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Dr. Natalie Grams in der WamS, die „Stiftung Gesundheit“ und medizinische Dissertationen

| 6 Kommentare

Homöopathie-Kritikerin Dr. Natalie Grams gestern in der Welt am Sonntag:

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Ein Auszug:

Natalie Grams, 37, hat einige Jahre als Homöopathin gearbeitet. Die Praxis lief gut, per Mundpropaganda flogen ihr die Patienten nur so zu. Wie kam der Sinneswandel?

Sie hatte das Gegenteil geplant, eine Verteidigung wollte sie schreiben gegen alle Zweifler. Problem nur: „Still und heimlich sind alle Homöopathen am Zweifeln.“ Auch sie selbst. Die Recherche für das Buch erforderte nun, dass sie auch jene Fragen stellte, die sie sich selbst verboten hatte.

Am Ende stand sie vor einem ziemlichen Scherbenhaufen, nicht nur ihrer Ideale. Die Praxis war noch nicht abbezahlt, aber weitermachen konnte sie nicht […]

Natalie Grams arbeitet heute als Ärztin in einer Heidelberger Klinik. Sie war schon studierte Medizinerin, als sie sich für die Homöopathie entschied.

Sie sagt: „Ein Heilpraktiker, der nur einen Hauptschulabschluss und ein polizeiliches Führungszeugnis vorzeigen muss, um ein paar Kurse zu belegen, also jemand ohne medizinische Bildung, ist noch am ehesten entschuldigt.

Ein Homöopath mit 300 Stunden Ausbildung sollte es schon besser wissen. Ein studierter Mediziner aber! Dem bleiben kaum noch vernünftige Argumente für die Homöopathie.“

Und doch gibt es in Deutschland rund 7000 homöopathische Ärzte.“

7000 Pseudo-Mediziner, die jetzt auch von den Voodoo-Zertifikatoren der „Stiftung Gesundheit“ promotet werden.

In einer Pressemitteilung von heute (noch nicht online) wirbt diese verdrehte Stiftung des bürgerlichen Rechts für ihr Web-Portal Arzt-Auskunft, das ganz stolz auch …

Mediziner mit der Zusatzbezeichnung Homöopathie und mit Schwerpunkten wie Naturheilkundliche Behandlung, Akkupunktur und Magnetfeldtherapie“

aufliste.

Immerhin ist uns bei der Gelegenheit aufgefallen, dass die Organisation unser Blog-Posting vom Februar

Die Stiftung Gesundheit zertifiziert mal wieder Quatsch“

aufgegriffen hat.

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Bezeichnenderweise verniedlicht die Stiftung unsere Kritik an der Zertifizierung des Buches „Komplementärmedizin in der Arztpraxis“ als „persönliche Meinung“. Offenbar ist auch dieser Autorin der Unterschied zwischen Meinungen und Tatsachen nicht geläufig.

Das Faktum, dass …

… die Akupunktur und Homöopathie in die Weiterbildungsordnung der Ärztekammern aufgenommen wurden und nur nach erfolgreich abgelegter Prüfung als Zusatzbezeichnungen geführt werden dürfen“

ändert nicht das Geringste am Unsinn der Homöopathie und (mit geringen Einschränkungen) der Akupunktur.

Auch eine Weiterbildung in Astrologie oder Exorzismus mit „erfolgreicher Prüfung“ lässt Schicksalsstrahlen oder Dämonen nicht real werden.

Natalie Grams hat das erkannt:

[Sie] jedenfalls musste nicht besonders tief wühlen bei ihrer Recherche, die Zweifel waren schnell bestätigt. Sie befragte Chemiker und Physiker und musste einsehen: Die Homöopathie hatte zur Zeit ihrer Entstehung, um 1796 herum, noch ihre Rechtfertigung, heute ist sie ziemlicher Humbug.“

Die „Stiftung Gesundheit“ und die 7000 homöopathischen „Ärzte“ in Deutschland sind davon anscheinend noch weit entfernt.

Immerhin wird heute in den Publikumsmedien ein Thema diskutiert, das wir vor vier Jahren schon mal angerissen hatten: die medizinischen Doktorarbeiten.

Homöos

Im Zusammenhang mit der Affäre von der Leyen schreibt Spiegel-Online:

Mediziner-Dissertationen stehen in einem schlechten Ruf, nicht erst seit den Plagiatsvorwürfen gegen Ursula von der Leyen. Wissenschaftsverbände fordern seit Jahren ein Ende der Schmalspurpromotion – bisher vergebens.“

Auch die FAZ reflektiert über ein „grundsätzliches Problem medizinischer Dissertationen“:

Insgesamt könnte der Fall Leyen eine Revision der Promotionspraxis im Medizinstudium anstoßen.“

Zum Weiterlesen:

