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Die „torkelnden Heilpraktiker“ von Handeloh gingen wohl bewusst auf einen Drogentrip

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Neues von den “torkelnden Heilpraktikern” und “psychedelischen Homöopathen”:

Der Schweizer Tagesanzeiger-Journalist und Sektenexperte Hugo Stamm ist überzeugt davon, dass die 29 Tagungsteilnehmer sich in Handeloh zu einer „Psycholysesitzung“ getroffen hatten, also einer Drogentherapie.

Der Seminarleiter soll ein Schüler des Schweizer Psy­chia­ters Samuel Widmer sein, zu dem es bereits einen Psiram-Eintrag gibt.

In der Basler Zeitung schreibt Stamm:

Der deutsche Psycholyse­therapeut ist Psychologe und ein enger Vertrauter von Widmer. Bei ihm haben schon mehrere Tausend Anhänger eine Psycholyse mit verbotenen Substanzen absolviert.

Widmer kennt die in Deutschland eingesetzte Droge 2C-E und beschreibt sie in seinem Buch Wer heilt, hat recht. Verklausuliert erwähnt er auch, damit schon gearbeitet zu haben.

Der deutsche Psychologe verehrt Widmer, wie aus einem Brief hervorgeht. Er bestätigt auch, dass Widmer Hunderte von Psycholysetherapeuten ausgebildet hat. Recherchen des TA zeigen, dass manche von ihnen selbst Psycholysesitzungen mit verbotenen Substanzen durchführen.“

Also keine Arzneimittelprüfung, kein übler Scherz und auch kein Versehen.

Sondern Pseudos (darunter wohl auch Ärzte), die neben allem anderen Humbug auch noch eine Art LSD-Trip für heilsam halten. Ein „mögliches Strafverfahren“ (Süddeutsche) ist damit wahrscheinlich.

Zum Weiterlesen:

  • Der Drogentrip der Homöopathen, Hugo-Stamm-Blog am 12. September 2015
  • Spuren des Drogendebakels führen in die Schweiz, Basler Zeitung am 16. September 2015
  • Verschwörungstheorien und Satire um die „torkelnden Heilpraktiker“ von Handeloh, GWUP-Blog am 8. September 2015
  • Endlich weltberühmt: Deutsche Homöopathen und Heilpraktiker prüfen 2C-E, GWUP-Blog am 5. September 2015
  • Will these homeopaths get the Nobel prize? edzardernst am 9. September 2015
  • Nobelpreisverdächtige Homöopathen (Übersetzung des Edzard-Ernst-Artikels), Psiram am 11. September 2015
  • Umstrittenes Verfahren Psycholyse: „Mich hätte das fast das Leben gekostet“, Süddeutsche am 11. September 2015

14 Kommentare

  1. Wieso nur kann man sich so eine Meldung nicht recht vorstellen:

    „30 Kardiologen geben sich bei Selbstversuch die Kanne“ – homöopathischer Notdienst muss helfen“ ?

  2. Naja, es scheint auch echte Wissenschaftler zu geben, die sich mit der Nutzung dieser Substanzen auseinandersetzen:
    https://www.reddit.com/r/DrugNerds/comments/3kp09g/psychedelic_medicine_a_reemerging_therapeutic/

    Studie hier, komme ich leider nicht dran:
    http://www.cmaj.ca/content/early/2015/09/08/cmaj.141124

    Nur weil Quacksalber sowas benutzen, heisst es nicht, dass es Mist ist. Die Tabuisierung solcher Substanzen macht meines Erachtens nicht viel Sinn.

  3. Na ja, mit den halluzinogenen Drogen ist das so eine Sache…heilende Wirkung haben die mit Sicherheit nicht, eher pathogene; aber sie können helfen die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen, das kann helfen die eigene Weltsicht zu relativieren, aber dazu braucht es nicht unbedingt psychoaktiver Drogen.
    Alkohol eignet sich dafür nur wenig, da man den Rausch nur betäubt wahrnimmt, bei LSD hingegen ist man „hellwach“, natürlich kann es auch zur Selbstüberschätzung kommen, was fatale Unfälle zur Folge haben kann…

  4. In einer Gesellschaft, in der viele Personen praktisch alles haben und davon noch zu viel, da ballert man sich eben sinnlos zu oder tut andere bekloppte Dinge.

    Man sollte die Herrschaften aus der Schwurbeltherapiegruppe einfach für ein Jahrzehnt zwecks neuer Selbsterfahrung gen Nordkorea in ein Arbeitslager schicken.

