Einen Mann, der jede – aber auch wirklich jede – esoterische Verrücktheit auf der Welt schon mal gesehen hat, kann nichts mehr überraschen? Irrtum!
Murus Berlinensis, ein Homöopathikum aus Resten der Berliner Mauer, brachte auch James Randi zum Schmunzeln.
Wie jeder Referent des World Skeptics Congress bekam „Der Entzauberer“ (brand eins) ein Fläschchen jenes geheimnisvollen Elixiers als Andenken überreicht. Schon während seiner Rede hatte der legendäre Skeptiker die Homöopathie als „so ziemlich das Dümmste überhaupt“ bezeichnet.
Als Stargast des dritten und letzten Konferenztages knüpfte Randi zum Auftakt an den gestrigen Vortrag von Ray Hyman an und illustrierte unter anderem am „Project Alpha“ des McDonell Laboratory for Psychical Research, wie leicht Wissenschaftler sich von vermeintlichen „PSI-Begabten“ täuschen lassen.
Am Beispiel des betrügerischen „Wunderheilers“ Peter Popoff erklärte der Gründer der James Randi Educational Foundation die Arbeit und Aufgabe der Skeptiker: Menschen vor psychischem und finanziellem Schaden zu bewahren, die ihre Ängste und Hoffnungen auf irrationale Behauptungen und paranormale Überzeugungssysteme setzen:
Danach kam der Stockholmer Philosophie-Professor Sven Ove Hansson auf die Bühne. Der Mitbegründer der schwedischen Skeptiker sprach über die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs „Skeptiker“ und grenzte „philosophische Skeptiker“, „wissenschaftliche Skeptiker“ und „antiwissenschaftliche Skeptiker“ inhaltlich voneinander ab.
„Scientific Skeptics“ – wie die GWUP und andere Skeptikerorganisationen – seien Verteidiger der Wissenschaft ohne ideologischen Antrieb und/oder kommerzielle Interessen.
„Anti-Scientific Skeptics“ – wie etwa Klima– oder Evolutionsleugner – betrachteten sich selbst als „Skeptiker“, fühlten sich aber nicht den anerkannten Standards und dem wissenschaftlichen Kenntnisstand in dem betreffenden Fach verpflichtet.
Sie wendeten sich vielmehr deshalb gegen eine etablierte Theorie, weil diese ihre Weltanschauung oder ihre politische oder religiöse Überzeugung stört. Zumeist handele es sich dabei um komplexe Themen, die nicht ganz leicht nachzuvollziehen seien, und die allermeisten der „Anti-Scientific Skeptics“ (mehrheitlich Männer) seien keine Experten auf dem Gebiet, über das sie reden.
Der Wissenschafts- und Politikjournalist Chris Mooney vertiefte diese Thematik, indem er die Hintergründe des „Kriegs der Republikaner gegen die Wissenschaft“ („The Republican War on Science“) in den USA beleuchtete.
Auch der IT-Experte Simon Perry sprach von einem „Kampf“, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen:
Fighting Nonsens with Technology“
Perry betreibt eine Softwareentwicklungsfirma in Großbritannien. In seiner Freizeit nutzt er seine Computerkenntnisse, um unsinnige Behauptungen im Internet zu bekämpfen.
Dies hat dazu beigetragen, dass 500 Chiropraktiker der Aufsichtsbehörde und der Standesvertretung der Chiropraktiker gemeldet wurden. Er hat außerdem für Verdruss bei der Aufsichtsbehörde für Komplementärmedizin und Naturheilkunde gesorgt und dafür, dass 250 Produkte der Drogeriekette Boots über Nacht bei der Advertising Standards Authority (Werberat in Großbritannien) gemeldet wurden.
Simon Perry ist außerdem Schöpfer der Chrome-Erweiterung Fishbowl, die Online-Beschwerden vereinfacht und derzeit in fünf Ländern im Einsatz ist.
Rebecca Watson, eine bekannte skeptische Aktivistin (Skepchick, The Skeptic’s Guide to the Universe), machte die rund 300 WSC-Besucher im Berliner Crowne-Plaza-Hotel mit einer Reihe von Pseudo-„Studien“ aus dem Bereich der Evolutionspsychologie bekannt, wie zum Beispiel „Shopping styles of men and women all down to evolution, claim scientists“ oder „I can’t help liking blondes … It’s evolution“.
Wie solcherlei Unfug vor allem in der britischen Boulevardpresse zustande kommt, darüber haben wir hier schon mal berichtet („Kate Moss, die Skeptiker und falsche Umfragen“).
