Behaupten Homöopathie-Kritiker wirklich, dass Homöopathie „nicht möglich“ sei, wie das Homeopathy Research Institute (HRI) in London meint?
Darum geht es im dritten Teil der Serie „Zur Kritik an der Homöopathiekritik“.
Das Fazit:
Auch wenn unser Wissen über die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge der Welt bei Weitem noch nicht vollständig ist, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass eines Tages die arzneiliche Wirksamkeit homöopathischer Präparate erklärbar wird, zumal mit den Effekten, die in den verschiedenen Repertorien beschrieben sind.
Der Widerspruch der homöopathischen Lehre zu gesichertem und im alltäglichen Leben, in Wissenschaft und Technik bewährtem Wissen ist zu groß.
Es müssten schließlich nicht nur Modelle gefunden werden, die die Wirksamkeit erklären, sondern sie müssten auch erkennen lassen, warum diese Effekte bei ähnlichen Vorgängen außerhalb der Homöopathie nicht auftreten.
Das ist so unwahrscheinlich, dass es als unmöglich angesehen werden kann, etwa vergleichbar mit der Wahrscheinlichkeit, in einem Fläschchen einer C200-Potenz ein Atom/Molekül der Urtinktur wiederzufinden. 1:10^380 ist nicht identisch Null – ist aber für alle Belange des praktischen Lebens klein genug, um es mit Null gleichzusetzen.“
Zum Weiterlesen:
- Serie „Zur Kritik an der Homöopathiekritik“ – Teil III: „Wissenschaftler sagen, Homöopathie ist nicht möglich“, INH am 2. Januar 2018
- Kritik an der Homöopathiekritik III – „Homöopathie ist unmöglich“, Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 3. Januar 2018
- Zur Kritik an unserer Homöopathiekritik – III: „Wissenschaftler sagen, Homöopathie ist unmöglich“, Susannchen braucht keine Globuli am 3. Januar 2018
- Homöopathie: Gibt es gute Studien, die eine Wirksamkeit über Placebo hinaus zeigen? GWUP-Blog am 3. Dezember 2017
- Neue Serie: “Zur Kritik an der Homöopathie-Kritik”, GWUP-Blog am 12. November 2017
4. Januar 2018 um 15:00
Ich verstehe, dass der Artikel versucht diplomatisch zu bleiben, aber ich halte die Aussage trotzdem für falsch, dass es nicht redlich wäre, es als unmöglich zu bezeichnen, dass Homöopathie wirkt.
Wenn Homöopathie (in hohen Potenzen) wirken würde, wäre in letzter Konsequenz so ziemlich alles, was wir über die Natur wissen, falsch. Wenn man es als unmöglich bezeichnen würde, dass aus zwei Äpfeln durch wegnehmen eines Apfels plötzlich drei werden, dann sollte man es auch als unmöglich bezeichnen, dass D30-Potenzen wirken können.
4. Januar 2018 um 22:29
In diesem Artikel wurde versucht, den Standpunkt der Wissenschaften zur Homöopathie zu verdeutlichen.
Es dabei nicht darum, ob es redlich wäre, die Homöopathie als unmöglich zu bezeichnen, sondern darum, was Wissenschaftler sagen. Und dies beschränkt sich darauf, dass die Aussagen nicht mit den gegenwärtigen Kenntnissen in Deckung zu bringen sind bzw. dass keine entsprechenden Nachweise vorliegen.
Schließlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich unser Wissen über die Abläufe in der Natur ganz gehörig ändern kann.
Man kann aber aufgrund der im Text geschilderten Fakten davon ausgehen, dass die Möglichkeit, eine Erklärung zu finden, verschwindend gering ist, so dass wir es als unmöglich ansehen können, dass eine solche Erklärung existiert, die nicht nur die Phänomene erklärt, die bei einer Wirksamkeit der Homöopathie gegeben sein müssten, sondern auch, warum diese Phänomene außerhalb der Homöopathie nicht auftreten.
4. Januar 2018 um 22:39
@ cero: Ich denke, es wäre nicht redlich, eine solche Absolutaussage zu treffen. Die Wahrscheinlichkeit eines Wirkungsnachweises geht gegen Null, ist aber nicht Null. Es wäre höchst angreifbar, wenn die Homöopathiekritiker hier eine Absolutposition vertreten würden. Sie würden sich damit nämlich damit nicht mehr in Übereinstimmung mit dem derzeit geltenden Wissenschaftsbegriff befinden.
Dieser Wissenschaftsbegriff beinhaltet einmal den Kritischen Rationalismus, der nicht mehr von einem „absoluten Wissen“ ausgeht (anders als Francis Bacon, der noch vom Vorhandensein eines solchen Wissens überzeugt war: „manifest thruth“ und zum anderen vom Popperschen Falsifikationismus, also der aus dem Grundsatz der Falsifizierung abgeleiteten Methode, (diese beiden Begriffe bezeichnen zwei unterschiedliche Dinge).
