gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Jenny McCarthy, ein Shitstorm und die Frage nach der besten Impfaufklärung

| 8 Kommentare

Unerwarteter Gegenwind für die Promi-Impfgegnerin Jenny McCarthy:

Via Twitter (Hashtag #jennyasks) wollte das Ex-Playmate wissen, wie der perfekte Partner sein sollte.

Aber anstatt der üblichen Plattitüden à la „treu“, „humorvoll“ oder ähnliches hagelte es Empfehlungen wie

Someone who cares enough about other people’s children to vaccinate their own“

oder

Someone who respects science and evidence and vaccinates her children“

oder

Someone who puts the interests of the community ahead of preserving their own absurd, unshakable ignorance“

Cool.

Derweil befasst sich ein aktueller Artikel in dem amerikanischen Fachjournal Pediatrics mit der Frage nach der effektivsten Form öffentlicher Impfaufklärung.

Das Ergebnis ist ernüchternd:

Current public health communications about vaccines may not be effective. For some parents, they may actually increase misperceptions or reduce vaccination intention. Attempts to increase concerns about communicable diseases or correct false claims about vaccines may be especially likely to be counterproductive. More study of pro-vaccine messaging is needed.“

Wie kommt diese Einschätzung zustande?

Ein Team um Dr. Brendan Nyhan vom Dartmouth College in Hanover (New Hampshire) konzipierte vier unterschiedliche Kampagnen und testete diese an 1759 Eltern mit Kindern unter 17 Jahren.

Die erste Kampagne zielte darauf ab, Falschinformationen richtigzustellen, indem erklärt wurde, dass es keine hinreichenden Belege für einen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus gebe.

Die zweite informierte rein textbezogen über das Masernrisiko.

Die dritte Kampagne zeigte aussagekräftige Fotos von erkrankten Kindern, die mit einer MMR-Impfung wahrscheinlich gesund geblieben wären.

Die vierte Kampagne konzentrierte sich auf die dramatische Geschichte eines Kindes, das fast an Masern gestorben wäre.

Eine Kontrollgruppe bekam ein Infoblatt, das ohne jeden Bezug zu Impfungen über die Kosten und den Nutzen der Winterfütterung von Vögeln aufklärte.

Anschließend wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie diesen Aussagen

  • „Einige Impfungen können bei gesunden Kindern Autismus auslösen.“
  • „Die MMR-Impfung kann schwere Nebenwirkungen verursachen.“

zustimmen oder nicht zustimmen. Und ob sie ihr Kind impfen lassen würden.

Es zeigte sich, dass keine der vier Botschaften die Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder impfen zu lassen, sonderlich förderte.

Zwar schien es so, dass die Aufklärung über den nicht vorhandenen Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus die Zustimmung zu dieser Falschinformation erfolgreich senkte.

Aber im Vergleich zur „Vogelfütterung“-Gruppe war die Zielgruppe dieser Kampagne trotzdem weniger geneigt, ihre Kinder impfen zu lassen – insbesondere jene Eltern, die Impfungen ohnehin bereits kritisch gegenüberstanden.

Auch die Fotos der erkrankten Kinder und die Geschichte des Kindes mit dem beinahe tödlichen Masernverlauf erzeugten einen Bumerang-Effekt und verstärkten bei den Eltern sogar noch den Eindruck, dass Impfungen gefährlich seien.

Deshalb vermuten die Forscher, dass die derzeitigen Aufklärungsbemühungen der US-Gesundheitsbehörden in Sachen MMR-Impfung wirkungslos verpuffen, da Impfskeptiker sogleich andere Bedenken und Befürchtungen vorschützen, wenn eine ihrer Überzeugungen widerlegt wird.

Auch von „Schock-Kampagnen” mit kranken Kindern und dramatischen Fallberichten raten die Experten ab.

Eltern neigten offenbar dazu, solche Storys unweigerlich mit der Impfung selbst zu assoziieren und negative statt positive Bezüge herzustellen.

