um wirkungslose Scheinmedikamente handelt. Das sieht mittlerweile auch der Deutsche Hebammenverband so:

Was ist passiert?

Seit 2020 werden angehende Geburtshelferinnen bundesweit nur noch an Hochschulen ausgebildet – nicht mehr wie bisher an Hebammenschulen. Mit der Verlagerung der Ausbildung an die Hochschulen hat sich auch das Verhältnis der Hebammen zur Homöopathie verändert.

Allerdings verweist auf Spiegel-Anfrage eine Reihe von Ärzten und Krankenhäusern auf den Placebo-Effekt der Homöopathie, den „jeder erfahrene Kliniker zu schätzen“ wisse, so eine Sprecherin des Ulmer Universitätsklinikums.

Dass das reichlich zu kurz gedacht ist, macht Feldwisch-Drentrup an zwei Punkten deutlich.

Erstens wecke diese Einstellung „haltlose Erwartungen“ an die Homöopathie. Und zweitens ist die Geburt „oft nur der Einstieg in die Welt der Homöopathie“.

Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte und selbst Arzt, sagt, aus wissenschaftlicher Sicht sei Homöopathie „in keinem Gebiet sinnvoll“. Ein guter wissenschaftlich arbeitender Arzt brauche keine Globuli für Schnupfen – „sondern ich brauche in dem Fall einfach gar kein Medikament“.

Dau noch der Hinweis:

Bei der SkepKon in Frankfurt referiert Annika Harrison am 19. Mai zum Thema

Zwischen Bernsteinketten und Himbeerblättertee: Ein skeptischer Ausflug zu Geburtsmedizin, Schwangerschaftsbetreuung und Kleinkindzeit

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Zum Weiterlesen:

  • Wie Eltern in die Homöopathie getrieben werden, spiegel+ am 5. Mai 2023
  • Gesund ins Leben starten: eine neue Broschüre für junge Eltern, GWUP-News am 24. April 2017
  • Homöopathie und Hebammen, GWUP-Blog am 23. Oktober 2019
  • Kritischer Homöopathie-Artikel in Hebammen-Zeitschrift, GWUP-Blog am 2. Juli 2020
  • Homöopathie: Eine kritische Analyse in der „Monatsschrift Kinderheilkunde“, GWUP-Blog am 7. Januar 2020
  • Grams‘ Sprechstunde: Hebammen – Enge Vertraute, detektor.fm am 16. September 2021
  • Heiße Luft für Hebammen, BlooDNAcid am 15. März 2013
  • Globulisierung des Kreißsaals, Süddeutsche am 5. Juni 2018

13 Kommentare

  1. Ein lesenswerter – und erschreckender – SPIEGEL-Artikel über gedankenlose Praktiken auch an deutschen Universitätskliniken.

    Möge er dazu beitragen, dass die Frauen künftig wenigstens öfter korrekt darüber aufgeklärt werden, dass sie ein Placebo erhalten.

  2. Meine Hebamme hatte damals Wala Medikamente empfohlen, also anthroposophische Medizin.

    Kann mir jemand sagen, ob Wirkstoff in ihnen enthalten ist? Ich habe nur gefunden, dass sie anders als Homöopathie funktionieren sollen, meine aber, sie sind auch sehr stark verdünnt.

  3. @Yvonne:

    Der Punkt ist ja gar nicht, ob „Wirkstoffe“ enthalten sind (viele Anthroposophika sind niedrig potenziert, „enthalten“ also noch etwas).

    Der Punkt ist, ob etwas WIRKSAMES in ihnen enthalten ist, die Anthroposophie also über eine valide Methode verfügt, Stoffe zu identifizieren, die spezifisch wirksam bei bestimmten Beschwerden ist.

    Hat sie sowas? Nein. Anthroposophie ist Analogiezauber reinsten Wassers, so ist z.B. die assoziative Verbindung mit „Planetenmetallen und -pflanzen“ maßgeblich für die „Mittelwahl“.

    Zumeist ist das Zeug giftig, daher hielt Steiner es auch für geboten, bei der Homöopathie die Anleihe der „Potenzierung“ (= Verdünnung) zu machen. An die Stelle rituellen Verschüttelns setzte er eine Reihe anderer Rituale (energetische Aufladung durch Sonnenbestrahlung z.B.).

    Ansonsten kann man nur konstatieren: war Hahnemann in den Grenzen der Erkenntnisse seiner Zeit tatsächlich um Wissenschaftlichkeit bemüht, hat Steiner 100 Jahre später (als die wissenschaftliche Medizin bereits ziemliche Erfolge hervorbrachte) mit seiner okkulten Hellseherlehre noch einen draufgesetzt mit seinem Rückgriff auf pure Esoterik und Okkultismus.

