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Video: „Kanzlei WBS“ zu dem Globuli-Urteil von Darmstadt

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Der populäre Youtube-Kanal „Kanzlei WBS“ rekapituliert das umstrittene Urteil des Landgerichts Darmstadt vom Februar in Sachen „HCG C30 Globuli“.

Zur Erinnerung:

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs hatte einen Anbieter von „Diät-Globuli“ auf der Basis des Schwangerschaftshormons HCG zunächst abgemahnt und dann auf Unterlassung verklagt.

Das LG Darmstadt zeigte sich jedoch ausgesprochen Homöopathie-freundlich und wies die Klage mit einer seltsamen Begründung ab:

Würde man der Auffassung des klagenden Vereins folgen und unterstellen, dass der Inhaltsstoff bei einer Verdünnung „C30“ nicht enthalten ist, würde dies laut Gericht dazu führen, dass eine Vielzahl homöopathischer Arzneien nicht mehr vertrieben werden dürfte.

„Ein solches faktisches Verbot dürfte sicherlich nicht im Sinne der Verbraucher sein, die – aus welchen Gründen auch immer – von einer gewissen Möglichkeit der Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel, auch in der Verdünnung C30 ausgehen“, hieß es im Urteil.

In dem Video erklärt nun Rechtsanwalt Christian Solmecke:

Da haben wir aber mal einen Richter erwischt hier, der selber auch auf diese homöopathischen Mittel stand. Das hätte man auch anders sehen können.

Möglicherweise sieht es die nächste Instanz auch anders. Laut Handelsblatt wollen die Wettbewerbshüter gegen das Urteil in Berufung gehen.

Zum Weiterlesen:

  • LG Darmstadt zu homöopathischem Mittel: Was nicht nach­weisbar ist, kann trotzdem da sein, legal tribune online am 18. Februar 2020
  • Wettbewerbshüter nehmen Globuli-Branche unter Beschuss, handelsblatt am 3. März 2020
  • Interview mit Natalie Grams: Warum Homöopathie und Globuli gegen Covid-19 nutzlos sind, men’s health am 10. April 2020
  • GWUP: Corona-Mythen A-Z

6 Kommentare

  1. Analog dazu ein hypothetisches Urteil eines hypothetischen LGs:

    Würde man der Auffassung der klagenden Frauen folgen und unterstellen, dass das Verprügeln einer Ehefrau eine Straftat ist, würde dies laut Gericht dazu führen, dass eine Vielzahl von anderen körperlichen Züchtigungen verboten werden müsste – z.B. die Prügelstrafe bei Kindern, das Auspeitschen von ungehorsamen Angestellten usw..

    „Ein solches faktisches Verbot dürfte sicherlich nicht im Sinne der Männer sein, die – aus welchen Gründen auch immer – von einer Wirksamkeit körperlicher Züchtigung ausgehen.“, hieß es im Urteil.

  2. Erfreulich, dass Herr Solmecke dem Thema Homöopathie wenn auch offenbar ahnungslos, so doch rational kritisch gegenübersteht. Noch erfreulicher wäre es natürlich, hätte er sich kurz mit der Materie, z.B. wie Globuli hergestellt werden, vertraut gemacht, bevor er darüber zum Volk spricht.

    Jurist halt, dachte ich mir spontan, würde ich aber natürlich nie öffentlich äußern, ohne das vorher recherchiert zu haben ;-)

  3. Gerichte, Juristen und Wissenschaft – eine Never Ending Story…

    In der Tat helfen die Ausführungen von Herrn Solmecke, die eigentlich in nicht mehr als einer persönlichen Mutmaßung gegenüber einem Richter gipfeln, kein bisschen weiter.