Die Poppersche Methode setzt inhärent ja gerade voraus, dass jedes Wissen nur vorläufiges Wissen, wenn auch mit einem unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrad,ist. Sonst würde ihr Ansatz der „Wahrheitssuche durch Fehlerbereinigung“ ja gar keine Berechtigung haben.
In diesem Fall hier geht es gerade darum, dem HRI die von ihm formulierte Absolutaussage, die sie den Kritikern „in die Schuhe schieben wollen“, nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Nur auf dem Wege, aufzuzeigen, dass hier vom HRI ein falscher Wissenschaftsbegriff zugrunde gelegt wird, kann man ja deutlich machen, was die Studien wirklich wert sind, die dort als „Beleg“ angeführt werden. Im Wortsinne könnten sie ja, auch mit ihren geringen Effekten, eine Widerlegung der Absolutaussage darstellen.
Es ist also weder Diplomatie noch taktische Zurückhaltung, wenn der Beitrag hier die Verhältnisse geraderückt. Es ist ein Teil der Widerlegung des „Argumentationsgebäudes“ des HRI.
5. Januar 2018 um 15:25
@Norbert Aust:
„Es dabei nicht darum, ob es redlich wäre, die Homöopathie als unmöglich zu bezeichnen, sondern darum, was Wissenschaftler sagen.“
Aber genau das steht in dem Artikel. Zwei Zitate daraus:
„Kein ernstzunehmender Wissenschaftler würde so von einer „Unmöglichkeit“ sprechen.“
„Eine „Unmöglichkeit“ von irgendetwas zu postulieren, ist weder wissenschaftlich redlich noch erforderlich.“
Ich denke diese Passagen sind vor allem die, mit denen ich ein Problem habe. Es gibt einen Unterschied zwischen Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation. Und in letzterem ist es absolut plausibel und sogar sinnvoll von „Unmöglichkeit“ zu sprechen.
@Udo Endruscheit:
Mir ist absolut klar, warum es rein wissenschaftlich gesehen keine „Unmöglichkeit“ gibt. Aber der wissenschaftliche Begriff von Unmöglichkeit und die Alltagsverwendung des Begriffs gehen weit auseinander. Wie ich oben schon gesagt hat, wenn man es für unmöglich hält, dass aus zwei Äpfeln plötzlich drei werden, wenn man für unmöglich hält, dass Wasser sich spontan in Gold verwandelt, dann kann und sollte man genauso die Wirksamkeit der Homöopathie als unmöglich bezeichnen, auch als ernstzunehmender Wissenschaftler.
Ich finde es daher auch falsch, sich zu stark von dieser Aussage zu distanzieren. Man sollte natürlich erklären, was damit gemeint ist, wenn ein Wissenschaftler von unmöglich spricht und warum . Genau genommen hat man mit dieser Distanzierung nämlich überhaupt nicht das Argument der Homöopathen entkräftet, dass Wissenschaft ja immer im Wandel sei.
Stattdessen widerspricht man sich im letzten Abschnitt selbst:
„Zudem gibt es Naturgesetze, die weder beeinflussbar sind noch durch etwas anderes ersetzt werden können. Diese Naturgesetze sind die absolute Barriere für Spekulationen auf „alles ist möglich“ und „die Wissenschaft kann noch nicht…“. Perpetua mobilia sind unmöglich und werden es bleiben, ebenfalls Geschwindigkeiten oberhalb der Lichtgeschwindigkeit.“
Die Wirksamkeit von Homöopathie und Pereptua mobilia stehen bezüglich der Unmöglichkeit auf einer Stufe. (Ich wette durch ein wenig Nachdenken kann man unter der Annahme funktionierender Homöopathie auch Widersprüche zum Energieerhaltungssatz erzeugen)
5. Januar 2018 um 20:10
Ich stimme Udo Endruscheit in allen Punkten zu.
Eine solche Verabsolutierung macht den Wissenschaftsbetrieb angreifbar und den Erkenntnisgewinn nicht haltbar.
Vermag vielleicht die Psychologie und Neurologie in naher Zukunft mehr Antworten auf die Fragen zu liefern, welche psychische, immunologische oder andere Selbstheilungsmechanismen, die einen hohen Stellenwert bei der Erklärung des Phänomens besitzen, in welcher Art vom Anwender ausgelöst werden.
Auch wenn hier die empirische Analyse nicht unumstritten ist, führen viele etablierte Erklärungsmodelle in die richtige Richtung.
5. Januar 2018 um 21:43
Sich dezidierter Aussagen über Möglichkeit oder Unmöglichkeit von etwas zu enthalten, ist keineswegs der Standpunkt der Wissenschaft.
