Am 31. Oktober werden wir also erfahren, wer Uwe Barschel ermordet hat. Oder ob es nicht doch Selbstmord war.
Denn einer muss es schließlich wissen – und das ist niemand anderes als der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein himself. An Halloween (wahlweise am Reformationstag) können wir im Fernsehen mitverfolgen, wie die „Hellseherin“ Kim-Anne Jannes mit Uwe Barschel Kontakt aufnimmt. Im Jenseits. Oder im Abseits. Oder wo auch immer. Verantwortlich für die Quoten-Beschwörung zeichnet RTL. „Bei Erfolg“ seien weitere Folgen mit dem selbst ernannten Medium geplant.
Endlich können wir also die abendländische Geschichtsschreibung vervollständigen und zum Beispiel Alexander den Großen befragen, wo sich sein Grab befindet. Oder uns von Sophokles und Demokrit ihre verlorenen Bücher diktieren lassen. Oder Lady Di um ein erhellendes Interview zu den mysteriösen letzten Minuten ihres Lebens bitten.
Letzteres gibt es freilich schon, denn 1998 veröffentlichte ein deutscher Verlag „die sensationellen PSI-Protokolle aus dem Todestunnel“, offenbart von einem nicht näher benannten „Channeling-Medium“. Darin finden sich geradezu sensationell anmutende Dialoge zwischen „Channeling-Medium“ und Moderator, wie zum Beispiel dieser:
Es ist dunkel – war es abends? Ich sehe Dunkelheit …
Ja, es war Mitternacht.
Sag mal, der Fahrer, nimmt der Tabletten? Der schwitzt wie verrückt …
Ja. In den Zeitungen war von Psychopharmaka zu lesen.
Unglaublich, diese bislang vollkommen unbekannten Informationen von allerhöchster Brisanz. Aber es kommt noch besser. Es geht um die Thematik, ob die Ex-Princess of Wales kurz vor ihrem Ableben zum Islam übergetreten sei. Klare Frage, klare Antwort des „Channeling-Mediums“:
Ich habe nichts, dass sie dazu übergetreten ist. Irgendwie habe ich den Eindruck, dass wir falsch fragen. Darum wollte ich ja, dass wir eine Pause machen. Wir machen da einen Fehler.“
Okay, verstehe. Nächste Frage: Wurde Diana Spencer in jener Nacht zum 31. August 1997 planvoll ermordet?
Was ich habe, wenn ich nach einem potenziellen Attentäter suche, ist ein Fenster, genauer gesagt, eine Verandatür, die nach draußen führt. Interessant ist auch: Dort weht ein Schal, der an der Seite als Vorhang hängt und sich bewegt. Jetzt rufe ich den Attentäter auf. Aber es kommt niemand durch die Tür.“
Aaaah ja, würde Loriot jetzt vermutlich sagen. Lassen wir also die jäh Verblichene in Frieden ruhen und widmen wir uns wieder der aktuellen „Medium“-Sendung bei RTL – in der wir wohl ähnlich zuverlässig und detailliert über die Todesumstände des am 11. Oktober 1987 verstorbenen Uwe Barschel informiert werden. Das jedenfalls lassen Äußerungen der Barschel-Witwe über die geplante Pilotfolge befürchten:
Mein verstorbener Mann ist bereit gewesen, mit uns zu sprechen, sagte sie. Allerdings, schränkte die Witwe ein, habe das Medium so viel geredet, dass sie selbst leider nicht dazu gekommen sei, all das zu fragen, was ihr auf dem Herzen liege.“
Die unreflektierte Kooperationsbereitschaft seitens Freya Barschel mit den beiden Medien RTL und Kim-Anne Jannes kann man nur als tragisch bezeichnen.
Eine Schweinerei! Die emotional beeinträchtigte Wahrnehmung der Trauernden wird ausgenutzt!“,
zitiert die Hamburger Morgenpost dazu den Esoterik-Experten Wolfgang Hund, Mitglied im GWUP-Wissenschaftsrat.
Und in der Tat sind okkulte Praktiken keine Lebensbewältigungshilfen, sondern stellen selbst ein mitunter erhebliches psychosoziales Problem dar. Denn mit sinnvoller Trauerarbeit haben „Jenseitskontakte“ nicht das Geringste zu tun, ganz im Gegenteil. In der Regel verhindert die regelmäßige vermeintliche „Kontaktaufnahme“ mit Verstorbenen die eigentliche Lösung des Problems, nämlich die seelische Verarbeitung des Geschehens und des Verlustes eines geliebten Menschen.
