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Video: Der Europäische Gerichtshof und die Sache mit den Impfschäden

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Grundsätzlich gut, dass Harald Lesch noch einmal die Sache mit den Impfquoten und dem Herdenschutz erklärt:

Nicht ganz korrekt ist allerdings seine Interpretation des EuGH-Urteils vom Juni, über das unter anderem der Science-Blog Gesundheits-Check berichtete.

Weder war das Urteil „ein Riesenschock für die Wissenschaft“ noch ist der wissenschaftliche Beweis künftig „obsolet“ beziehungsweise kann jeder einfach „alles behaupten und dann auch noch klagen“.

Im aktuellen Skeptiker (3/2017) erklärt der Richter und GWUP-Vorstand Ralf Neugebauer ausführlich den Sachverhalt.

Ein Auszug:

Der (inzwischen verstorbene) Kläger des Ausgangsverfahrens erkrankte nach Erhalt einer Hepatitis-B-Impfung an Multipler Sklerose und führt dies auf den Impfstoff zurück.

Vor diesem Hintergrund möchte das französische Gericht vom EuGH Auslegungshinweise zu einer Bestimmung der Produktsicherheitsrichtlinie erhalten. In dieser ist unter anderem geregelt, dass Hersteller für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt verursacht werden, ohne Rücksicht auf ein Verschulden haften.

Artikel 4 der Richtlinie bestimmt insoweit: „Der Geschädigte hat den Schaden, den Fehler und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden zu beweisen.“

Um diese Regelung geht es.

Das französische Gericht hat hierzu festgestellt, dass die Frage eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Multipler Sklerose „in der medizinischen Forschung weder nachgewiesen noch widerlegt ist“.

Diese Feststellung – nicht des EuGH, sondern des französischen Gerichts – ist nach dem, was mir Angehörige der medizinischen Wissenschaft sagen, eher unzutreffend. Das hatte der EuGH aber nicht zu entscheiden.

Die ihm gestellte Frage war vielmehr, ob in einem solchen Fall (Frage ist wissenschaftlich ungeklärt) der Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden aufgrund von Indizien trotzdem bewiesen werden kann.

Im Wesentlichen hat der EuGH entschieden, dass wenn klare Indizien diesen Schluss zulassen, dies möglich ist. Ausdrücklich abgelehnt hat der EuGH eine unwiderlegliche Vermutung in dem Sinne post hoc, ergo propter hoc.

Ob im vorliegenden Fall solche Indizien vorliegen, ist der Entscheidung des nationalen Gerichts vorbehalten.

Das ist losgelöst vom konkreten Fall völlig unspektakulär: Schlüsse aus Indizien ziehen Gerichte jeden Tag. Bedauerlich ist es allerdings, weil die Prämisse fraglich ist. Bedauerlich ist auch, dass die Indizien, die das französische Gericht anführt, insgesamt wohl nicht den Schluss auf einen ursächlichen Zusammenhang zulassen. Dann gilt der englische Grundsatz: „Bad cases make bad law.“

Bei der gegebenen Vorlagefrage war aber eine andere Entscheidung des EuGH nicht möglich.

Wäre es nicht besser gewesen, einen Zusammenhang nur als bewiesen zu erachten, wenn es darüber wissenschaftliche Erkenntnisse gibt? Die Antwort ist: nein.

Im Unterschied zu Wissenschaftlern müssen Richter Fälle entscheiden und können sich nicht auf den Standpunkt stellen „Further Research is needed“. Wenn man dann – sachverständig beraten – einen Schluss zieht, ist das im Allgemeinen nicht verwerflich. Es sind dem Kolumnisten eine ganze Reihe Fälle vorstellbar, in denen wir nie einen wissenschaftlichen Nachweis bekommen können.“

Einzelseiten aus dem Skeptiker kann man hier online kaufen.

Das ganze Heft gibt es gedruckt und als epaper.

Zum Weiterlesen:

  • „Musterbeispiel für Kritikresistenz“: Juristische Fachzeitschrift über Impfgegner, GWUP-Blog am 3. Oktober 2017
  • Impfgegnerin unterliegt vor dem BGH: Impfungen dienen dem Kindeswohl, GWUP-Blog am 23. Mai 2017
  • Wo die Reichen wohnen, gibt es am meisten Impfgegner, NZZ am 24. Oktober 2017
  • Impfgegner, Heilpraktiker und der confirmation bias, GWUP-Blog am 1. Oktober 2017
  • Impfschäden: Urteil des Europäischen Gerichtshofs schafft keine neue Evidenz, aerzteblatt am 27. Juni 2017
  • Anerkennung eines Impfschadens ohne wissenschaftlichen Nachweis, also einfach so? Gesundheits-Check am 3. Juli 2017
  • Impfen, Viren und die Gerichte, Skeptiker 3/2017

2 Kommentare

  1. Ein Zeichen dafür, dass der EuGH hier keineswegs einen Dammbruch unter Missachtung jeglicher Wissenschaft verursacht hat, ist das Ausbleiben von Klagewellen der Impfgegnerschaft, die es zweifellos gegeben hätte, träfe die Deutung von Prof. Lesch zu.

    Das ändert natürlich nichts daran, dass die juristische Darlegung im Urteil des EuGH Passagen enthält, die für sich genommen jedem wissenschaftlich orientierten Kritiker die Haare zu berge stehen lassen.

    Jura und Wissenschaft, das ist manchmal nicht ohne – dazu berichtet heute auch das INH in einem Beitrag, der im Grunde krasser ist als das EuGH-Urteil:
    https://www.facebook.com/249989248680621/photos/a.262863870726492.1073741829.249989248680621/533988106947399/?type=3

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