Schön, dass unsere Astro-Gläubigen auch in der Corona-Krise nicht ihren schrägen Humor verlieren.
So erreichte uns gestern eine Mail mit der originellen Betreffzeile
Skeptikerschreiberling Bernd Harder – öffentliche Entschuldigung fällig
Der Absender nimmt Bezug auf unseren Artikel „Das neue Jahr hat begonnen: Was die Sterne wirklich bringen“ vom 1. Januar 2020. Darin nennen wir den Astrologen Markus Jehle für seine albernen Binsen einen „Astro-Schwafler“.
In einem Kommentar dazu macht @nota.bene dann noch auf eine SWR-Sendung mit der „Star-Astrologin“ Ruth Bauer-Wolf aufmerksam.
Bei wem wir uns jetzt wofür genau entschuldigen sollen, bleibt leider unklar:
vielleicht wird es Zeit sich auch mal bei der zitierten „Astro-Schwafler“ zu entschuldigen …
Bei dem Astro-Schwafler Jele oder bei der Astro-Schwaflerin Bauer-Wolf – die wir indes gar nicht so genannt haben?
Dann allerdings verweist der E-Mail-Schreiberling auf „das Video zu dem Artikel 1.1.2020“ – was, wie schon gesagt, gar nicht zu dem Artikel gehört, sondern zu einem Kommentar, aber egal.
Hier ist es:
Anscheinend – wir interpretieren jetzt mal frei – soll bei diesen Voraussagen für 2020 irgendwas dabei sein, was unsere Auffassung in puncto Astrologie widerlegt.
Schau’n wir mal – es ist ja gerade etwas ruhiger.
Bevor ich das Filmchen abspiele, mache ich mir eine Liste mit Stichwörtern, die ich als „eingetroffene“ Prophezeiung zur derzeitigen Lage akzeptieren würde:
Corona, Virus, Epidemie, Pandemie, China, Ausgangssperre, Katastrophenfall, Börsencrash, Wirtschaftseinbruch, Rezession, Krankheit, Ladensterben, existenzielle Krise, Seuchenausbruch, Gesundheitswesen, Einschränkungen – oder zumindest irgend etwas in dieser Richtung.
Ist das schon zu viel verlangt von einer „Star-Astrologin“? Ich denke nicht.
Dann schalte ich das Video ein. Nach etwa sechs Minuten Rumgeflachse zwischen dem eher amüsierten Moderator und der höflich-steifen Astrologin kommen endlich ein paar Sätze zu 2020:
Was man ganz klar sagen kann, dass es sehr viele Veränderungen geben wird, also 2020 wird ein sehr turbulentes Jahr, und ich möchte auch allen raten, bleiben Sie mutig, bleiben Sie dabei, es ist nicht schlecht, aber es ist schon auch so, dass man mehr aufeinander achten muss, miteinander mehr sprechen muss, einfach sich an die Hand nehmen und sagen: Wir schaffen das.
Aber es wird schon viele Veränderungen geben. Im wirtschaftlichen Bereich auf jeden Fall, im politischen Bereich, da wird der März und der April ganz herausragend sein, da wird es große Veränderungen geben.
Man kommt aber auch große große Schritte wieder weiter, eben in allen Dingen, die mit der Natur zu tun haben, die Einsicht brauchen, die Veränderungen ermöglichen, dass die Leute auch anders wieder denken. Es wird viele Veränderungen geben, es wird plötzlich eine neue Führungselite da sein, die dann auch vernünftiger denkt.
Das ist alles. Ernsthaft.
Die Spiegel Online-Jahresvorschau vom 31. Dezember („Der globale Stresstest 2020“) brachte die bevorstehenden Veränderungen weitaus konkreter auf den Punkt.
Und dass die Astrologen sich speziell auf den März/April kaprizieren würden, ist auch nichts Mysteriöses – denn in der Vorstellung der Sterndeuter wird 2020 ab dem 20. März vom Mond regiert. Und Mondjahre gelten „allgemein als unbeständig, veränderlich und unkontrollierbar“.
Kennt jemand irgendein Jahr in der Menschheitsgeschichte, das nicht „unbeständig, veränderlich und unkontrollierbar“ gewesen ist?
Eigentlich müsste ich jetzt wohl eine Entschuldigung von dem E-Mail-Schreiberling wegen Zeitdiebstahls fordern. Tue ich aber nicht, weil die Frau Bauer-Wolf mit einem Satz tatsächlich vollkommen richtig liegt (Minute 1:27):
Die Kunst ist die Interpretation
Zum Weiterlesen:
- Warum Astrologie nicht funktionieren kann, Astrodicticum simplex am 19. November 2015
- Barnum Effekt: Ego schlägt Selbstreflexion und wie du das nutzen kannst, uxfox am 18. November 2018
- „Mein Horoskop stimmt immer!“ – Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013
- Astrologie ist Unsinn, Astrodicticum simplex am 7. Januar 2009
- Astrologie ist immer noch Unsinn, Astrodicticum simplex am 17. Januar 2009
- Die Tricks der Sterndeuter, GWUP-Blog am 6. Dezember 2019
21. März 2020 um 07:42
Ist schon cool, eine Astrologin, die ihre Dienstleitung vertreibt, aber für sich selbst die Astrologie nicht in Anspruch nimmt, weil sie sich lieber überraschen lässt
21. März 2020 um 11:08
Hm, irgendwie verstehe ich den impliziten Vorwurf in der Überschrift nicht. Ist das Hören und Sehen von Dingen, die nicht sind, nicht eine höchst hilfreiche Eigenschaft bei der Ausübung der Astrologie?
