gwup | die skeptiker

… denken kritisch seit 1987.

Konferenz: Quo vadis, Alternativmedizin?

| 1 Kommentar

Nach dem überaus gelungenen gestrigen Publikumstag mit Rekord-Besucheransturm beginnt heute nun das Hauptprogramm der 21. GWUP-Konferenz in Wien.

Den Eröffungsvortrag bestreitet gerade Prof. Dr. Edzard Ernst mit dem Thema „Quo vadis, Alternativmedizin?“

Wir fassen kurz zusammen:

Komplementärmedizin, so Ernst, sei ein Gebiet, das sich in etwa fünfjährigen Zeitabständen neu benenne. Das aktuellste Etikett ist „Integrated medicine“ – was inhaltlich indes keinerlei Abgrenzung zu „Komplementärmedizin“ oder „Alternativmedizin“ mit sich bringe.

Sechs einschlägigen Büchern zum Thema „Integrative Medizin“ habe Ernst zu entnehmen versucht, was das Neue und Besondere an „Integrativer Medizin“ sein soll. Statt dessen sei er auf die übliche „verwirrende Dissonanz“ gestoßen, von Akupunktur bis Yoga.

Auch „Integrative Medizin“ sei somit nichts weiter als die übliche Fülle von Methoden, die nichts miteinander zu tun haben.

Als Definition schlug Ernst daher vor: „Integrative Medizin“ sei, „wo jeder jedes behaupten kann, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden“.

Integrative Medizin sei „populär, teuer und Medien-gepusht“, erklärte Ernst weiter. In Deutschland wendeten sagenhafte 65 Prozent aller Frauen und Männer innerhalb eines Jahres „alternative Methoden“ an. In Deutschland und Japan stünden solche Verfahren besonders hoch im Kurs.

Anno 2015 sollen die weltweiten Ausgaben für „Integrative“/“Alternative“ Medizin an die 93 Milliarden Dollar betragen.

Im Weiteren skizzierte Ernst einige Lebenslügen der „Integrativen Medizin:

1. IM sei „wirksam“:

Dazu zeigte Ernst exemplarisch ein Review von mehr 200 Webseiten zum Thema „Chiropraktik“, welches erbrachte, dass mehr 95 Prozent der Anbieter Heilungsansprüche erheben, die auf Anekdoten und nicht auf Evidenz basieren – auch bei ernsten und potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen wie etwa Asthma.

2. IM könne „nicht wissenschaftlich getestet werden“.

Hierzu führte Ernst aus, die Annahme, „irgendeine Therapieform“ sei in randomisierten klinischen Studien (RCT) nicht testbar, sei nicht plausibel„. Solche Behauptungen beruhten entweder auf bewusster Irreführung oder aber auf Unkenntnis der Möglichkeiten und Methodik von RCT.

Auch die bekannten Forderungen der Homöopatie nach „Ganzheitlichkeit“ und „Individualität“ fänden mühelos ihren Platz im Design einer RCT.

3. IM sei „natürlich, und alles, was natürlich ist, ist risikolos.“

Ernst belegte anhand zahlreicher Beispiele, nahezu alle Methoden der Alternativmedizin seien mit ernsten, aber massiv „unterforschten“ Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

Und der Ausblick? Ernst referierte verschiedene skeptische Aktionen der vergangenen Monate, darunter die Aktion „10:23“. Diese hätten in Großbritannien zum Beispiel dazu geführt, dass der Absatz von Homöopathika, bezogen auf NHS-Verscheibungen, um 40 Prozent eingebrochen sei.

Die „Opposition“ organisiere sich mehr und mehr effektiver – aber auch die Alternativ-Szene gestatte sich zunehmend Selbstzweifel an ihrem Tun.

Zum Schluss nahm Ernst Stellung zu Berichten über die bevorstehende Auflösung seines Lehrstuhls für Komplementärmedizin an der Universität Exeter. Nach Intervention seiner Könglichen Hohheit, des phytophilen Prinz Charles, sei Ernst vorübergehend zur „Persona non grata“ geraten und der Lehrstuhl seiner Geldmittel beraubt worden.

Nach einem Wechsel des Dekans sei es jedoch gelungen, die Situation noch einmal zu wenden.

Derzeit sei Ernst damit betraut, einen qualifizierten Nachfolger für sich selbst zu finden – es geht also weiter, auch wenn Ernst als Emeritus demnächst in die zweite Reihe tritt.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.