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Meditonsin: Gericht untersagt Werbung mit falschen Gesundheitsversprechen

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Das nennt man irreführende Werbung:

Das Landgericht Dortmund sieht „keine ausreichende Evidenz“ für bestimmte Marketingaussagen zu dem homöopathischen Erkältungsmittel Meditonsin, teilt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit. Die auf der Webseite genannte Studie von Medice (eine „apothekenbasierte Beobachtungsstudie“) überzeugte das Gericht nicht.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte den Arzneimittelhersteller wegen irreführender Werbeaussagen abgemahnt und verklagt:

Denn durch die Werbung entstand der falsche Eindruck, dass nach der Einnahme eine gesundheitliche Verbesserung mit Sicherheit erwartet werden könne, keine Nebenwirkungen zu erwarten seien und das Mittel „chemisch-synthetischen Arzneimitteln“ überlegen sei.

Das Landgericht Dortmund hat die Unzulässigkeit der abgemahnten Werbeaussagen am 23. September bestätigt. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

Zum Weiterlesen:

10 Kommentare

  1. Eine sehr gute Nachricht!

  2. Eine schöne Ironie ist dabei, dass offenbar nach Auffassung des Gerichts das Konzept der homöopathischen „Erstverschlimmerung“ die Behauptung, Homöopathie sei nebenwirkungsfrei, konterkariert.

    Klassischer Fall von Schuss ins Knie, würde ich sagen. Es wird nur leider die Gläubigen nicht irritieren…

  3. Gute Nachricht. Geht es mit Neurexan weiter? ;)

  4. Ich sehe da einen Wermutstropfen. Es wird nur reklamiert, dass Hilfe in ALLEN Fällen versprochen wird. Unsinn ist aber, dass überhaupt versprochen wird.

    Mag vielleicht daran liegen, dass ersteres einfacher juristisch handhabbar ist.

  5. Das hier ist nun ein ziemlicher Erfolg, ja, aber der Vorgang macht eben auch deutlich, wie hoch die juristischen Trauben hängen, bis zu denen völlig gefahrlos unter dem Schutz des Gesetzgebers ein wirkungsloses Mittel mit pseudomedizinischen Begründungen, mit lächerlichen Umfragen, die als „Studien“ verkauft werden und mit dem Natürlichkeits-Attribut mit dem Etikett „Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz“ den Leuten angedreht werden darf.

    Justiziabel wurde – das hat die Verbraucherzentrale gut und richtig erkannt – erst die Dreistigkeit, bei den Heilungsversprechen allzu konkret werden. Ein klarer Fehler des Marketings, aber eben nur eine winzige Überschreitung der roten Linie hin zur Justiziabilität.

    Mehr nicht – unterhalb dessen darf man weiter frei agieren mit all dem Unsinn, den wir bei „Susannchen braucht keine Globuli“ schon 2017 und dann auch noch mal ausführlich im „Skeptiker“ 4/2018 zerlegt hatten.

    Ein kleiner Unfall für Medice, mehr nicht. Man passt die Texte an und gut ist.

    Bezeichnend für die Blindheit solcher Hersteller ist allerdings, dass man sich hier auf einen Prozess mit der Verbraucherzentrale eingelassen hat. Es wäre ein Leichtes gewesen, auf die voraufgegangene Abmahnung zu reagieren, den Claim etwas abzuändern und business as usual weiterzubetreiben, ohne wie jetzt eine (leider wohl nur winzige) Beeinträchtigung der Reputation zu riskieren.

    Aber nein. In völliger Verblendung und im Bewusstsein dessen, dass der Gesetzgeber ihre „Produkte“ mit einem offenbar für undurchdringlich gehaltenen Schutzschirm umgibt und man zudem glaubt, deshalb auch noch die mickrigen Grenzen des Heilmittelwerbegesetzes ignorieren zu können, trumpft man auch noch auf und zieht vor Gericht

    Man kann das gar nicht kritisch genug sehen. Wenn es eines krassen Beispiels für die Unhaltbarkeit des Binnenkonsens im AMG gibt, so wäre die Meditonsin-Story ein gutes Exempel.