    Zum Beispiel ist einer der ebenso wichtigen wie außer Acht gelassenen Aspekte, dass es sich hier weder um ein registriertes noch um ein zugelassenes (nach Binnenkonsens natürlich) „Homöopathikum“, mithin nicht um ein Arzneimittel im Sinne des AMG handelte. (Eine Werbung mit Indikationen ist nach $ 5 HWG bei registrierten oder von der Registrierung ausgenommenen Mitteln ausgeschlossen – ein Verstoß dagegen wäre eine Ordnungswidrigkeit und auch abmahnbar, entweder von Konkurrenten oder eben auch von Verbraucherschutzorganisationen. )

    Jedoch – zieht hier überhaupt, bei einem „Fantasticum“, das das Etikett „Homöopathie“ verpasst bekommen hat, das Heilmittelwerbegesetz?. Hier kommt das, was für Juristen vllt allenfalls interessant ist: Ausgangslage: Arzneimittel ist das hier nicht, da weder registriert noch zugelassen, Homöopathikum ist es aber offensichtlich schon – da es „nach homöopathischen Grundsätzen hergestellt ist“. Und der Blick ins Gesetz liefert auch schon die Antwort: § 5 HWG bezieht sich ausdrücklich auf ARZNEIMITTEL. Und – wie demonstriert – kann zwar Homöopathie draufstehen, ein Arzneimittel nach dem AMG ist es noch lange nicht – der Terminus Homöopathie ist nicht geschützt.

    Diese Betrachtung hätte zu einer Besprechung der Causa – und zur Erwägung des Gerichts gehört. Jedoch – alles wird in den Topf „Homöopathie“ geworfen.

    Aber warum wehren sich die „echten“ Homöopathen und Homöopathiehersteller hier nicht? Von der Wettbewerbszentrale habe ich die Auskunft erhalten, dass KEIN homöopathischer Interessenverband oder Hersteller hinter dieser Sache steht.

    Deshalb: Erfahrungsgemäß ist es so, dass alles, was unter „Homöopathie“ läuft, heilig und sakrosankt ist, jedenfalls in der Außendarstellung (konsequent, denn Unsinn ist das ja alles, auch gegen schlechte Scherze wie Placebo- oder Pupsglobuli und Abstrusers ging man nicht vor). Aber das hier ist eine Geschichte, die das Arzneimittelrecht NICHT tangiert.

    Insofern sind die eher seltsamen Ausführungen des Gerichts völlig fehl am Platze, eigentlich handelt es sich bei dem Produkt um nicht mehr als einen schlechten Witz. Ganz bestimmt aber nicht um einen Anlass zu irgendeinem Frohlocken auf homöopathischer Seite (ebensowenig, wie ich schon schrieb, auf homöopathiekritischer Seite – das ist alles lediglich eine ziemlich schräge Anekdote, die von allseitigem Unverständnis zeugt).

    Rest my case.

    Ach, fast vergessen – HCTC30 ist mal wieder ein Präparat, das in homöopathischer Hochpotenz die gleiche Wirkungsrichtung haben soll wie in allopathischer Dosis – ein Tritt vors Schienbein des Ähnlichkeitsprinzips und eine Story, die den alten Paracelsus zum Lachen gebracht hätte. Außerdem wäre auszudiskutieren, ob Übergewicht eine „Verstimmung der geistigen Lebenskraft“ im Sinne der Homöopathie ist. Der analoge Streit über den Muskelkater (in der Shang/Eggers-Studie von 2005 erfasst) ist ja noch gar nicht entschieden…

    Fazit: Heilsuchende Patienten verkohlen ist NUR mit staatlicher Lizent nach dem AMG gestattet…

  4. @ Udo Endruscheit:

    „HCTC30 ist mal wieder ein Präparat, das in homöopathischer Hochpotenz die gleiche Wirkungsrichtung haben soll wie in allopathischer Dosis“

    Äääh, nein. HCG ist ein Schwangerschaftshormon. Wer HCG im Blut hat, nimmt offensichtlich an Gewicht zu. Dementsprechend führt die Potenzierung dazu, dass daraus ein Abnehm“medikament“ wird.

    Ist doch logisch! ;)

  5. „Ausgangslage: Arzneimittel ist das hier nicht, da weder registriert noch zugelassen, Homöopathikum ist es aber offensichtlich schon – da es „nach homöopathischen Grundsätzen hergestellt ist“.

