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„Allein gegen die Globuli“: Die homöopathiefreie Apotheke heute in der FAS

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Heute in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

Ein Auszug:

Es war in den Sommerferien“, berichtet Iris Hundertmark von dem Tag ihrer Entscheidung. „Da ist wenig los, man räumt auf, macht sauber. Als ich die Regale mit den Globuli ansah, wurde mir mit einem Mal klar: Jetzt muss Schluss damit sein. Dann habe ich das alles in Kisten gepackt und an den Großhandel zurückgeschickt.“

Das galt nicht nur für die Kügelchen, sondern auch für Bachblüten und Schüßler-Salze, für Tropfen und Verreibungen und für populäre homöopathische Kombinationspräparate wie die Erkältungsmittel Meditonsin und Contramutan. Vorher hatten die Präparate einen verkaufsfördernden Paradeplatz in der Apotheke, auf Augenhöhe gleich neben dem Tresen.

Die zierlichen Regalböden aus Glas hatte Hundertmark noch eigens nach Maß für die typischen Verpackungsgrößen der Mittel von Herstellern wie Weleda und der Deutschen Homöopathie-Union (DHU) fertigen lassen, als sie 2016 die Apotheke von ihrem Vorbesitzer übernahm.

Die Entscheidung, ihre Globuli-Regale leerzuräumen, hat Hundertmark bekannt gemacht. Die Lokalzeitung hat damals berichtet, sie wurde in eine Fernseh-Talkshow eingeladen. Die Resonanz war gemischt. „Hier kamen wildfremde Leute rein und haben ,Scheißladen‘ gebrüllt“, berichtet Hundertmark.

Die Zuschriften, die sie bekommen hat, füllen zwei DIN-A4-Ordner: Lob und Tadel, ein Heiratsangebot, aber auch wüste Beschimpfungen und sogar eine anonyme Morddrohung im Mafia-Stil.

Hundertmark wirkt aufgeräumt. Sie habe heute mehr Stammkunden als vor zwei Jahren, sagt sie. „Und mein Umsatz ist nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen.“ Dass missgünstige Berufskollegen ihr den Globuli-Boykott nun sogar als wohlkalkulierten Marketing-Trick ankreiden, gehört wohl zum Risiko einsamer Entscheidungen.

Eine Umfrage der F.A.S. bei allen deutschen Apothekerkammern lässt darauf schließen, dass kein einziger anderer Apotheker im ganzen Land es Hundertmark bisher gleichgetan hat.

Zum Weiterlesen:

  • Allein gegen die Globuli, FAS am 25. Oktober 2020
  • Frauenpower gegen Zauberzucker, Onkel Michael am 25. Oktober 2020
  • Globuli-„Tatort“ am Sonntag: Sanfte Medizin, kranke Geschäfte, GWUP-Blog am 23. Oktober 2020
  • „Tatort“ Wien: Dieser Krimi wird für Furore sorgen – schon jetzt große Aufregung im Netz, Der Westen am 25. Oktober 2020
  • Der Wien-„Tatort“ im Schnellcheck, Spiegel-Online am 25. Oktober 2020

4 Kommentare

  1. „Dass missgünstige Berufskollegen ihr den Globuli-Boykott nun sogar als wohlkalkulierten Marketing-Trick ankreiden, gehört wohl zum Risiko einsamer Entscheidungen.“

    1. Der schlimmste Feind des Apothekers ist der Apotheker (obwohl die GKVen versuchen, ihnen den Rang abzulaufen und Spahn und Lauterbach noch um einen Medaillenplatz kämpfen)

    2. Jeder Berufskollege darf diesen Marketing-Trick kopieren, um Kunden und Seriosität zurückzugewinnen. Man darf sogar noch einen draufsetzen und alles rausschmeißen, für das es keine Evidenz gibt, um Hundertmark noch mehr Kunden abzuknöpfen.

  2. Nun, so ganz alleine steht sie nicht mehr da. In meiner Umgebung, München-Sendling, kenne ich zwei Apotheken, die den Bockmist zumindest nicht mehr in der Auslage haben.

  3. „… alles rausschmeißen, für das es keine Evidenz gib …“

    Empörend! Wollen Sie, dass Apotheker mit einem Bauchladen rumlaufen und Hunger leiden?

  4. @Michael
    Ist doch egal, ob man ein breites Sortiment hat, aus dem man alles verkauft, von dem aber nur die Hälfte wirkt, oder ein schmales, aus dem dann mehr verkauft, wovon dann 95% wirken.

    Abgesehen davon tut doch die Politik (sogar die eigene Standespolitik) alles dafür, dass der Verkauf von Medikamenten in Apotheken vor Ort unattraktiv wird und man für sogenannte „pharmazeutische Dienstleistungen“ honoriert wird. Dann ist es auch egal, wenn das Sortiment auf einen Bauchladen passt.

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