    Die einschlägigen Hersteller sorgen übrigens ganz bewusst dafür, dass der Konsument in die Irre geführt wird. „Auch sei die Werbung weiterhin so geplant, dass für alle pflanzlichen, homöopathischen und anthroposophischen Stoffe mehrere Lesarten der Produkte möglich seien.“ (Weleda-Geschäftsführer, 2010).

    Kurzer Abriss dazu:

    https://susannchen.info/homoeopathie-und-anthroposophie-geht-das-zusammen/

  4. Danke Matthias und Schwarzleser, da schau ich gleich nach.

    Ich hatte das damals ignoriert, da ich die Anthroposophie fürchterlich finde. Es kam mir bei dem Artikel jedoch wieder ins Gedächtnis.

  5. @Susannchen

    Auch dir vielen Dank!

  6. Natürlich wissen wir um all das, was der Spiegel-Artikel so anschaulich schildert. Was er aber über „Homöopathie ist Unsinn“ hinaus noch geradezu schmerzhaft verdeutlicht:

    Ein verheerendes Unwissen von medizinischem Fachpersonal bis hin zu großen Kliniken über die kaum überwindbaren medizinethischen Hürden, die der geschilderten Praxis entgegenstehen.

    Die gibt es bei jeder homöopathischen Behandlung. Das ethische Problem wächst aber ins Unerträgliche, wenn Gebärenden im Geburtsvorgang ungefragt oder gar gegen ihren vorher geäußerten Willen Globuli verabreicht werden.

    So richtig verwickeln sich die leichtherzigen Apologeten der Zuckerkugel im Kreißsaal aber in das ethische Grundproblem der Gabe unwirksamer Mittel ohne informed consent (informierte Einwilligung), wenn sie das auch noch mit dem Placeboeffekt rechtfertigen wollen.

    Der wird a) meist überschätzt und b) kann nicht via Rezept bestellt werden und ist bei JEDER Behandlung und Zuwendung da. Die Homöopatie hat ihn nicht gepachtet – im Beitrag lesen sich einige Statements aber genau so.

    Unerträglich. Und auch noch getränkt von Unverständnis von Hahnemanns Homöopathie.

    Offenbar werden hier stets pauschal indikationsbezogene Mittelchen gegeben, deren „Auswahl“ der „Erfahrung“ der Hebammen bzw. der Kliniker entspringt. Das hat mit Homöopathie eigentlich gar nichts zu tun.

    Und ob mal jemand darüber nachgedacht hat, dass Homöopathie bei starken akuten Schmerzen und Angstzuständen hochproblematisch ist, weil nach Ansicht der Homöopathen u.U. eine Erstverschlimmerung zu erwarten sei?

    Erschreckend. Unwissen, Gedankenlosigkeit, Selbstüberschätzung, Missachtung wissenschaftlicher Grundprinzipien und das weitgehende Fehlen von Reflexionsfähigkeit – all das zeigt uns dieser Bericht aus der Globulihölle. Und all das zu Lasten besonders vulnerabler Patientinnen.

    Über die Grundlagen des Irrsinns Homöopathie aufzuklären, reicht ganz offensichtlich nicht. Offenbar muss man Teilen der medizinischen Fachberufe noch erklären, was der Placeboeffekt ist und was er nicht ist – und ein Auffrischungskurs in Medizinethik wäre wohl auch dringend notwendig.

  7. Auch auf dem Homöopathie-Kongress 2023 geht es wieder um den Einsatz von Homöopathika rund um die Geburt und auch die Hebammen werden wieder umworben:

    https://2023.homoeopathie-kongress.de/programm-2023/kongressthema/

    Hinnerk Feldwisch-Drentrup wird man wohl bei diesem Kongress nicht zur Diskussion einladen.

  8. Is echt schlimm – ich bin werdender Vater und habe mit meiner Frau richtig zu tun gehabt, eine schwurbelfreie Hebamme zu finden. Am Ende ist es eine zumindest nicht ganz so schlimme Schwurblerin geworden, Kinesiotape und Osteopathie bietet sie trotzdem an.

    Is auch schon heftig, wie werdenden Eltern alle möglichen Sachen untergejubelt werden sollen – die machen sich halt noch richtig viele Gedanken.

  9. @ sinister

    Ich fürchte, es wird dir nicht helfen, aber ich kenne eine absolut schwurbelfreie Hebamme hier in Wien.

    Es gibt sie also. Alles Gute deiner Frau.

  10. Wie konnte das bloß passieren?

    https://www.volksverpetzer.de/aktuelles/die-maus-pseudowissenschaft/

    „Am 3. Oktober können 40 Kinder im Alter von 6 – 12 Jahren eine „spannende Schatzsuche“ in der Globuli-Produktion erleben. “

    Eigentlich hat mir die Sendung mit der Maus immer gefallen.

  11. @Christine

    “Nach Homöopathie-Hersteller: „Sendung mit der Maus“ macht Türöffnertag bei Enkeltrickbetrügern“

    https://www.der-postillon.com/2023/10/turoffner-enkeltrick.html

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