  • Wie in einer Sekte, WamS am 27. September 2015
  • Homöopathie: Der DZVhÄ verschlimmbessert seine Rezension des Grams-Buches, GWUP-Blog am 25. September 2015
  • Focus-Titel „Homöopathie“ jetzt im Volltext online, GWUP-Blog am 15. August 2015
  • Was erlaube Grams? Die Homöopathie-Kritikerin, die der Homöopathie schadet, GWUP-Blog am 1. September 2015
  • Die „Stiftung Gesundheit“ zertifiziert mal wieder Quatsch, GWUP-Blog am 21. Februar 2015
  • Die “Stiftung Gesundheit” und ihre zertifizierten Webseiten, GWUP-Blog am 18. März 2013
  • Natalie Grams: Homöopathie neu gedacht – Was Patienten wirklich hilft. Springer Spektrum, Wiesbaden 2015
  • Wissenschaftlich denkende homöopathische Ärzte, GWUP-Blog am 15. Oktober 2012
  • Muss man eine andere Meinung stets akzeptieren? Mitnichten, GWUP-Blog am 28. Juli 2015
  • Skepkon 2013: Die Akupunktur kritisch betrachtet, GWUP-Blog am 21. Mai 2013
  • Homöopathen und Dr. med. Dünnbrettbohrer, GWUP-Blog am 4. September 2011

6 Kommentare

  1. Dank Frau von der Leyen wird endlich wieder die unzureichende oder ganz fehlende akademische Bildung der Mediziner (und natürlich in vielen anderen Disziplinen) thematisiert.

    Wobei „eine Revision der Promotionspraxis“ natürlich viel zuwenig ist. Es ist ja nicht nur die Sahne sauer, der Kuchen unten drunter ist auch schlecht.

    Mein Lieblingsvorschlag: Verpflichtende Philosophiescheine für jeden(!) Akademiker und Fachhochschüler (dazu natürlich entsprechende Vorbereitungskurse im Gymnasium), Hauptthemen Erkenntnistheorie, Wissenschaftstheorie und Naturalismus. Mit angemessen anspruchsvollen Prüfungen.

    Das wird den Boden für unwissenschaftliche Glaubenssysteme wie die Homöopathie zumindest etwas nährstoffärmer machen.

  2. @2xhinschauen
    Gar kein schlechter Vorschlag, aber die Physiker sind da schon lange angekommen; die Physik „berührt“ die Grenzen der Forschung; die Quantenphysik zeigt die natürlichen Grenzen auf.
    Stichwort: Unschärferelation…wir werden uns (auch ohne den Philosophen ;-)) noch die Zähne ausbeißen, die „logischen“ Probleme, die eine Singulaität aufwirft sind mit unserm kausalen Denken nicht mehr zu lösen, den wir sind Teile des Systems und wir können nur in bestimmten Grenzen über-uns-hinauswachsen.
    Einen Sinn in einem Universum zu suchen, das in seinem Ursprung, zeitlos, nichtlokal und akausal ist, ist wirklich schwer und das werden auch keine Philosophen fertigbringen ;-)

  3. @Ralf
    >> Gar kein schlechter Vorschlag
    Danke :-) Und ich teile Deine Ansichten unter „Stichwort“ auch.

    Ich meinte auch gar nicht in erster Linie die Physiker als Zielgruppe. Sie (und die meisten anderen Naturwissenschaftler und Ingenieure) können sich im Laufe ihrer Ausbildung die philosophischen Grundlagen oft sogar aus dem Zusammenhang erschließen, einfach aufgrund der Art und Weise, wie diese Disziplinen gestrickt sind und wie dort zumeist gearbeitet wird. So wie man die Regeln einer Sportart oft durch Zugucken lernen kann, ohne den Sport selbst auszuüben.

    Aber all die anderen …. bei Fefe (blog.fefe.de) habe ich kürzlich das schöne Wort „Diskussionswissenschaften“ gelesen. K ö s t l i c h!

    Ich bin auf Vermittlung methodischen und logischen Grundwissens aus, und zwar als (Teil-)Immunisierung gegen irrationale Heilslehren, die mit wissenschaftlichem Anspruch daherkommen. Und sei es nur ein „erfahrungswissenschaftlicher“ Anspruch. Da geht’s ja schon los.

    Viele Physiker mögen die Philosophen nicht so. Versteh ich auch. Philosophie ist schließlich kein Ersatz für irgendwas.

    Hoffe das war jetzt klarer, was ich meine. Wenn nicht: Ich versuch’s bis es klappt :-)

  4. – Zahlreiche medizinische Dissertationen genügen nicht den Qualitätsstandards, die in anderen Fächern gelten.

    – Seit Jahren kritisieren Gremien wie der Wissenschaftsrat die Promotionspraxis an Medizin-Fakultäten.

    – Ein Großteil der Arbeiten entsteht parallel zum Studium oder zur klinischen Ausbildung, wissenschaftliches Arbeiten wird im Fachbereich Medizin kaum systematisch gelehrt.

    http://www.sueddeutsche.de/bildung/qualitaet-medizinischer-promotionen-kommt-ein-doktor-zum-arzt–1.2673150

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