    Wie egal vielen das Heilmittelwerbegesetz ist (weil man es gar nicht kennt?) wird jeden Tag -zigmal z.B. auch in Apotheken deutlich, die zu homöopathischen Mitteln „beraten“.

    Ganz offensichtlich ist man sich dort nicht im Klaren darüber, dass jede Empfehlung in einem Verkaufsgespräch, das ein nur registriertes (nicht zugelassenes) Homöopathikum mit einer konkreten Indikation in Verbindung bringt, ein Verstoß gegen das HWG ist.

    Der BGH hat in diese Sache endgültig und rechtsverbindlich ausgeführt:

    „Das Verbot des § 5 HWG (gemeint ist die Werbung mit Indikationen) beruhe darauf, dass bei registrierten homöopathischen Arzneimitteln – anders als bei zugelassenen Arzneimitteln – die Wirkungen und Anwendungsgebiete nicht überprüft würden, weil ein Wirksamkeitsnachweis typischerweise nicht oder kaum zu führen sei. Mangels nachgewiesener Wirkungen und entsprechender Überprüfungen solle der Verbraucher auch mittels des Werbeverbots vor einer fehlerhaften Selbstmedikation geschützt werden.

    § 5 HWG unterscheide dabei nicht zwischen Fachkreisen und Verbrauchern. Es komme daher nicht entscheidend darauf an, ob – wie die Beklagte in der Berufungsverhandlung eingeräumt habe – Ärzte oder Heilpraktiker die gegebenen Informationen an die Patienten weitergäben. Fehle es an der Möglichkeit, konkrete Anwendungsgebiete zu umreißen, gelte dieser Gesichtspunkt gegenüber Fach- und Laienpublikum gleichermaßen. Es sei deshalb konsequent, auch die Werbung mit Anwendungsgebieten generell zu verbieten.“

    BGH, Urteil vom 28.09.2011, Az. I ZR 96/10

    Das ist alles nicht nur nicht hinnehmbar, das ist einfach unerträglich, wie hierzulande mit dem Unsinn umgegangen wird, Mittel ohne jeden Wirkungsnachweis als „Arzneimittel“ zu adeln – im Gesetz und in der täglichen Praxis.

  6. @ Udo Endruscheit:

    Sie haben wohl die Belastbarkeit der „Studie“ juristisch getestet.

    Ich bin auf den Urteilstext gespannt, der scheint noch nicht online. Was mag Medice da zu der „Studie“ ausführen, und was das Gericht?

  7. Hat mich auch gefreut, das bei Apotheke-adhoc zu lesen.

    https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/meditonsin-weder-zuverlaessig-noch-ueberlegen/

    Noch mehr hat mich gefreut, dass nicht die üblichen Apologeten aufgeschlagen sind.

    Und weiter geht’s hoffentlich mit anderen Präparaten, z.B. Heuschnupfenmittel DHU; allzuviele, die konkrete Indikationen angeben, gibt es ja nicht, wenn auch schon ein paar Handvoll.

  8. Vor Jahren wollte mir mein damaliger Hausarzt das Zeug verschreiben.

    Ich habe den Hausarzt gewechselt.

  9. @Joseph Kuhn:

    Der Begriff „Studie“ ist ja weder rechtlich definiert noch geschützt. Da gibt es also eh ziemlichen Freiraum … und sie behaupten ja nichts direkt Falsches zu dieser Studie, wir haben damals bei Susannchen und im Skeptiker allerdings Mühe auf deren Würdigung verwendet …

    Das Gericht könnte natürlich beanstanden, dass nach allgemeiner Ansicht (die ja durchaus der Maßstab für eine bewertende Rechtsprechung sein kann) eine Umfrage unter Leuten, die das Mittel schon gekauft haben, kein Beleg für eine Wirksamkeit sein kann.

    Denkbar, das würde dann aber durchaus einen Durchbruch in der Rechtsprechung bedeuten, weil bislang die Tendenz bestand, sich mit solchen Aspekten gar nicht erst auseinanderzusetzen – wg. Binnenkonsens und so.

