Der Spiegel hat mit Edzard Ernst über den neuen englischen König Charles III. und dessen Faible für Pseudomedizin gesprochen.
Einige Auszüge:
Spiegel: Auf den ersten Blick haben Sie und Charles vieles gemeinsam: Sie sind beide Jahrgang 1948, haben beide deutsche Vorfahren und wurden beide als Kinder mit homöopathischen Globuli behandelt. Trotzdem gerieten Sie heftig aneinander.
Ernst: Anfangs zeigte Charles noch großes Interesse an meiner Arbeit, zum Beispiel wollte er eine Zusammenfassung meiner Antrittsvorlesung haben. Und ich war hocherfreut, dass er sich mit meinem Fachgebiet beschäftigt. Ich wurde auch zweimal zu Empfängen eingeladen und ihm kurz vorgestellt; aber die Begegnung dauerte kaum länger als eine Minute, wir haben nie wirklich miteinander gesprochen. Es wurde dann auch schnell klar, dass er mit Evidenz und Wissenschaft nicht viel am Hut hat.
Sein Ziel war es, der Alternativmedizin im britischen Gesundheitssystem National Health Service, am besten in der ganzen Welt, zum Durchbruch zu verhelfen. Egal wie enttäuschend oder sogar alarmierend meine Studienergebnisse oder die von Kollegen ausfielen, blieb er der festen Überzeugung, dass Alternativmedizin gute Medizin sei, viel besser als die Schulmedizin, für die Charles bei vielen Gelegenheiten abschätzige Worte fand.
Es war klar, dass es da früher oder später zum Konflikt zwischen uns kommen musste.
Wie wurde Charles zu einem derartigen Romantiker?
Ich könnte mir gut vorstellen, dass dieses ganze esoterisch angehauchte Denken und die Alternativmedizin für Charles eine Art Ersatzrebellion darstellten. Als er in Cambridge studierte, war die Zeit der Studentenproteste. Ich war selbst damals an der Uni, und ich weiß, dass fast jeder das Bedürfnis des Protests in sich spürte. Vielleicht war das auch bei ihm so.
Aber was sollte er machen? Als Thronfolger konnte er schlecht an Studentenprotesten teilnehmen. Da bot ihm die Alternativmedizin als Protest gegen das Ärzte-Establishment vielleicht einen willkommenen Ausweg. Außerdem geriet Charles in jener Zeit, als er auf der Suche nach dem Sinn des Lebens war, unter den Einfluss von Laurens van der Post.
Van der Post führte den jungen Charles, der weder in der Schule noch an der Universität je eine fundierte naturwissenschaftliche Ausbildung genossen hatte, auf eine „Magical Mystery Tour“ ins transzendentale, spirituelle Denken. Für mich liegt hier der Ursprung von Charles’ esoterischen Ideen.
Wie gefährlich ist es für die Wissenschaft, dass jetzt ein Feind der Aufklärung auf dem Thron sitzt?
Manche sind froh, dass Charles König ist, weil er nun die Klappe halten muss. Als König wird er diplomatischer auftreten müssen, er darf sich nicht mehr offensiv einmischen. Aber seine Überzeugungen, seine Art zu denken, wird er ja nicht einfach ablegen. Von daher ist es bedenklich, dass er als britischer König das rationale Denken ablehnt.
Als Donald Trump US-Präsident wurde, kamen viele dunkle Gestalten aus ihren Löchern, die seine extremen Ansichten teilten – und am Ende haben sie das Kapitol gestürmt. Ich mache mir deshalb Sorgen, dass Wissenschaftsfeindlichkeit unter Charles III. noch gesellschaftsfähiger werden könnte, als sie es ohnehin schon ist.
Auch wenn er offiziell keine echte Macht hat und sich zu vielen Themen nicht äußern darf, kann er als König indirekt Einfluss nehmen.
Zum Weiterlesen:
- Charles III. und die Pseudomedizin: „Was er sich rauspickt, ist alles Quacksalberei“, Spiegel+ am 15. September 2022
- Charles, the alternative King? edzardernst am 10. September 2022
- Charles, the alternative Prince, edzardernst am 17. Januar 2022
- King Charles Is a Passionate Supporter of Fake Science, Daily Beast am 14. September 2022
- „Feind der Aufklärung“: Edzard Ernst über Prinz Charles, GWUP-Blog am 11. Mai 2022
- „Prinz der Pseudomedizin“: Die Science Cops und Edzard Ernst über den Fall Windsor, GWUP-Blog am 2. Mai 2022
- Neuerscheinung: Edzard Ernst über Prinz Charles – „champion of alternative medicine“, GWUP-Blog am 25. Februar 2022
- Edzard Ernst vs. Prinz Charles: The Complete Story, GWUP-Blog am 25. Januar 2015
- Prinz Charles, der Schlangenöl-Verkäufer, GWUP-Blog am 26. Juli 2011
- Homöopedia: Prinz Charles
- Royally Misinformed, Skeptical Inquirer am 22. Februar 2022
- What Prince Charles tells us about complementary medicine – an essay by Edzard Ernst, bmj am 21. Februar 2022
- Prof. Ernst: Charles ist das beste Argument, die Monarchie abzuschaffen, ruhrbarone am 9. April 2022
- Edzard Ernst: Eine königliche Liebesaffäre, publikum-net am 17. Januar 2022
- Edzard gegen Charles, Zeit-Online am 6. Dezember 2011
- „König Charles III.“ in der Homöopedia
- Edzard Ernst und der Halb-Quack-Prinz, Psiram am 4. September 2011
- Edzard Ernst: the prince and me, British Medical Journal am 3. August 2011
- Prince Charles’ vision of a “post-modern medicine” and my response to it, Edzard-Ernst-Blog am 22. Januar 2013
- Alternativmedizin: Nobelpreisträger gegen Prinz Charles, Spiegel-Online am 23. Mai 2006
16. September 2022 um 20:06
Renate Künast hat wohl ein ähnliches Problem wie der Schwurbel-King.
Zu den Kommentaren auf ihren dämlichen Tweet fällt ihr allerdings nichts ein.
https://twitter.com/RenateKuenast/status/1570401078654676993
18. September 2022 um 19:56
„König gegen Wissenschaft“:
https://futurezone.at/meinung/wissenschaft-florian-aigner-queen-elizabeth-ii-king-charles-iii-london/402147636
„Mediziner Edzard Ernst: „Charles ist zum Gespött der Wissenschaft geworden“:
https://www.derstandard.at/story/2000139174232/mediziner-edzard-ernst-charles-ist-zum-gespoett-der-wissenschaft-geworden/