Watson machte deutlich, dass solche Stereotypen nicht nur dumm und ärgerlich, sondern auch gefährlich seien.
Denn sie würden auch dazu benutzt, um Menschen auszugrenzen, oder auf Klischees wie „typisch weiblich“ zu konditionieren. So habe man in einer wissenschaftlichen Studie festgestellt, dass Frauen bei Mathematik-Tests schlechter abgeschnitten hätten, wenn man sie zuvor explizit an dieses Vorurteil erinnerte.
Fatal in einer Zeit, da zum Beispiel „technische Berufe keine Männersache“ sein sollen.
Das große Finale des 6. Welt-Skeptiker-Kongresses gehörte dann wieder James Randi, der unter anderem eine „Houdini Seance“ (mit Ray Hyman und Massimo Polidoro) aufführte und hernach geduldig und humorvoll die zahlreichen Fragen der versammelten Skeptiker beantwortete. Einige Facts aus der Fragerunde:
- Die eine Million Dollar, die Randi für den Nachweis eines echten paranormalen Phänomens unter kontrollierten Bedingungen ausgelobt hat, gibt es wirklich. Sie sind bei einer Bank in den USA hinterlegt.
- Der besagte „One-Million-Dollar-Challenge“ wird zeitlich unbefristet aufrecht erhalten. (Vor zwei Jahren hatte Randi sich mit dem Gedanken getragen, das Ganze zu beenden, sei aber wieder davon abgekommen.)
- Auch nach dem Tod des 84-Jährigen wird es den Challenge weiterhin geben. Das sei bereits testamentarisch verfügt.
- Nein, er glaube nicht ernsthaft, dass er das Geld jemals auszahlen muss.
Schließlich appellierte Randi an alle Anwesenden, sich in skeptischen Organisationen wie der GWUP oder der James Randi Educational Foundation für Wissenschaft und kritisches Denken zu engagieren:
Wir brauchen Sie an unserer Seite!“
Der perfekte Schlusssatz für eine großartige Weltkonferenz.
Zum Weiterlesen:
- WSC 2012, Tag 1: Kritisch gedacht am 19. Mai 2012
- WSC 2012, Tag 2: Kritisch gedacht am 20. Mai 2012
- WSC 2012, Tag 3: Kritisch gedacht am 22. Mai 2012
- WSC 2012: Der Science Slam, Kritisch gedacht am 19. Mai 2012
- Im Kampf gegen die Esoterik, Stuttgarter Zeitung vom 21. Mai 2012
- Thank you, World Skeptics Congress! Token Skeptic am 21. Mai 2012
- WSC-Fotos bei JREF-Facebook
- Notizensammlung vom 6. World Skeptics Congress bei Kritisches Denken
- Bericht bei RTL Aktuell (ab Minute 10:40)
- Skepsis: Vorher wissen, was geschieht, Tagesspiegel vom 21. Mai 2012
- Der sechste World Skeptics Congress in Berlin: Ein Rückblick in Bildern, Astrodicticum simplex am 21. Mai 2012
- Kritisches Denken in der Wissenschaft fördern, Deutschlandfunk am 21. Mai 2012
- Skeptiker-Kongress: Die Jungfrau weint Männerblut, Frankfurter Rundschau am 22. Mai 2012
- Zum Welt-Skeptiker-Kongress in Berlin, Esowatch am 19. Mai 2012
- Das Treffen der guten Skeptiker, klimaretter.info am 21. Mai 2012
- Veranstaltungsbericht: Nachdenken über Risiko und Co., hpd-online am 22. Mai 2012
- WSC in der Sendung „IQ – Wissenschaft und Forschung“ (ab Minute 11), BR 2 am 18. Mai 2012
- Eine erfolgreiche Breitseite gegen die Nicht-Wissenschaft, wissenrockt am 22. Mai 2012
- Skeptiker in der Stadt, ARD-Inforadio
- Fotogalerie WSC 2012
- Obacht vor Pseudoskeptikern, taz am 24. Mai 2012
- Der 6. Weltskeptikerkongress in Berlin: Glaub nicht alles, was du siehst. Deutschlandfunk am 24. Mai 2012
- „Ich bin skeptisch“: Interview mit Dr. Julia Offe bei SWR 2 Impuls am 25. Mai 2012
21. Mai 2012 um 09:19
Es war eine unglaubliche Erfahrung auf dem Weltskeptikerkongress unter so vielen Gleichgesinnten, darunter einige der brilliantesten Köpfe der Welt, zu sein. Die riesige Menge an Input wird bei mir noch Wochen brauchen, um sich zu setzen.
