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„Impfen“ im Deutschlandfunk: Zwischen Herdenschutz und Verschwörungstheorie

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Gutes Hörfunk-Feature im Deutschlandfunk (zirka 43 Minuten):

Der Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie Dr. Frank Hünger vom Impfcentrum Dortmund erläutert zunächst ausführlich das Prinzip sowie den Sinn und Zweck von Impfungen.

Danach muss sich die impfkritische Kinderärztin Nicola Fels, die in einer Gemeinschaftspraxis für „integrative Medizin“ arbeitet, kritische Fragen von der DLF-Journalistin Stephanie Gebert gefallen lassen.

Gebert besucht einen Vortrag der anthroposophisch geprägten Medizinerin, den sie als „sehr anekdotisch“ erlebt:

Nicola Fels erzählt Geschichten, selten zitiert sie Studien, und wenn Zahlen fallen, dann ohne Quellenangaben.

Im Interview weicht Fels aus, wiederholt immer wieder dasselbe und versteigt sich schließlich zu dem „Argument“, dass das Polio-Virus „nur noch in drei Ländern“ heimisch sei.

Ja – und? Klar gilt Europa als poliofrei. Klar wurde in Deutschland der letzte einheimische Polio-Fall 1990 registriert.

Dass das aber kein Naturgesetz ist und eben etwas mit der Durchimpfungsrate zu tun hat, scheint Fels nicht zu begreifen.

Plötzliche Ausbrüche wie etwa im Kongo, in Papua-Neuguinea oder in Venezuela zeigen, dass die Einschleppung von einzelnen Poliofällen aus dem Ausland prinzipiell jederzeit möglich ist.

Stattdessen lamentiert die Frau Doktor wortreich über die aufgeladene Impf-Diskussion in Deutschland, obwohl es doch eigentlich nur wenige Ungeimpfte hierzulande gebe.

Dass es wichtig ist, dass das so bleibt, scheint auch „Eingeimpft“-Regisseur David Sieveking immer noch nicht so recht einzuleuchten.

Im Gespräch mit Gebert gibt der Filmemacher zwar zu erkennen, dass er durchaus weiß, was „Herdenschutz“ und „Impfmüdigkeit“ bedeuten – aber viel wichtiger ist ihm, dass angeblich „eine Kampagne“ gegen ihn laufe und dass seine Pseudo-Doku doch bloß als „Denkanstoß“ gemeint sei.

Man hofft, dass beide – Fels und Sieveking – die Deutschlandfunk-Sendung auch selbst angehört haben, insbesondere den Mittelteil, wo eine Mutter von ihrem schwerbehinderten Sohn berichtet, der sich im Alter von acht Monaten im Wartezimmer einer Kinderarztpraxis mit Masern angesteckt hat und heute an SSPE leidet.

Dazu passend das Schlusswort von Dr. Hünger:

Wir sehen heute keine Kinder mehr mit Kinderlähmung, wir sehen niemanden, der an Wundstarrkrampf, an Tollwut verstirbt. Wenn diese Bilder wieder präsent wären, hätten wir eine ganz andere Einstellung zu Impfungen in der Gesellschaft.

Zum Weiterlesen:

  • Reizthema Impfen: Zwischen Herdenschutz und Verschwörungstheorie, Deutschlandfunk am 22. September 2018
  • Sachbuch „Eingeimpft“: Verirrt zwischen den Meinungen über das Impfen, Deutschlandfunk am 31. August 2018
  • Was Filme wie „Eingeimpft“ oder „A Man Made Epidemic“ beim Zuschauer anrichten, GWUP-Blog am 15. September 2018
  • nano-Video: Die Psychologie der Impfgegner und Leugner des anthropogenen Klimawandels, GWUP-Blog am 14. September 2018
  • „Eingeimpft“-Premiere in Köln: Von Dialog keine Spur, GWUP-Blog am 11. September 2018
  • Epidemien: Der rätselhafte Tod der Janet Parker, tagesspiegel am 22. September 2018

3 Kommentare

  1. Homöopathie ist wie Nichtimpfen von Kindern eine traurige Zeiterscheinung in dekadenten Ländern, in denen dumme Menschen durch Religions- und Bildungsferne Ersatzkulte suchen zum Füllen des eigenen Sinnvakuums und Regierungen leider tatenlos zusehen, wie Wahnsinn Mainstream wird.

    https://twitter.com/Kachelmann/status/1041324473864151046

  2. Um besser zu verstehen, warum radikale Impfgegner immer wieder Anhänger finden, habe ich einen »Kurs« eines solchen »Experten«, der leider auch promovierter Mediziner ist, besucht. Ich habe mich anfangs nicht als Arzt zu erkennen gegeben und habe mir etwa zwei Stunden lang – mit sehr großer Überwindung und ohne mich zu Wort zu melden – Lügen, absoluten medizinischen Unsinn und massenweise Anschuldigungen gegen die Schulmedizin angehört.

    http://www.medmix.at/argumente-impfgegner/

  3. @ crazyfrog:

    Zitate sollte man eigentlich durch Anführungsstriche kennzeichnen.

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