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Homöopathie-Kritik: Küsschen statt Kügelchen

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Homöopathie-News:

INH-Mitglied Dr. Benedikt Matenaer erklärt bei Allgemeinarzt-online sein Engagement gegen die Homöopathie.

Ich hatte einige Schlüsselerlebnisse. So habe ich früher immer wieder mitbekommen, wie eine homöopathisch orientierte Kollegin an ihre Patienten ihre Kügelchen verteilt hat. Die schienen auch gar nicht schlecht zu wirken.

Als sie von mir dann aber mal andere Globuli erhielten, wirkten die genauso gut. Daraufhin habe ich mich genauer informiert und auch mit dem angeblichen Wirkungsmechanismus beschäftigt, den ich absolut nicht nachvollziehen kann.

Außerdem habe ich mehrfach erlebt, wie Patienten in palliativer Situation, die sich oft an jeden Strohhalm klammern, von Homöopathen unseriöse Heilversprechen gemacht wurden. Bedenklich finde ich auch, dass gerade Kinder eine beliebte Zielgruppe von Homöopathen sind.

Die bekommen von der Mama dann auch bei jedem Mückenstich oder blutenden Knie „Kügelchen“. Das Kind lernt also, dass man bei jedem Wehwehchen unbedingt etwas einwerfen muss. Ich halte diese Medikalisierung für eine unheilvolle Entwicklung. Bei meinen Kindern gibt es Küsschen statt Kügelchen.“

Derweil meint ein Heilpraktiker, den Skeptikern „schon wieder eine signifikant positive Studie zur Homöopathie“ entgegenschleudern zu können. Nope – es handelt sich bloß um die übliche Luftnummer, diesmal eine Anwendungsstudie zum Präparat Monopax gegen Reizhusten.

Udo Endruscheit zeigt bei Keine Ahnung von Garnix dem Herrn Heilpraktiker die verschiedenen Denkfehler auf. (Update: Zwischenzeitlich hat der Heilpraktiker den Tweet gelöscht.)

Und der ehemalige DZVhÄ-Vorsitzende Curt Kösters beharrt darauf, dass sich die Anwendung von Homöopathika keinesfalls mit einem Regentanz vergleichen lasse.

Doch – antwortet Dr. Norbert Aust in seinem Blog Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie:

Was mich etwas wundert, ist die Art und Weise, wie Sie die Kausalität bewerten, nämlich alleine aufgrund der vergangenen Zeit zwischen Einnahme und Besserung. Das wesentliche Kriterium einer Kausalität ist aber nicht der zeitliche Zusammenhang, sondern das Ausbleiben einer Wirkung, wenn das auslösende Ereignis nicht stattfindet.

Ich bezweifle, dass Sie dies in einem Praxissetting feststellen können, da Ihnen die Vergleichsgruppe fehlt.“

Zum Weiterlesen:

12 Kommentare

  1. Nachdem der Heilpraktiker letzte Woche ein Riesenfass aufgemacht hatte und sich durch nichts irgendwie von seinem scheinbaren Triumph abbringen ließ, meint er heute, meine Darstellung sei unnötig dramatisch, das hätte doch nicht Not getan… ok, ja, die Studie hätte „Schwächen“… . Schwächen ist gut. Ein Häufchen Bestätigungsforschung der übelsten Sorte, für die sich die Produzenten schämen sollten.

    Nett, dass der HP zurückrudert. Aber er hätte doch nicht den ganzen wunderbaren Thread löschen müssen (in dem er sich zudem als Hardcore-Impfgegner geoutet hatte).

  2. Da wird einem ja ganz anders – wie kann sich denn ein approbierter Arzt in einer Mischung aus Dummheit und Sadismus so gegenüber einem Kind aufführen? Und dann noch ausgerechnet im Notdienst, wo die Eltern und das Kind faktisch keine andere Wahl haben!

  3. Interessant ist bei der Luftnummer Monopax auch, dass der immer häufiger in den Medien als „seriöser“ Vertreter der Naturheilkunde präsentierte Prof. Andreas Michalsen (Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus Berlin und Inhaber der Stiftungsprofessur für klinische Naturheilkunde am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité-Universitätsmedizin Berlin) einer der Autoren ist.

    Beim sinnlosen Verschleudern von Forschungsgeldern scheint die ehemalige Inhaberin der Stiftungsprofessur, Prof. Claudia Witt, einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben.

