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„Goldfinger“ und das Loch im Flugzeugfenster

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Immer wieder sehenswert: „Goldfinger“ (heute Abend um 22 Uhr im Bayerischen Fernsehen).

Und immer wieder eine Fundgrube für allerlei interessante Wissenschaftsmythen – bei unserer letzten Betrachtung („Katastrophenmathematik a la Goldfinger“) haben wir versprochen, darauf zurückzukommen.

Nehmen wir uns mal den spektakulären „Final Fight“ vor: Am Ende wird Goldfinger in 12000 Metern Höhe durch eine zerplatzte Scheibe aus dem Flugzeug hinaus gesogen.

Kann das sein? Mal überlegen:

In der Höhe nimmt der Luftdruck ab, bei 12 000 Meter auf etwa 200 Hektopascal (hPa), gegenüber 1000 hPa am Boden. Wenn ein Flugzeug aufsteigt, lässt man den Druck in der Kabine bis zu einer Höhe von 1500 bis 3000 Metern entsprechend dem Außendruck absinken. Das stört die Passagiere höchstens, wenn sie eine starke Erkältung und total verschlossene Ohrtrompeten haben.

Darüber muss man den Druck künstlich stabil halten, weil sonst spätestens bei einer Flughöhe von 6 000 Metern die ersten Passagiere höhenkrank würden. Bei Höhen von über 8 000 Metern kann ein Mensch ohne zusätzlichen Sauerstoff nicht mehr koordiniert handeln. Was vor allem für den Piloten von Nachteil wäre.

Nehmen wir mal an – damit die Rechnung möglichst einfach wird –, der Kabinendruck wird bei 800 hPa stabilisiert, was den Druckverhältnissen in cirka 2000 Metern Höhe entspricht. Befinden wir uns jetzt aber in 12 000 Metern Höhe (bei einem Außendruck von 200 hPa) und ein Fenster wird zerschossen, ist der Druck in der Flugzeugkabine viermal so hoch wie außen.

Das bedeutet: Drei Viertel der Luft in der Kabine würden entweichen, weil die Natur immer und überall auf Ausgleich bedacht ist. Hier geht es konkret um den Druckausgleich zwischen Innen (Flugzeugkabine mit „viel“ Luft, also hohem Luftdruck) und Außen (die Umgebung des Flugzeugs in großer Höhe mit „wenig“ Luft, also geringem Luftdruck). Luft strömt stets von „viel“ Luftdruck zu „wenig“ Luftdruck.

Wie schnell das vor sich geht, hängt von der Größe der Öffnung ab. Angenommen, die Kugel geht glatt durchs Fenster hindurch und hinterlässt nur ein fingergroßes Loch, dann zieht sich der Druckausgleich entsprechend hin.

Im Film „Goldfinger“ platzt hingegen die ganze Scheibe. Dann würde sich der gesamte Vorgang wohl innerhalb von Sekundenbruchteilen abspielen („explosive decompression“), nicht so langsam, wie von Regisseur Guy Hamilton dargestellt.

Und was würde passieren? Druckverlust, Atemmasken fallen von der Decke – also mehr oder weniger das übliche Zwischenfall-Szenario in einem Flugzeug.

Was heißt „mehr oder weniger“?

Sagen wir mal so: Ob der Superschurke als Luftikus endet, wenn er auf jemanden schießt und dabei nur das Fenster trifft, ist eine Frage des Standpunktes – seines eigenen nämlich.

Wenn ein Mensch im Flugzeug ein Schussloch von einem Quadratzentimeter Fläche komplett blockiert, wird er – selbst wenn außen Vakuum herrscht – höchstens mit der Kraft von zirka 10 Newton gegen die Außenwand gedrückt, was einer Gewichtskraft von gerade mal einem Kilogramm entspricht. Problematisch könnte es nur dann werden, wenn das Loch einen Quadratmeter groß ist und der Körper die Lochform passgenau ausfüllt, so dass er das Loch auf diese Weise komplett verschließt.

Dann pustet ihn der Überdruck mit einer Kraft von 60 000 Newton (entsprechend einer Gewichtskraft von 6000 Kilogramm) nach außen, wie den Korken in einer Sektflasche,

Wenn Mr. Ballermann aber weiter vom Fenster weg steht, würde er nur von einem Bruchteil dieses Druckgefälles angegriffen. Außerdem würde die Trägheit ihn abbremsen, bis die Luft um ihn herumgeströmt ist und der Sog nachlässt. Danach käme nur noch ein viel schwächerer Sog vom Fahrtwind.

Mit einiger Sicherheit würde eine Goldfinger-Aktion wie der versehentliche Schuss auf die Flugzeugscheibe folgendes Szenario ergeben:

Rapider Druckabfall, wer nahe am Fenster steht, wird Richtung Fenster umgerissen, fällt aber vor dem Fenster zu Boden. Und kurz danach werden alle, die sich nicht ganz schnell eine der herunterfallenden Atemmasken gegriffen haben, ohnmächtig.

Zum Weiterlesen.

  • James Bond und die Wissenschaft, Skeptiker 4/2008

3 Kommentare

  1. „weil die Natur immer und überall auf Ausgleich bedacht ist“ – das hätte von einem Naturheiler kommen können.

  2. Überdruck hin oder her: der dicke Gert Fröbe (Goldfinger) hätte nie und nimmer durch dieses winzige Fensterchen gepasst! ;)

  3. Zur Veranschaulichung der Thematik empfehle ich einmal die MythBustersfolgen ‚Explosive decompression‘ oder ‚MythBusters Revisited‘ anzusehen. Ist zwar jetzt nicht extrem wissenschaftlich, zeigt aber ganz gut auf, was wirklich passiert, wenn auf einmal ein Loch im Flieger ist.

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