    Ich erinnere an das Kölner Urteil, wo die Richter damit resignierten, dass die „Erstreckung der Arzneimitteleigenschaft auf Homöopathika durch den Gesetzgeber auch die Erstreckung des Begriffs der pharmazeutischen Wirksamkeit auf diese“ impliziere.

    Man darf gespannt sein. Das könnte viel weiter ausgreifen als das immer wieder falsch herangezogene HCG-C30-Urteil, wo es gar nicht um ein homöopathisches Arzneimittel ging, sondern um ein als Nahrungsergänzungsmittel vertriebenes Präparat (und damit um ein ganz anderes Beurteilungsareal).

    @Christian Becker:

    Ja, Heuschnupfenmittel DHU ist ein Ärgernis. Aber leider kein Monopräparat, sondern auch ein „homöopathischer Trikomplex“. Und damit im Binnenkonsens pseudo-zugelassen und mit Indikationen bewerbbar …

    Ich hab mich ja auch schon immer über den Namen „Zappelin“ aufgeregt, dazu gibt es auch einen Artikel beim „Susannchen“.

    Man darf ja nicht vergessen, dass die „Zulassung“ von Homöopathika, die nicht registriert werden, erst längere Zeit nach Inkrafttreten des AMG installiert wurde – nach eigenen Kriterien der Kommission D. Einerseits wollte man damit das Odium der „nur registrierten Mittel“ vermindern, andererseits ermöglichen, jeden Unsinn weiterhin mit Indikationen bewerben zu können.

    Was natürlich dann den Trend zu Komplexmitteln beförderte. Ohne das Zulassungsverfahren der Kommission D, den sogenannten „echten Binnenkonsens“, müssten sich alle Homöopathika, die nicht Monopräparate sind, einem normalen Zulassungsverfahren stellen …

    Genau das hat Ungarn seit 2021 umgesetzt: Eine Pseudo-Zulassung gibts dort nicht mehr.

    In Ungarn gibt es demzufolge inzwischen nur noch Homöopathika ohne jede Indikationsangabe auf dem Markt. Es scheint keinem Hersteller gelungen zu sein, einen Wirksamkeitsnachweis im normalen Zulassungsverfahren zu erbringen. In Spanien ist es ähnlich. Dort hieß es vor zwei Jahren noch rabiater: entweder Wirkungsnachweis oder ihr werdet aus dem Arzneimittelregister ausgelistet.

    Die Mittel werden dort listenweise abgearbeitet – entweder oder. Bislang gabs nur „oder“.

    Vom gerichtlich festgestellten Anspruch der Hersteller auf Erneuerung der Zulassung von Mitteln, die bereits vor 1978 auf dem Markt waren, nicht zu reden. Wobei bekanntlich weder ein fehlender Wirkungsnachweis eine Rolle spielt noch dies (gravierende) Veränderungen in der Zusammensetzung tun (Beispiel Meditonsin).

    Alles egal!

  10. @ Udo Endruscheit:

    „Das Gericht könnte natürlich beanstanden, dass nach allgemeiner Ansicht (die ja durchaus der Maßstab für eine bewertende Rechtsprechung sein kann) eine Umfrage unter Leuten, die das Mittel schon gekauft haben, kein Beleg für eine Wirksamkeit sein kann.“

    Ja, so verstehe ich den Kern des Urteils: Die Studie liefert keine hinreichende Evidenz für die Behauptung der Firma, die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von Meditonsin sei erneut eindrucksvoll bestätigt worden. Das ist aus Sicht des Gerichts falsch.

    Ob das ein „Durchbruch“ in der Rechtsprechung wäre, kann ich nicht beurteilen, dazu fehlt mir der Überblick.

    Den Binnenkonsens sehe ich dadurch noch nicht berührt, dazu müsste die Geltung des berühmten „anderen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials“ im Zulassungsverfahren infrage gestellt werden, nicht die Wertung von (als „Studie“ aggregierten) Kundenaussagen. Wie beides juristisch ins Verhältnis zu setzen wäre, weiß ich nicht.

    Meine Interpretation: https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2022/11/12/heillose-versprechen-und-das-heilmittelrecht/

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