    Vielleicht bekommen die Überlebenden ja etwas mehr Respekt zu ihrem einzigen Leben das sie haben. Außerdem dürfte es sicher einige Leben hierzulande retten wenn diese Schwachmaten für eine Weile nicht einsatzfähig sind.

  5. @ RPGNo1:

    Ach Du Scheisse, da war also die Dragonfly mit im Spiel. Das Zeug ist noch um Einiges potenter als LSD. Es jemand anderem ohne ausführliche Aufklärung und ohne 1:1-Betreuung zu geben zeugt von ausgeprägtem Grössenwahn.

  6. @noch’n Flo
    Ich musste mich erstmal schlau machen, was Dragonfly überhaupt ist. Aber der Wikipediaartikel spricht Bände, Stichwort „Überdosierungen mit Todesfolge“!
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bromo-DragonFLY

  7. @ RPGNo1:

    Wenn man die Dragonfly korrekt dosiert, gibt es eigentlich keine Probleme. Leider dosieren viele Konsumenten von Designerdrogen heutzutage eher nach Gefühl oder mit viel zu groben Waagen. Das liegt daran, dass viele Designerdrogen heutzutage leicht über das Internet zu beziehen sind (und zwar nicht nur via Darknet), oftmals sogar direkt nach ihrer Entwicklung jahrelang legal bleiben, bis der Gesetzgeber reagiert. Dadurch kommen solche Experimentaldrogen heutzutage immer öfter in die Hände von Leuten, die damit so gar nicht umgehen können.

    Die Dragonflies sind schon bei Dosierungen ab 50ug wirksam, spielen also in einer Liga mit LSD. Sowas kann man nur mit sehr genauen Analysewaagen dosieren – die aber kaum ein Konsument hat. Und wer sich dann die Droge als Pulver bei einem Chemikalienhändler kauft und frei Schnauze dosiert, geht ein erhebliches Risiko für Leib und Leben ein.

    Ich habe selber ein einziges Erlebnis mit der Bromo-Dragonfly gehabt (lange, bevor sie verboten wurde), hat mich persönlich nicht so sehr geflasht, dauerte aber auch satte 2 Tage (was recht nervig und sehr anstrengend war). Danach hatte sich das Thema für mich erledigt.

    Wenn man aber nun bedenkt, dass die Bromo-Dragonfly ein Abkömmling des vergleichsweise „harmlosen“ 2C-B ist (zumindest „harmlos“ im Vergleich zu anderen Vertretern der 2C-x-Familie), wie würden wohl andere 2Cs wirken, wenn man ihnen die Fumaratringe verpasst? Zum Glück haben da viele Chemiker doch ausreichende Skrupel.

  8. @noch’n Flo
    Danke für die Erläuterungen.

    Und nachdem ich mich jetzt auch über 2C/2C-x Verbindungen schlau gemacht habe, dann fühle ich mich doch etwas wohler, dass die in meinem Chemiestudium NICHT auf der Lernen- bzw. Kochliste standen.

  9. Der Drogenindustrie ist das egal,ob Heilpraktiker übers Gras torkeln oder danach ins Gras beißen wie tausende andere torkelnde…

    Was zählt ist allein der Milliardenumsatz(Profit)und da geht man halt auch mal über Leichen.

    Wer das nicht sehen will und trotzdem von einer heilen Welt träumt, ist wirklich ein torkelnder und weltfremder Träumer…

  10. @ RPGNo1:

    Ich empfehle Dir sehr die Lektüre der Werke des Chemikers Alexander Shulgin, auch bekannt als „Vater der Designerdrogen“. Hier besonders seine Bücher „PIHKAL“ und „TIHKAL“ (das sind jeweils Akronyme für „Phenethylamines/Tryptamines I have known and loved“. Beide zusammen gelten als die „Bibel der Psychonautik (Altes und Neues Testament)“.

    Schade eigentlich, dass er sein Buchprojekt „Far Out Chemistry“ nicht mehr vollenden konnte. Ein paar Jahre vor seinem Tod bechrieb er den geplanten Inhalt auf einem Kongress folgendermassen: „I want to take this book to a symposium, put it on a table and next to it a sign: ‚Open the book at any page and start reading. And if you don’t shout ‚Far out!‘ within three minutes, please go away.'“

    Keine Ahnung, was er bei diesem Projekt genau vorhatte, aber er hat in seinen letzten Jahren ein paar extrem abgefahrene Substanzen entwickelt.

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