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Claudia Witt: Homöopathie ist unspannend und nicht wirksamer als Placebo

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Seit Anfang 2014 belegt Claudia Witt den Lehrstuhl für komplementäre und integrative Medizin der Universität Zürich.

Um ihre Berufung hatte es einigen Wirbel gegeben– so sprach sich zum Beispiel Edzard Ernst als Mitglied der Berufungskommission dagegen aus und zog sich schließlich sogar unter Protest aus dem Gremium zurück.

Jetzt ist im Züricher Tagesanzeiger ein Interview mit Witt erschienen, in dem sie unter anderem ihre Haltung zur Homöopathie erläutert:

In Berlin haben Sie früher viel Homöopathieforschung betrieben. In Zürich ist dieses Thema komplett abwesend. Was ist passiert?

Ich habe zwar mehr Akupunkturforschung betrieben, aber auch zur Homöopathie geforscht.

Wir haben eine placebokontrollierte Studie mit homö­o­pathischen Arzneimitteln durchgeführt und die Arzt-Patienten-Interaktion in homöopathischen Praxen untersucht. Hinzu kamen eine große Beobachtungsstudie und gesundheitsökonomische Analysen.

Ich wüsste im Moment nicht, wo ich sinnvollerweise weitermachen sollte in der Homöopathieforschung. Meines Erachtens gibt es aktuell spannendere Forschungsfragen in der Komplementärmedizin.“

Ihre Professur in Berlin wurde einige Jahre von einer Stiftung finanziert, welche sich unter ­anderem die Förderung der  Homöopathieforschung auf die Fahne geschrieben hat. Stand bei Ihnen der Bereich deshalb mehr im Vordergrund?

Meine Forschungsinhalte waren immer vollkommen frei, die Stiftung machte bezüglich der Professur keine Vorgaben. Zudem stammten die Stiftungsgelder aus Mitgliedsbeiträgen von Zehntausenden von Bürgern, die an unterschiedlichen Themen der Komplementärmedizin interessiert sind.

In der Zeit der Stiftungsprofessur habe ich breit geforscht, unter anderem zu Akupunktur, Qigong und Homöopathie. Die Freiheit von Forschung und Lehre ist für mich ein ausschlaggebender Aspekt, weshalb ich gerne an einer Universität tätig bin.“

Der profilierte Alternativmedizin-Kritiker Edzard Ernst sagt, dass Homöopathie nach so vielen Jahren ergebnisloser Forschung als ­wirkungslos bezeichnet werden muss. Sind Sie auch an diesem Punkt?

Bei der Diskussion geht es primär um die hochverdünnten homöopathischen Arzneimittel.

Seit über fünf Jahren finden Sie von mir eine offizielle Stellungnahme zur Homöopathie im Internet. Meine Aussage – dass nicht belegt ist, dass homöopathische Arzneimittel mehr als ein Placebo sind – gilt auch heute noch. Die Studienergebnisse zur Wirksamkeit sind uneinheitlich, und meine Einschätzung basiert auf der zumeist schlechten Qualität der Studien.

Man kann aber nicht einfach sagen, Homöopathie sei wirkungslos. Erstens ist Homöopathie mehr als die Gabe von Arzneimitteln.

Zweitens ist es methodisch nicht korrekt, einfach den Umkehrschluss zu ziehen, im Sinne von: Nun liege der Beweis vor, homöopathische Arzneimittel seien ein Placebo. Das lässt auch die Qualität der Studien nicht zu.

Prinzipiell ist dies aber eher eine akademische Diskussion, die wichtige versorgungsrelevante Information ist: Es konnte nicht gezeigt werden, dass homöopathische Arzneimittel besser wirken als Placebo.“

Sie reden bewusst nur von ­homöopathischen Arzneimitteln.

Wir haben in einer großen Beobachtungsstudie die gesamte homöopathische Behandlung mit Arztgespräch und Diagnosestellung untersucht und bei chronisch kranken Patienten große ­Effekte gefunden.

Bringe ich das zusammen mit der bereits geschilderten Evidenzlage, wird klar: Da muss was anderes wirken als die Arzneimittel.

Die Homöopathie hat eine besondere Arzt-Patienten-Interaktion. Daraus könnte man interessante Anregungen für die Medizin insgesamt übernehmen.“

Tatsächlich ist die besagte Stellungnahme von Frau Witt seit langem bekannt, worauf etwa Prof. Martin Lambeck vom GWUP-Wissenschaftsrat bei seinen Vorträgen verweist.

Andererseits komme die Sozialmedizinerin und Epidemiologin nach Edzard Ernsts Auffassung regelmäßig zu Schlussfolgerungen, die die Homöopathie in einem guten Licht erscheinen lassen, aber durch die Daten nicht gestützt würden.

Wir werden sehen, wie es in Zürich weitergeht.

Immerhin scheint Frau Witt in Sachen Homöopathie nicht die Nonsens-Forderung nach „mehr Forschung“ zu vertreten.

Zum Weiterlesen:

  • Interview mit Claudia Witt, Tagesanzeiger am 25. Juni 2015
  • Die Homöopathie und die Versorgungsforschung, GWUP-Blog am 9. November 2012
  • Versorgungsforschung: Die „dogmatischen“ Skeptiker, GWUP-Blog am 2. Juni 2012
  • Homöopathie im BR: Peinlichkeit kennt keine Grenzen, GWUP-Blog am 24. April 2013
  • Quo vadis, Homöopathie-Forschung? GWUP-Blog am 2. November 2012
  • Alternative Heilverfahren an Hochschulen: Wissenschaft in homöopathischen Dosen, Süddeutsche am 31. Oktober 2012
  • Anklage: Nestbeschmutzer, Weltwoche 45/2012
  • Naturheilkunde an der Universität Zürich: Wissenschaft unerwünscht? Skeptiker Schweiz 10/2012
  • The real world demonstrates: homeopathic remedies are placebos, edzardernst am 12. Februar 2013
  • Homöopathie: Brauchen wir “mehr Forschung”? GWUP-Blog am 8. August 2010
  • Homöopathie: „Neue Gedanken“ dazu von einem Kassenvertreter und einer Ärztin, GWUP-Blog am 19. Mai 2015
  • Homöopathie: Nicht Globuli sind entscheidend, sondern ärztliche Zuwendung, GWUP-Blog am 18. Juli 2014

3 Kommentare

  1. Die Nagelprobe für irgendeine Form des Sinneswandels bei Frau Prof. Dr. Witt, MBA, wird der neue Evaluationsprozess in der Schweiz ab 2017 sein.

    Meine *Vermutung* war/ist es, dass die Damen/Herren von IKOM, der Witten-Herdecke GmbH und andere Gläubige allerhöchst erfreut waren über den Ruf von Witt auf diesen Stuhl und dass einer der Gründe für diese Freude eben der ist, bei der kommenden Evaluation die messerscharfe Formulierungshilfe von Witt geniessen zu dürfen.

    Man wird sehen.

  2. Interessant wird es, wenn sie jetzt weiterforscht und ihr nächstes Lieblingskind, die ebenso unwirksame Akupunktur entzaubert… Irgendwann gehen ihr dann die Themen aus…

    Im Ernst: es ist doch ein Skandal, dass jemand auf einen öffentlichen Lehrstuhl geraten kann, die viele Jahre lang nicht mal ein wissenschaftliches Denkniveau erreicht hat, das schon Kindergartenkindern nach dem Lesen von ein, zwei seriösen Sachbüchern offensteht.

    Und jetzt macht sie diese Forschung auf Grundschulniveau, und ist plötzlich die große Heldin? Das ist schon ziemlich absurd.

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