Neuer Beitrag von Dr. Natalie Grams bei Homöopathie neu gedacht:
Was hat mich überzeugt, mit der Homöopathie aufzuhören?“
Ein Auszug:
Ich habe über zehn Jahre Homöopathie gelernt und mindestens fünf Fortbildungen pro Jahr gemacht. Ich denke, ich war eine gute Homöopathin und habe die Sache sehr ernst genommen.
Und, wie gesagt, ich wollte ja ursprünglich ein Buch für die Homöopathie schreiben, eben weil ich so überzeugt war und auch weil ich meinte, viele Zeichen zu erkennen, dass eben doch was dran sei an der Homöopathie – aller Naturwissenschaft zum Trotz […]
Ich war mehr als alles andere davon überzeugt, dass das Wissen, das die Homöopathie erklären würde, einfach noch nicht gefunden sei. Das Buch „Die Homöopathie-Lüge“ habe ich noch als üble Diffamierung der Homöopathie gesehen. Und ich wollte den Gegenentwurf liefern.
Was daraus geworden ist, sehen sie ja an meinem Buch. Und an meiner Praxisaufgabe. Wie kam es dazu? […]
Das Wichtigste für mich war, zu erkennen:
1. Wissenschaftler sind nett. Sie haben ein ehrliches Interesse daran, die Wahrheit herauszufinden. Selbst wenn diese ihrem bisherigen Wissen widersprechen würde, würde es sie erst recht ermutigen, eine Hypothese zu prüfen. Wissenschaftler WOLLEN wissen, was die Homöopathie kann! […]
Die Wissenschaft ist nicht etwa ein Weltbild, sondern eine Methode, die sich dazu verpflichtet hat, herauszufinden und einfach beschreiben zu können, was ist (und nicht, was wir gerne hätten) […]
5. Den Punkt „Ich sehe doch, dass es geholfen hat“, den kenne ich auch nur zu gut. Ich habe „Wunderheilungen“ erlebt bei Kindern, Schwerstkranken, Aufgegebenen. Nicht täglich, aber weitaus häufiger als nur ab und zu.
Und es ist unheimlich schwer gewesen, einzusehen, dass und warum zwischen Globuli-Gabe als Arzneimittel-Gabe und einer Verbesserung kein Zusammenhang, keine Kausalität, hergestellt werden kann.
Auch hier musste ich erst den Begriff und die Bedeutung von Kausalität verstehen und warum empirische Erhebungen oder persönliche Erfahrungen nicht dazu geeignet sind, eine Aussage über die Wirksamkeit der Homöopathie zu machen.“
Zum Weiterlesen:
- Was hat mich überzeugt, mit der Homöopathie aufzuhören? Homöopathie neu gedacht am 9. Juli 2015
- Lesenswert: Eine Ärztin denkt die Homöopathie neu, GWUP-Blog am 3. Juli 2105
- Wer heilt, hat recht? So ein Schmarrn, GWUP-Blog am 7. Juli 2015
- Warum Homöopathie zu wirken scheint, GWUP-Blog am 9. Oktober 2011
- If you think that homeopathy is harmless, read this, edzardernst am 8. Juli 2015
10. Juli 2015 um 07:37
Hut ab! Was ich da von Frau Grams lese nötigt mir großen Respekt ab. Dieser Paradigmenwechsel war sicherlich alles andere als leicht. Die Homöopathie aufzugeben, die meiner Ansicht nach ein geschlossenes Glaubenssystem ist, zu Gunsten einer neugierigen und skeptischen Betrachtung der medizinischen Phänomene, zieht hoffentlich weite Kreise. Willkommen im Club
10. Juli 2015 um 14:51
Da schließe ich mich an.
Was ich mich allerdings schon seit der ersten Meldung frage:
Frau Grams, warum haben Sie die Praxis denn geschlossen und nicht nur den homöopathischen Teil weggelassen? Sie sind doch offensichtlich Dr. med., dann könnten Sie doch einfach als Allgemeinärztin weitermachen, oder nicht?
10. Juli 2015 um 14:58
Und was macht sie jetzt?????
10. Juli 2015 um 19:19
Hallo und vielen Dank für das positive Feedback.
Ich habe meinen Facharzt nicht zu Ende gemacht, weil ich die Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ auch ohne einen solchen führen und mich auch so niederlassen konnte (habe vor 2004 mit der Ausbildung begonnen, damals noch andere Bedingungen).
Jetzt brauche ich einen Facharzt. Am ehesten den Facharzt für Psychosomatik und psychotherapeutische Medizin.