Kim-Anne Jannes, die sich in anscheinend stark getrübter Selbstwahrnehmung allen Ernstes als Sterbe- und Trauerbegleiterin sieht, und ihren Haus-und-Doof-Sender RTL ficht all das natürlich nicht an. Und da alle Proteste gegen die Nonsens-Sendung wohl mal wieder folgenlos verhallen, bleibt nur der Rückzug ins Humorige.
So ruft zum Beispiel die Titanic ganz einfach zum Medienboykott auf. Dem schließen wir uns gerne an:
Es fiel mir nicht ganz leicht, aber während der letzten vier Wochen habe ich konsequent auf jede Mediennutzung verzichtet.
Konkret bedeutete das: keine spiritistischen Sitzungen, kein Besuch bei meiner Voodoo-Beraterin, und auch die wöchentliche Freitagnacht der Seancen entfiel komplett …Von der Informationsquelle Jenseits abgeschnitten, entwickelte ich zwangsläufig neue Lösungsstrategien, die ich jetzt aber als Bereicherung empfinde: Statt rätselhafte Flammenschriften am Himmel zu deuten, schaue ich nun wieder häufiger bei Twitter vorbei. Bei Konflikten mit Kollegen suche ich nun eher das Gespräch, als ihre Seelen in blutigen Ritualen dem Äußeren Dunkel zu opfern.
Auf jeden Fall ein Gewinn für das Betriebsklima!“
29. September 2010 um 18:18
dass sich die RTL Gruppe ja für nichts zu schade ist, ist hinlänglich bekannt. Ökonomisch gesehen ist wahrscheinlich alles richtig gemacht: Thema mit viel Tamtam Potenzial, billige Darsteller, die im speziellen Fall wohl sogar bezahlt hätten oder vielleicht sogar haben, schnell abgedreht und war dabei herauskommt ist eigentlich egal, wenn nur die Quote stimmt. Und das eigene Klientel bzgl. Bildung, Aufgeklärtheit und ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen mal wieder 100% korrekt eingeschätzt. Hut ab, so macht man Gewinn! Wette im übrigen, dass die zu diesem Zwecke gechaltete Werbung ebenso strunzdoof ist wie das Thema an sich.
5. Oktober 2010 um 09:06
RTL ist so ziemlich der mieseste TV-Sender, den man dem deutschen Publikum zumutet. Für mich ist RTL der Volksverdummer Nr. 1. Seit Big Brother boykottiere ich diesen Scheiß-Sender und zappe nur gelegentlich mal für Sekunden herein, um mitzubekommen, wie weit der Qualitätsverfall inzischen fortgeschritten ist. Dass auch Deutschlands Lieblings-Moderator Günter Jauch bei RTL auftritt, hat mich veranlaßt, auch diesen Herrn nicht mehr Ernst zu nehmen.
RTL scheut sich auch nicht, die sog. „Partner-Rückführungs-Magier“ und die Vermittler von „Engelskontakten“ auf den Videotextseiten werben zu lassen. Am liebsten würde ich auch die Firmen boykottieren, die diesen Schmuddel-Sender mit TV-Spots sponsern. Aber dann müßte ich mich ja häufiger bei RTL einschalten, um diese Firmen zu ermitteln. Das allerdings bekäme meinem Magen nicht besonders gut, weil mich ja mit jeder Sekunde, in der ich mich diesem Sender widme vwerstärkt das große Kotzen überfallen würde.
Meine große Hoffnung ist, dass dieser Volksverdummungs-Sender Pleite gehen möge. Wenn das der alte Bertelsmann wüßte, wie sich RTL entwickelt hat !? Er würde sich garantiert im Grabe umdrehen !
1. November 2010 um 00:21
Was mich wundert, dass Firmen ihre Produkte in solch einem peinlichen Setting platzieren möchten. Gewinn hin oder her, hier könnte man sicherlich beim Presserat Beschwerde einreichen, ich gehe mal davon aus, dass die Witwen nicht total abgezockt sind, sondern hier auch „mißbraucht“ wurden…wirklich peinlich. Ganz großes Fernsehen.
1. November 2010 um 01:10
Der Tagesspiegel aus Berlin fand auch klare Worte:
http://www.tagesspiegel.de/medien/das-medium-auf-rtl-missbrauchs-tv/1971480.html
„Das Medium“ auf RTL ist die frivole TV-Version von Leichenfledderei. Trauer und Trauma der Witwe Uwe Barschels werden vor Millionenpublikum missbraucht