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Mädchen, warum wollt ihr Hexen sein?

| 16 Kommentare

Was sagt man dazu?

Vor fünf Jahren habe ich in meinem Buch „Geister, Gothics, Gabelbieger“ die Frage aufgeworfen: „Wieso wollen junge Mädchen eine Hexe sein?“

Die ersten paar Zeilen der Antwort gingen so:

Schlicht gesagt: Um frei zu sein von Sorgen und Beschränkungen.

Nicht umsonst zielt die Popularisierung und Vermarktung des Hexen-Themas vor allem auf junge Mädchen zwischen zehn und 16 Jahren. In dieser Altersgruppe sind Okkultismus und Magie besonders gefragt – ob bei Liebeskummer, Schulsorgen oder Weltschmerz.

Die „neue Hexe“, analysiert Matthias Pöhlmann vom Esoterik-Referat bei der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), „dient weiblichen Teenagern oft als Identifikationsfigur, um sich der eigenen Bedeutung bewusst zu werden und Probleme auf magisch-spielerische Weise lösen zu können.“

Stimmt das?

Gestern hat sich das jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung genau dieses Themas angenommen – und zwar in Form der populären „Jungsfrage“, der folgendes Konzept zugrunde liegt:

Immer zum Wochenende: Jungs fragen Mädchen fragen Jungs, weil manches kapiert man einfach nicht bei denen.“

Zum Beispiel eben die Sache mit der „Hexe“:

Das wirkt jetzt vielleicht nicht so zwingend, aber es ist eine Sache, die mir schon lange immer mal wieder auffällt und jetzt muss sie raus: die Hexe. In jeder Community und jedem Forum taucht diese altmodische Berufsbezeichnung auf, meistens als Teil des Namens einer Userin.

Da sind dann das Hexilein oder die Kleine Hexe, Gewitterhexe, Sexyhexe, hexchen88, etc. … Ist das ein aus der Kindheit rührendes Role-Model? Geht es ums Wildsein, wollt ihr jemanden verhexen? Sagt doch mal.“

Es antwortet die Journalistin Mercedes Lauenstein:

Hexen sind schließlich alt, schrumpelig und übel verwarzt, oder? Aber so einfach ist das nicht. Denn wir nähern uns hier einem weiblichen Instinkt, der tatsächlich allen Mädchen innewohnt. Und der in seiner ursprünglichen Reinheit außerdem unverzichtbar für die Entwicklung einer echten Superfrau ist – und daher äußerst ernst zu nehmen: die unabdingbare Faszination für starke Frauenbilder.

Die Hexe ist da durch ihre Fähigkeit des Zauberns natürlich weit oben auf der Liste der bewunderten Idole. Sie setzt sich durch ihre übersinnlichen Fertigkeiten über jegliche Formen weltlicher Macht hinweg – ganz abgesehen davon, dass sie nebenbei auch noch fliegen kann!

Sie ist auf niemanden angewiesen außer auf sich selbst – kann also tun und lassen, was sie nur will. Diese Autarkie fasziniert uns kleine Mädchen von Kindesbeinen an.“

Eine interessante Erfahrung bei Schüler-Vorträgen ist übrigens die Diskusssion um den „Liebeszauber“: Gut oder schlecht?

Allermeistens meldet sich dann eine kesse Jung-Hexe zu Wort, die engagiert und wortreich erklärt, dass sie doch nur „weiße Magie“ betreibe und damit anderen helfen wolle.

Die Gegenfrage, was daran gut und „weiß“ sein soll, einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen und dem Schicksal ins Handwerk zu pfuschen (vorausgesetzt natürlich, der faule Zauber würde tatsächlich funktionieren), führt dann schnell zu einer lebhaften Unterrichtsstunde.

Zumindest bis zu einer gewissen Altersstufe. Später empfinden die jungen Damen diese Frage allenfalls noch als seltsam.

So auch Mercedes Lauenstein:

Dazu sei aber bitte auch gesagt, dass man diese betuliche Selbstdarstellungsphase vielleicht mit spätestens 18 Jahren überwunden haben sollte. Es wäre dann nämlich gesünder, fortan sein eigenes Idol zu sein. Sich als gestandene Frau immer noch unter einem „Hexen“-Pseudonym als besonders querdenkerisch auszugeben, wirkt albern.“

Zum Weiterlesen:

  • „Mädchen, warum wollt ihr Hexen sein?“ jetzt.de am 12. März 2012
  • Wir schreiben 2012 und die Junghexe heißt Leona, GWUP-Blog am 22. Juli 2012

16 Kommentare

  1. Ansichten der Weltanschauungsbeauftragte der Amtskirchen über Esoterik sind immer wieder amüsant, rational betrachtet sind die Unterschied zwischen dem Glauben der Weltanschauungsbeauftrafte und dem esoterischen Aberglauben der Hexen irellevant. Herrn Pöhlmann ist es lieber, wenn Mädchen zu den Messen gehen und an den biblischen Märchen glauben, als sich dem Hexenglauben zuzuwenden.