  4. @Excanwahn
    Ganz abgesehen davon, dass Homöopathie eben KEIN Bestandteil der klassischen Naturheilkunde ist, sondern von den „Alternativ“medizinern einfach aus strategischen Überlegungen dieser zugeordnet wurde. Otto Normalverbraucher aber versteht diesen wichtigen Umstand meist nicht.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Naturheilkunde

  5. Interview mit Natalie Grams in der österreichischen Bauernzeitung:

    https://twitter.com/nataliegrams1/status/978968382384025600

  6. @ excanwahn: Frau Witt fand ich eher harmlos im Vergleich zu Herrn Michalsen.

    Die enervierende Sendung des gestrigen Abends, in der der Mann selbstverfreilich auch auftrat, war im RBB zu finden, zunächst in RBB Raxis, danach noch in einer dreiviertelstündigen Sendung zum Thema Arthrose, in der auch Heilpraktiker nicht fehlen durften (http://mediathek.rbb-online.de/tv/Die-Wahrheit-%C3%BCber-/Die-Wahrheit-%C3%BCber-Arthrose/rbb-Fernsehen/Video?bcastId=47569466&documentId=51205512).

    Besonders schön dabei fand ich die Ayurvedaanwendungen inklusive Buddhafigürchen (hat mit Ayurveda nichts zu tun) – und das im Immanuel-KH Berlin, Teil der Immanuel Diakonie, laut eigener Website „eine diakonische, gemeinwohlorientierte Unternehmensgruppe der baptisten.schöneberg (Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Berlin-Schöneberg, Hauptstraße, K.d.ö.R.)“.

    Synkretismus ist halt was feines, wenn die Kasse stimmt.

    Und das blödeste an der Sache: Aus der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Immanuel Diakonie weiß ich, daß die – eigentlich – fachlich ziemlich gut sind.

    Warum die sich diesen Knallkopp Michalsen glauben leisten zu müssen? Ehrlich, ich weiß es nicht, denn sie hätten es gar nicht nötig.

  7. @ borstel

    „Synkretismus ist halt was feines, wenn die Kasse stimmt.“

    Da ist wohl wahr. Und bevor die Inhaber vor ein paar Jahren den Kurswechsel zur Medizin jenseits des Verstandes vollzogen haben, war das Immanuel eine Zeitlang auch nicht so ganz gut beeinander.

    Aber den Ruf als Zuckerkugelklinik, den haben sie dort zweifellos: Vor einigen Tagen war ich mit der U3 von der Krummen Lanke zum Wittenbergplatz unterwegs, und bekam die lautstark (wohl wegen Schwerhörigkeit) geführte Unterhaltung zweier lebenserfahrener Damen mit, die sich, wie in dem Alter wohl üblich, ihre Krankenhauserfahrungen berichteten, wobei die eine in den höchsten Tönen vom Waldfriede schwärmte (liegt direkt an der U3 Station „Krumme Lanke“), die andere aber von „dit Hommöpathie Krankenhaus in Wannsee“ begeistert war, „die sind alle so nett da, weeßte, nur det Essen, weeßte, det Essen, det is jewöhnungsbedürftich. Aber soll richtich jesund sein, sagen se.“

    Die eine darauf: Im Waldfriede gab et heute Könichsberjer, warn lecker. Die andere wieder: Mir hamse jesagt, ick sollte mal fasten. Also bei Könichsberjer, dit wer mir schwerjefallen…

    Das sagt zwar noch nichts über das Wirken und die Wirkung von Michalsen aus, aber ich glaube, die ganze Sache mit der „alternativen Heilkunst“ hat sich noch nicht so richtig etabliert – und wird es wohl (Wannsee ist eben nicht Prenzelberg) auch nicht so schnell.

    Als ich nämlich vor etwa zwei Jahren mal ein Informationsangebot des Immanuel „Hommöpathie und anderer Unsinn bei Alltagsmalaisen“ wahrnehmen wollte, und mich, mit der richtigen Stimmungslage (und diversen Notizen zur Evidenz) versehen, nach Wannsee begab, da war ich, nun ja, der einzige Teilnehmer – und hatte die unerwartete Gelegenheit, die wehrlose Vortragende eine Stunde lang vollkommen ungehindert zutexten zu können, und dabei – mal wieder – feststellen zu können, wie hilflos auch die ärztlichen Homöopathen sind, wenn man nur allein die richtigen Fragen stellt.

    Jedenfalls ist es nicht so, dass der sieche Berliner Süden, ohnehin nicht gerade unter zu geringer Krankenhausdichte leidend, bevorzugt den Weg ins Immanuel sucht, nur weil Michalsen dort tätig ist.

    Schon allein wegen der Könichsberjer.

  8. GRINS!! Kann mir lebhaft vorstellen, wie das zwischen den Damen abjeloofen is – Berlin bleibt halt Berlin!

  9. Zerstört nicht den Placebo…denn das ist das Einzige, was die Homöopathie hat ;-)

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