    Und der Blick ins Gesetz liefert auch schon die Antwort: § 5 HWG bezieht sich ausdrücklich auf ARZNEIMITTEL. Und – wie demonstriert – kann zwar Homöopathie draufstehen, ein Arzneimittel nach dem AMG ist es noch lange nicht – der Terminus Homöopathie ist nicht geschützt.“

    Ist meiner Auffassung nach nicht zutreffend, denn:

    „Der Begriff „Arzneimittel“ ist in Paragraf 2 des Arzneimittelgesetzes definiert. Darin werden zwei Arten von Arzneimitteln unterschieden:

    • Arzneimittel, die durch ihre Wirkung Einfluss auf physiologische Funktionen nehmen. Sie werden auch als Funktionsarzneimitteln (Arzneimittel nach der Wirkung) bezeichnet.

    • Arzneimittel, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Sie werden auch als Präsentationsarzneimitteln (Arzneimittel nach der Bezeichnung) bezeichnet.

    Für Präparate, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, benutzt man auch den Begriff Präsentationsarzneimittel.

    Darunter sind solche Produkte zu verstehen, die durch ihre Bezeichnung oder Aufmachung (Werbung) beim durchschnittlich informierten Verbraucher den Eindruck erwecken, dass sie zur Heilung oder Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind. Auf die Wirksamkeit des Produktes kommt es für diese Einstufung nicht an….“
    Quelle: Glossar des BfArm

    Demnach wäre ein Verbot der HCG-Globuli schon möglich, nur ist nicht der Wirkstoffgehalt der (juristische) Stein des Anstoßes, sondern dass es als Arzneimittel nicht zugelassen/ registriert wäre.

    Die HCG-Globuli aber laufen unter „Nahrungsergänzungsmittel“ (NEM) und nicht unter „Arzneimittel“ (AM). Dieser Trick wird gerne von Herstellern (nicht nur von Homöopathika) benutzt, um Präparate auf den Markt zu werfen.

    Immer mal wieder kommt es dann zu Verfahren, bei denen es darum geht, ob es sich um ein NEM oder ein AM handelt.

    https://openjur.de/u/2154677.html

    Wer möchte, kann hier das Etikett eines Fläschchens HCG-C30

    https://donotlink.it/rRkaa

    https://donotlink.it/bWjNA

    https://donotlink.it/gMjRo

    https://donotlink.it/RRj09

    Wie man sieht, wird hier eine Verzehr- und keine Einnahmeempfehlung gegeben. -> NEM

    Nährwerttabelle -> NEM

    Kein Hinweis auf Homöopathie -> NEM

    Dennoch könnte es sich hier (meiner Meinung nach tut es das) um ein Präsentationsarzneimittel handeln, da die Vertreiberfirma eine Pharmafirma ist und Globuli und die Angabe einer Zeichenfolge, die wie eine homöopathische Potenz aussieht.

    Nun wurde allerdings der Begriff „Pharma“ schon in einem anderen Verfahren für eigentlich jeden beliebigen Zweck freigegeben, solange man vorgibt, die Absicht zu haben, was Pharmazeutisches herzustellen:

    https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/01/06/pharmaunternehmen-muss-nicht-zwingend-arzneimittel-verkaufen

    Demnach dürfte es schwer werden, diese HCG-Globuli loszuwerden.

    Wäre ich ein Richter, würde ich entscheiden, dass es sich um ein Präsentationsarzneimittel handelt, für den normalen Bürger dieser Anschein erweckt wird durch:

    Darreichungsform Globuli, bekannt von Homöopathika

    Firma x-Pharma, Pharma = Medikamente

    Bezeichnung C30, bekannt von Homöopathika

    Ich bin nun mal aber kein Richter, und diese werden wohl zu der Auffassung kommen, dass

    x-Pharma nichts über die Natur des vertriebenen Produkts sagt (s. Link oben)
    Globuli auch im Supermarkt bei den Backwaren (meist in bunt) zu finden sind
    C30 keinen Bezug zu Medikamenten erkennen lässt – es könnte auch ein neues koreanisches Automodell handeln.

    Fazit: Ein Ansatzpunkt wäre schon da, aber der besteht nicht in der HCG-Losigkeit der Zuckerperlen, sondern in der Frage, ob der Eindruck eines AM erweckt wird.

  6. Ein Gericht in Darmstadt hat entschieden, dass Arzneimittel mit Inhalten werben dürfen, die gar nicht nachweisbar sind. Warum eigentlich?

    https://www.derstandard.de/story/2000117981996/was-ein-deutsches-urteil-zur-homoeopathie-bemerkenswert-macht

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