Man kann es ihnen also nicht vorwerfen ;)
2. April 2020 um 10:38
Sollte eine Seite, die mit „Skepsis“ wirbt, nicht etwas besser recherchieren?
Es liegt mir fern, irgendwem meine Meinung auf zu zwingen, jeder so, wie er mag. Ich persönlich mag es nicht, wenn Behauptungen aufgeworfen werden, die nicht standhalten können.
Wo sagt sie etwas über das Mondjahr? Also ich habe nichts davon gehört, wenn mich persönlich interessiert, ob Astrologie wahr oder Humbug ist, dann beschäftige ich mich (selbst) mit dem Thema.
Noch etwas, es gab mal eine Studie darüber, wie gesund Käse ist, mit dem Ergebnis, dass er sehr gesund ist. Wenn ich dann erfahre, dass dahinter eine holländische Käse Firma steht, verliert diese Studie für mich vollkommen an Glaubwürdigkeit.
Astrologen können beweisen, dass an Astrologie etwas dran ist.
Skeptiker können beweisen, dass Astrologie Humbug ist.
Wer hat nun recht?
Wie gesagt, ich mache mir selber ein Bild, denn wer etwas beweisen will, der dreht seine Worte so, wie er mag.
Dann wird behauptet, es läge am Mondjahr, obwohl kein Astrologe vom Mondjahr spricht.
Auch Seiten wie diese, sollten skeptisch betrachtet werden …
2. April 2020 um 13:36
@Mir egal:
Sollte eine Seite, die mit „Skepsis“ wirbt, nicht etwas besser recherchieren?
Sorry, aber sollten Kommentatoren, die auf einer skeptischen Seite sich dergestalt zu Wort melden, nicht etwas genauer lesen (und recherchieren)?
Wo sagt sie etwas über das Mondjahr?
Das steht auch nicht da, dass „sie“ (Frau Bauer-Wolf) etwas über das Mondjahr sagt.
Sondern es geht um die Frage, ob es eine außergewöhliche/staunenswerte prognostische Leistung ist, für März/April „Veränderungen“, „Umbrüche“ etc. vorherzusagen.
Das ist es nicht, weil das „Mondjahr“ (das angeblich im März beginnt) ein allgemein gebräuchlicher und bekannter astrologischer Topos ist, den ganz gewiss auch Frau Bauer-Wolf kennt.
Aus diesem Grund ist das eben nichts Außergewöhnliches.
Dann wird behauptet, es läge am Mondjahr, obwohl kein Astrologe vom Mondjahr spricht.
Alle Astrologen sprechen vom Mondjahr, einfach mal zum Beispiel „Mondjahr 2020“ oder „Mondjahr astrologisch“ googeln.
Astrologen können beweisen, dass an Astrologie etwas dran ist.
Das können sie eben nicht. Alle diesbezüglichen Versuche sind kläglich gescheitert, sei es die „Akte Astrologie“ oder andere Untersuchungen.
Astrologen bestehen nicht einmal simpelste Tests, wie zum Beispiel fünf detaillierte Geburtshoroskope fünf realen Personen zuzuordnen.
Skeptiker können beweisen, dass Astrologie Humbug ist.
Das können wir in der Tat, z.B. dass Astrologie kein „wissenschaftliches“, sondern ein rein mythologisches System ist, in dem seltsamerweise nur die paar Himmelskörper von Bedeutung sind, die die Astrologen willkürlich mit Bedeutung füllen, während die Abertausenden übrigen Planeten, Sterne, Sonnen, Kometen etc. einfach ignoriert werden.
Noch etwas, es gab mal eine Studie darüber, wie gesund Käse ist, mit dem Ergebnis, dass er sehr gesund ist. Wenn ich dann erfahre, dass dahinter eine holländische Käse Firma steht, verliert diese Studie für mich vollkommen an Glaubwürdigkeit.
Seltsamer Vergleich. Es gibt ja nicht nur *eine* Studie zur Astrologie, sondern viele, auch von Astrologie-gläubigen Personen, die ebenfalls negativ ausgegangen sind.
Wie gesagt, ich mache mir selber ein Bild.
Dann wünsche ich Ihnen, dass Sie dafür auch eine sinnvolle Methodik haben, und nicht bloß Wissenschaft an Käse festmachen.
5. April 2020 um 11:32
Hallo, ich war im Januar auf einem Astrologie Kongress in Zürich. Dort wurde das aktuelle Szenario in einigen Workshops annähernd deckungsgleich als Ausblick für 2020 beschrieben. Ich bin vom Coronavirus und seinen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Folgen darum nicht sonderlich überrascht. Ich will damit nicht sagen, dass das ein oder der Beweis ist. Aber ein guter Hinweis darauf, warum es für die Beschäftigung mit Astrologie eben doch für manche Menschen durchaus nachvollziehbare Gründe gibt. Ich fände es gut, wenn Skeptiker und Kritiker diese konkrete Erfahrungsebene gelten lassen könnten.
5. April 2020 um 11:56
@Konstantin Dorsten:
Im Januar gab es in China bereits eine Epidemie mit völlig vorhersehbaren globalen Folgen. Auch unser erster Blog-Artikel zu Corona ist vom Januar.
Für diese „konkrete Erfahrungsebene“ brauche ich eine Tageszeitung, aber keine Astrologie.
5. April 2020 um 12:25
@ Mir egal
„… wer etwas beweisen will, der dreht seine Worte so, wie er mag!“
Eine für mich befremdliche Aussage!
„Wie er mag?“
Nö. Wenn Fakten auf dem Tisch liegen, zählen nur diese. Da braucht niemand „seine Worte zu drehen!“