Wissenschaft ist konkret und kann nur je zu den Gegenständen etwas sagen, mit denen sie sich befasst. Allgemeine „Standpunkte“ kennt sie nicht.
Gleichwohl sind philosophische Deutungen auch unter Wissenschaftlern beliebt, betreten als solche aber die Welt der Prosa.
Die Unmöglichkeit homöopathischer Wirkung zu behaupten, setzt sicher einen Überblick voraus zu dem, was da eigentlich möglich sein sollte. Dieser Überblick allerdings liegt hinreichend vor.
Er liegt vor, was die kausalen Zusammenhänge eben jener Leiden betrifft, die Homöopathie vorgibt, heilen zu können. Er liegt vor zu allen physikalischen und informationstheoretischen Aspekten, die für die, in der Homöopathie behaupteten Mechanismen relevant sind. Und er liegt vor, zur Vor- und Entstehungsgeschichte der homöopathischen Idee.
Eine Veränderung der Erkenntnislage durch zukünftiges Wissen anzunehmen, setzt Fehlstellen voraus, die innerhalb des beschriebenen Kontextes sichtbar sein müssen.
Das ist aber nicht der Fall.
Das Wissen in der Biochemie und der Physik überschreitet mehrfach die notwendige Erklärungstiefe, um jede Lücke zu schließen, durch die der Homöopathie noch ein Spekulationsraum sichtbar würde.
Analog kann keine zukünftige Erkenntnis jemals das heutige Wissen zum Rotationsverhältnis von Erde und Sonne revidieren. Es wäre ja sonst auch gar kein Wissen.
Man kann eben sehr wohl sagen, dass alle, auf dem gut einsehbaren Teich schwimmenden Schwäne weiß sind.
A,K.
6. Januar 2018 um 15:16
In der Diskussion „wirkt Homöopathie?“ sollte man nicht vergessen, dass bei wirksamen Medikamenten, ja für jede Indikation klinische Wirksamkeitsstudien durchgeführt werden müssen- zusätzlich zu dem präklinischen Forschungsbedarf.
Also beispielsweise bei Acetylsalicylsäure vulgo Aspirin, die schmerzstillende Wirkung und daneben die antikoagulatorische Wirksamkeit bei kleinen Dosen. Zwei unterschiedliche Wirksamkeitsprinzipien bedingen beim gleichen Molekül in unterschiedlichen Dosierungen die Notwendigkeit verschiedenen Studien incl unterschiedlicher Studiendesigns.
Bei komplexeren Arzneimitteln wie Impfstoffe darf man ja auch nicht sagen, Impfstoffe sind wirksam (wie es bei Homöopathie geschieht) , sondern jeder Impfstoff muss für sich auf die un Anspruch genommene Wirksamkeit geprüft werden – und das wird ja auch gemacht. Zusätzlich gibts dann ja auch noch Studien nach Zulassung, ob die Wirksamkeit im real life auch noch gegeben ist.
Das gibts alles bei der Homöopathie nicht, da wird behauptet „wirkt“ und das über alle Indikationen, Verdünnungen und Zubereitungen hinweg. Das ist halt einfach unseriös.
7. Januar 2018 um 22:13
@wolfgang
Um mal eine Brücke zu schlagen von Deinem Einwurf zum Thema:
Zu dieser allgemeinen Wirkungsbehauptung, die ja das Simile-Prinzip meint, kann man mittlerweile eben klipp und klar sagen, dass es nicht funktionieren kann.
Ob evtl. eine Substanz X bei täglich einem Liter D3 irgendwas bewirkt, ist eben nicht „Homöopathie funktioniert“.
Umgekehrt würde schon eine einzige klar ausgeführte Begründung, warum bei Krankheit Y das Simileprinzip 100%ig nicht funktionieren kann, diese allgemeine Behauptung negieren.
Dann wäre wenigstens ein redlicher Rückzug angesagt zu der Behauptung, Simile „könnte“ bei „manchen“ Krankheiten „funktionieren“. Zum Wissensstand, sagen wir 1930, wäre das vielleicht noch eine Gesprächsgrundlage.
A.K.
8. Januar 2018 um 11:18
A.K.,
Ich danke Ihnen für diesen wunderbar prägnanten Satz:
„Das Wissen in der Biochemie und der Physik überschreitet mehrfach die notwendige Erklärungstiefe, um jede Lücke zu schließen, durch die der Homöopathie [den Homöopathen] noch ein Spekulationsraum sichtbar würde.“
Er beschreibt die Situation treffend und pointiert.
Ich hoffe, ihn angesichts Ihres Nicknames(da liege ich doch richtig?) ungekennzeichnet zitieren zu dürfen.
12. Januar 2018 um 04:56
@vincent
Gerne. Ich stell den Satz unter Creative Commons License ;-)