Leider zeigen die Wissenschaftler um Brendan Nyhan keine Lösung auf:

 We need more evidence-based messaging about vaccines. We don’t know what works, and we need to learn more, rather than relying on hunches or intuition.“

Vermutlich bleibt bis auf weiteres das individuelle Beispiel am überzeugendsten.

Als öffentlicher Kontrapart zu Jenny McCarthy, Kristin Cavallari und Co. wäre etwa Sarah Michelle Gellar zu nennen.

Und auf der persönlichen Ebene hat gerade Tara C. Smith bei den amerikanischen Science Blogs den schönen Artikel

Why I vaccinate my kids“

veröffentlicht.

Zum Weiterlesen:

  • Jenny McCarthy Asks; the Internet Slam Dunks, slate.com am 17. März 2014
  • Jenny McCarthy Learns Over Twitter That A Lot Of People Want A Mate Who Is Vaccinated, Huffington Post am 15. März 2014
  • Jennifer McCarthy: Gegen Häme nicht geimpft, Spiegel-Online am 17. März 2014
  • Marion Kracht wirbt für Homöopathie und Jenny McCarthy bleibt Impfgegnerin, GWUP-Blog am 12. Januar 2014
  • Autismus: Evans Großmutter widerspricht Jenny McCarthy, GWUP-Blog am 14. Januar 2014
  • Mit Witz und Betroffenheit gegen aggressive Impfgegner, GWUP-Blog am 11. August 2013
  • “Buffy” kämpft jetzt für die Keuchhusten-Impfung, GWUP-Blog am 16. Juni 2013
  • Pro-vaccination efforts, debunking autism myths may be scaring wary parents from shots, CBS-News am 3. März 2014
  • One vaccination message won’t work for everyone and may be counterproductive, Doubtful News am 3. März 2014
  • Kinderarzt zu Impfgegnern: “Get Out of My Office”, GWUP-Blog am 5. Februar 2014
  • Impf-Diskussion: Werner Gruber vs. Bert Ehgartner, GWUP-Blog am 26. Februar 2014
  • Why I vaccinate my kids, Aetiology am 13. März 2014
  • Jenny McCarthy: anti-vaxxer, public menace, LA Times am 27. Januar 2015

8 Kommentare

  1. Natürlich können Impfungen auch Nebenwirkungen haben (ansonsten wäre es auch Homöopathie ;-))
    Bei Medikamenten ist immer eine „Kosten-Nutzen-Rechnung“ zu beachten; wie schwer wiegt das Risiko gegenüber dem Nutzen aus dem Medikament/Impfung und da siegt eindeutig die Impfung.
    Ein hinkendes Beispiel ist das „Auto“. Viele setzen sich morgens selbstverständlich hinter das Steuer, aber es gibt viele schwerwiegende Risiken beim Autofahren, die aber jeder in Kauf nimmt.
    Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, das es irgendetwas gibt, was ohne Risiko ist…denn das Leben ist lebensgefährlich ;-)

  2. Bitte, #jennyasks ist ein Hashtag. Den nutzt man, um bei Twitter nach bestimmten Begriffen suchen zu können. Der Twitteraccount von Jenny McCarthy ist @JennyMcCarthy.

  3. @Michael:

    Schon, aber der Hashtag #jennyasks bezieht sich halt unmittelbar auf die besagte Diskussion und fasst die Nachrichten zusammen, die unser Thema ausmachen.

    Mir geht es ja nur darum, der Diskussion zu folgen, nicht die Dame anzutwittern.

    Aber ich ändere gerne „Account“ in „Hashtag“, danke für den Hinweis.

  4. Wow, die Studie hätte auch im Journal für angewandte Ideenlosigkeit publiziert werden können. Aber daran gemessen würde das Journal der Legion an genau solchen Studien nicht Herr werden.

  5. Tja. Irgendwie verstärkt sich bei mir immer mehr der Eindruck, dass der Mennsch in der Evolution kein Langzeitmodell darstellen wird.

    Das erinnert mich an einen guten Bekannten, der zu mir mal scherzhaft sagte: Was regst Du Dich so auf? Es geht doch nur um Menschen. Davon gibts eh viel zu viele.

  6. @Abe :

    Welche Studie ?

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.