Die Qualität der Vorträge war herausragend, die Mischung aus Information und Entertainment rundum geglückt und die vielen Begegnungen und neuen Bekanntschaften in den Pausen und am Abend sind schlicht unbezahlbar.
Tausend Dank an alle Helfer, Organisatoren und Vortragende für dieses unvergessliche Event!
21. Mai 2012 um 13:20
Ich schließe mich dem Lob des ersten Kommentators dieses Beitrags aus vollem Herzen an! Mir als Jungskeptikerin hat der gesamte Kongress mit seinen durchweg informativen Beiträgen Einiges an Gedankenanstössen gegeben und mein Bedürfnis, mich mit diversen Themen eingehender zu beschäftigen noch gesteigert.
Was ich als weiteres großes Plus dieser Veranstaltung erlebt habe, war die Nahbarkeit der Teilnehmer und Redner. So boten auch und gerade die Pausen eine willkommene Möglichkeit zu einem internationalen Austausch.
Daher gilt auch mein Dank den Organisatoren, der gwup und nicht zuletzt dem Team des Hoaxilla-Podcasts, welches mir die Teilnahme erst ermöglichte.
Hier noch ein kleiner Hinweis zu einem Fehler, der sich in den Beitrag eingeschlichen hat: Simon Perrys Chromeplugin heißt Fishbarrel.
http://adventuresinnonsense.blogspot.de/2011/04/fishbarrel-easy-way-to-report.html?m=1
21. Mai 2012 um 15:27
@Lydia:
Danke, habe mich schon gewundert, weshalb ich das Teil nicht finde:
http://skeptools.wordpress.com/2011/04/21/skeptical-activism-fishbarrel-asa-trading-standards-complaints-chrome/
21. Mai 2012 um 23:40
„Jungskeptikerin“ wirklich eine tolle Wortschöpfung…;-)
Dies könnte fast implizieren, daß man schon ein gewisses Alter erreicht haben muß, um skeptisch zu sein…
23. Mai 2012 um 10:23
@Ralf: :D Tjaaaaaa… So jung bin ich wohl nicht mehr… Allerdings seit noch nicht allzulanger Zeit vom Skeptivirus infiziert.
23. Mai 2012 um 12:21
Lieber Herr Harder,
Werfen Sie doch mal einen Blick darauf: http://www.hs-augsburg.de/medium/download/gh/gesundheitstag.pdf.
Unter dem Deckmantel der Gesundheit bietet die Hochschule Augsburg esoterischem Hokuspokus jeglicher Coleur eine Plattform – von Ayurveda über Feldenkrais bis zu Wasserbelebung mit Grandertechnik.
Ich nehme an, die Kraft der Pyramidenergie, die heilende Wirkung von Kristallen, Bachblütentherapie, Handauflegen nach Reiki u.ä. werden demnächst folgen.
Ich bin fassungslos! Und das an einer „University of Applied Sciences“.
23. Mai 2012 um 16:08
@ Michael Fischer
Zuerst dachte ich: Ohhhh,so kann man auch Werbung für eine Veranstaltung machen. Beim zweiten Lesen Ihrer Zeilen empfand ich Ihre Fassungslosigkeit aber doch als glaubwürdig;-)
Ich würde Ihnen empfehlen, den Verantwortlichen mal einen aufklärenden Brief zu schreiben. Damit machen Sie Ihrem Ärger Luft und vielleicht bringt es ja sogar etwas. Wenn Sie dann noch diesen Brief (bzw. Mail) hier als offenen Brief schreiben und veröffentlichen (aber bitte auch zusätzlich direkt an die Verantwortlichen schicken) sowie uns dann von der Antwort berichten, dann würde mich das sehr freuen. Ich bin schon jetzt ganz neugierig, was da mal wieder an dummen Argumenten kommt. Ohhh, sorry, das war nicht korrekt. Nicht vorgreifen.
Vielleicht gibt es in Deutschland – insbesondere in Augsburg – doch noch Menschen, die sich eines Besseren belehren lassen.
24. Mai 2012 um 23:45
@Lydia
„Skeptivirus“ – schon wieder eine tolle Wortschöpfung…;-)
Das impliziert, daß Vernunft viral ist…;-)
8. Juni 2012 um 22:01
@ Michael Fischer
Hat sich Ihre Fassungslosigkeit inzwischen etwas gelegt?
Schade, dass Sie meinen Rat offensichtlich nicht befolgt haben;-)
Oder kommt da noch was?