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„Musterbeispiel für Kritikresistenz“: Juristische Fachzeitschrift über Impfgegner

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In der Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS 5/2017) ist aktuell eine sogenannte Entscheidungsanmerkung zu dem BGH-Urteil vom Mai erschienen, bei dem es um einen Streit zwischen sorgeberechtigten Eltern über die Schutzimpfungen ihres Kindes ging.

Die Mutter wollte die vierjährige Tochter nicht impfen lassen, der (getrennt lebende) Vater zog vor Gericht – und bekam Recht. Der Bundesgerichtshof hielt …

… die üblichen Schutzimpfungen für medizinisch angebracht. Streiten sorgeberechtigte Eltern über dieses Thema, müssen Familiengerichte künftig dem Elternteil die Entscheidung darüber überlassen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kinds besser gerecht wird.”

Die ZJS (Autor: Nick Marquardt) merkt jetzt dazu an:

Impfgegner tummeln sich mittlerweile auf allen medialen Kanälen. Es überfordert viele Menschen, die Fülle von Informationsangeboten wahrzunehmen. Besonders schwierig ist es, seriöse Quellen von sog. „Fake News“ zu unterscheiden.

Immer wieder tauchen in Diskussionen Argumente gegen das Impfen auf. Die meisten davon wurden bereits mehrfach widerlegt. Das Robert-Koch-Institut selbst hat eine entsprechende Seite eingerichtet, um der Impfmythen Herr zu werden.

Wann immer es Streit um solche Fragen gibt, sind Gerichte nicht weit. Daher hatte auch der BGH in der oben genannten Entscheidung die Frage zu beantworten, welcher Elternteil mit welchen Argumenten über die Impfung des Kindes entscheiden darf.

Insbesondere die Argumentation der Antragsgegnerin ist ein Musterbeispiel für Kritikresistenz und fehlende medizinische Beratung.

Völlig zu Recht erteilt der BGH mit seiner Entscheidung Impfgegnern eine Absage. Angesichts der Faktenlage zum Thema Impfen ist das kaum verwunderlich. Die Geschichte der Impfungen – angefangen bereits im 18. Jahrhundert – ist mit wenigen Ausnahmen überaus erfolgreich gewesen. Ihnen ist beispielsweise die Ausrottung der Pocken zu verdanken.“

Der ZJS-Aufsatz streift auch den „Masern-Prozess“ und die Lügen, die Impfgegner darüber verbreiten:

Umso wichtiger ist es, dass der BGH nunmehr so deutliche Worte zum Thema Impfungen gefunden hat. Teilweise werden Urteile nämlich auf Seiten der Impfgegner verfremdet oder ungenau wiedergegeben, um damit Stimmung gegen das Impfen zu erzeugen.

Beispielhaft dafür ist die Entscheidung des OLG Stuttgart.3 Impfgegner suggerieren gerne, dass darin festgestellt wurde, dass das Masernvirus nicht nachgewiesen werden könne. Der Beklagte hatte dort 100.000 € ausgelobt für den Fall, dass mittels einer einzelnen wissenschaftlichen Publikation der Nachweis des Masernvirus erbracht würde.

Der Blick auf die Urteilsgründe zeigt, dass das OLG nur die Voraussetzungen dieser Auslobung geprüft hat. Es hat damit gerade nicht beurteilt, ob das Virus als solches nachgewiesen wurde. Tatsächlich legte der Kläger zum Nachweis mehrere Publikationen vor, sodass die Voraussetzung der Auslobung – eine einzelne Publikation vorzulegen – nicht erfüllt war.

Zugleich stellte das Gericht mittels eines Sachverständigengutachtens fest, dass das Masernvirus als solches schon vielfach nachgewiesen wurde.“

Um dieses Thema geht es auch in der „Recht esoterisch“-Rubrik im aktuellen Skeptiker (3/2017):

Impfen, Viren und die Gerichte“

Der Richter Ralf Neugebauer erklärt darin, dass der BGH keineswegs – wie der Virenleugner Stefan Lanka behauptet – die Existenz des Masern-Virus verneint hat, und stellt darüber hinaus eine weitere Impfgegner-Lüge vom Kopf auf die Füße:

Nein, der EuGH hat nicht entschieden, dass der Hepatitis-B-Impfstoff Multiple Sklerose verursacht.“

Einzelseiten aus dem Skeptiker kann man hier online kaufen.

Zum Weiterlesen:

  • Nick Marquardt: Gegen die Impfmärchen, ZJS 5/2017
  • Impfgegnerin unterliegt vor dem BGH: Impfungen dienen dem Kindeswohl, GWUP-Blog am 23. Mai 2017
  • Impfgegner, Heilpraktiker und der confirmation bias, GWUP-Blog am 1. Oktober 2017
  • Impfen, Viren und die Gerichte, Skeptiker 3/2017
  • Uns geht’s wohl zu gut! Skeptiker 3/2017 und hpd am 21. September 2017
  • Nur die bessere Geschichte schlägt Fake News, Basler Zeitung am 25. September 2017
  • Masernvirus und Impfungen: Die Irrungen des Stefan Lanka, GWUP-Blog am 2. Juli 2017
  • EuGH-Urteil: Präzedenzfall für Impfgegner? GWUP-Blog am 3. Juli 2017
  • Susannchens kleine Impfkunde – Zusatzstoffe und das liebe Geld, Susannchen braucht keine Globuli am 2. Oktober 2017
  • Susannchens kleine Impfkunde – Lügengeschichten, Susannchen braucht keine Globuli am 3. Oktober 2017
  • Tot, weil nicht geimpft (2), dieausrufer am 3. Oktober 2017

6 Kommentare

  1. Dazu heute:

    „Irrige Vorstellungen über die Gefahren von Impfungen lassen sich mit gängigen Aufklärungsstrategien offenbar nicht beseitigen – ganz im Gegenteil: So können Impfkampagnen die Impfskepsis sogar noch verstärken.“

    https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/impfen/article/944450/nutzlose-aufklaerung-impfkampagnen-koennen-impfskepsis-verstaerken.html

  2. Ach was, ich gehe unter die Impfgegnerforscher! Wie rasch kriege ich das schnuckelige Kerlchen auf dem Bild auf mein Sofa geliefert? Und muß ich dafür bezahlen?

  3. Herzlichen Glückwunsch, Ihr „Es gibt keine Viren“-Spinner!

    Totes Baby – Mutter hält HIV für „Mythos“

    https://www.deutschlandfunknova.de/nachrichten/totes-baby-mutter-haelt-hiv-fuer-mythos

  4. @ crazyfrog:

    Mit einem ähnlichen Fall aus den USA, Christine Maggiore, beginnt Sebastian Herrmann sein lesenswertes Buch „Starrköpfe überzeugen“.

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