Dauert dann aber in Teilzeit 8-10 Jahre plus ein Therapieverfahren plus zurück aus der Selbständigkeit in die Klinik… long way to go;-)
11. Juli 2015 um 07:55
@ Frau Grams: Wow, welch mutiger und konsequenter Schritt in jeder Hinsicht. Sich einzugestehen, dass man unrecht hatte ist schon eine Leistung; wenn dann dazu auch die Selbstständigkeit daran hängt nötigt dies meinen Respekt ab.
11. Juli 2015 um 13:13
Das macht wirklich Hoffnung. Eine kleine zwar aber immerhin. Ich wünschte viel mehr Menschen die ihren „skeptischen Verstand“ reanimieren. Jeder Mensch kann und darf sich auch irren, aber Frau Grams wollte es bei der Beirrung nicht belassen und sich in ihr gemütlich zu machen. Und das verdient auch meiner Meinung nach Respekt.
Frau Grams hatte mit der Entscheidung nicht den leichteren Weg gewählt. Die Realität muss man erst lernen zu ertragen und mit ihr zu leben. Was oft nicht wirklich einfach ist, weil wir eben nicht alles wissen und auch oft sich unsere Hoffnungen in Bezug auf die Heilung schwerer Erkrankungen nicht immer so einfach erfüllen lassen.
Aber man gibt nicht auf weiter zu forschen um das Wissen zu komplettieren ohne dabei hilflos, aus der Enttäuschung heraus, auf Irrationalismus zurück zu greifen. Aber um so mehr kann man dann hinterher Erfolge feiern und sich über sich zu freuen.
Ich freue mich sehr um einen mutigen Menschen mehr der die Realität annimmt, egal wie die nun mal aussehen mag und was sie so mit sich bringt.
11. Juli 2015 um 18:59
Hallo Frau Grams,
auch von mir die allerbesten Wünsche für Ihren beruflichen Weg. Was Sie getan haben, ist enorm bewundernswert.
Ich habe da eine Wissenslücke bezüglich der Niederlassung von Ärzten. Ist es richtig, dass man eine Facharztausbildung haben muss, um sich niederlassen zu dürfen? Und war das früher (vor 2004)nicht nötig?
12. Juli 2015 um 20:18
Zwei Zitate:
„Die Wissenschaft ist nicht etwa ein Weltbild, sondern eine Methode, die sich dazu verpflichtet hat, herauszufinden und einfach beschreiben zu können, was ist (und nicht, was wir gerne hätten) […]“
und
„Auch hier musste ich erst den Begriff und die Bedeutung von Kausalität verstehen und warum empirische Erhebungen oder persönliche Erfahrungen nicht dazu geeignet sind, eine Aussage […] zu machen.”
Diese Sätze zeigen mir, dass bei der Wissenschaftsbildung schon auf der Schule von Frau Grams irgend etwas ganz gewaltig schief gegangen sein muss!
Das, was sie da anreißt, sind die fundamentalen Grundprinzipien wissenschaftlichen Denkens und müssen eigentlich in den wissenschaftspropädeutischen Anteilen jedes naturwissenschaftlichen Faches aber auch in einem rein geisteswissenschaftlichen Fach wie meinem Unterrichtsfach Geschichte gelehrt worden und wie ich es selbst als Lehrer kontinuierlich praktiziere:
was kann man wissen? Wie kann man es wissen? Wo liegen die Fallen?
Die Erfahrung zeigt aber, dass diese allergrundsätzlichsten Schritte der wissenschaftlichen Alphabetisierung wohl bei einem substantiellen Anteil der Bevölkerung nicht erfolgreich vollzogen sind und – und das finde ich wirklich katastrophal! – man anscheinend ein komplettes Medizinstudium beenden kann, ohne diese Defizite auf dem Weg beheben zu müssen.
13. Juli 2015 um 17:44
@Maxi: Man kann sich theoretisch ohne Facharzt niederlassen, aber mir fehlt dann eine Spezialisierung. Gerade wenn ich aber plane mit Patienten im psychologischen Kontext zu arbeiten, ist eine gutes Ausbildung unabdinglich. Will ja nicht vom Regen in die Traufe kommen. Und man kann ohne Facharzt nicht mit den gesetzlichen Kassen abrechnen.
@Nele: Leider unterscheidet sich das Medizinstudium im Hinblick auf die Vermittlung von wissenschaftlichem oder auch nur halbwegs kritischem Denken kolossal von anderen naturwissenschaftlichen (oder auch den psychologischen) Studiengängen. Hier gehts ums Auswendiglernen von enormen Stoffmengen, nicht ums Verstehen. Ich habe in meinem Studium auch nicht gelernt wie man Studien aufbaut oder interpretiert. Leider.
13. Juli 2015 um 21:23
Zitat Natalie Grams
…dazu fällt mir folgender Witz ein (der eigentlich schon sehr alt ist)