    Die Ansichten Herrn Pöhlmann zu Hexen und der Wunsch Hexe zu werden mögen richtig sein, aber er Vertritt die Interesse seiner Institution und nicht das Wohlbefinden von Menschen, die solche esoterischen Rituale krank werden.

    Man sollte nicht vergesse, dass ein Scientologe, der die Psychiatrie kritisiert, auch nicht ernst genommen wird und der Grund ist offensichtlich.

  2. @Randifan: Hallo,

    << Die Ansichten Herrn Pöhlmann zu Hexen und der Wunsch Hexe zu werden mögen richtig sein<< Das denke ich auch, ja. Da ich ihn persönlich kenne, bin ich allerdings sehr sicher, dass es ihm dabei auch um das Wohlbefinden von Menschen geht. Das sage ich nicht, um die "Amtskirchen" zu verteidigen, sondern weil Herr Dr. Pöhlmann diesen Vorwurf, denke ich, nicht verdient hat.

  3. Weil der Job als braves Mädchen so ein mieser Job ist, und mangels besserer Aufstiegsmöglichkeiten für die meisten (und vor allem die mit geringeren Ressourcen ausgestatteten) – Hexe ist doch ne prima Alternative.
    Tun, was man will, über zusätzliche Kräfte verfügen, wenn auch nur herbeiphantasiert, den eigenen mangel mit Grandiosem überdecken.

    jungs wollen Männer werden, für Mädchen bleibt nur Hexe.

    Ich wette, es ist ein Phänomen des sozialen Wandels.

  4. @Bernd Harder
    Es sollte nicht der Eindruck entstehen, die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen sei eine objektive Quelle für Esoterikkritik, im Grund bewertet sie nur die Konkurrenz, wozu andere Religionen auch gehören.

    Bewertet wird nur, ob der Glaube an einen bestimmten übernatürlichen Einflüssen und Vorgänge mit dem christlichen Glauben vereinbar ist oder nicht.

    „Ebenso wenig sind polytheistische Vorstellungen mit dem christlichen Glauben vereinbar.“
    http://www.ekd.de/ezw/42787_40608.php

    Über diese Einschätzung würden sich Hexen eher amüsieren, als ihre Glaubenswelt in Frage stellen.
    „Mit Ritualen, Zauberbüchern und dem notwendigen „Geheimwissen“ taucht der Einzelne in eine magische Gegenwelt ein, um sich einer Alltagswirklichkeit zu entziehen, die er von Rationalität, Leere und Naturfeindlichkeit beherrscht sieht.“

    Rituale und Geheimwissen sind Bestandteil jeder Religion und die heiligen Bücher sind im Grund auch Zauberbücher.

  5. @Randifan:
    Also ich kann mich irren, aber in dem von Ihnen verlinkten Text lese ich zirka 80 Prozent vergleichsweise objektive Analyse – und am Schluss eine kurze Bewertung, die noch dazu unmissverständlich mit der expliziten Bemerkung(oder „Warnung“) „Kritik aus christlicher Sicht …“ eingeleitet wird.

  6. @Bernd Harder
    Nimmt die GWUP die Kritik eines Homöopathen an der Pharmaindustrie ernst, selbst wenn sie zu 80 Prozent objektiv ist? Ich glaube eher nicht und die Gründe sind offensichtlich.

    Noch mal meine Frage: Trifft diese Kritik an den Hexen nicht auch auf Religionen zu?
    „“Mit Ritualen, Zauberbüchern und dem notwendigen „Geheimwissen“ taucht der Einzelne in eine magische Gegenwelt ein, um sich einer Alltagswirklichkeit zu entziehen, die er von Rationalität, Leere und Naturfeindlichkeit beherrscht sieht.”

    In Grunde begründet die Instution, die von Evangelischen Weltanschauungsbeauftragten vertreten wird, ihre Autorität auch auf ein
    „Zauberbuch“. Hier wird ein ganz spezifischer Zauberspruch beschrieben:
    4. Mose 5,15-27
    Sind Gebete nicht auch Zaubersprüche? Wird da nicht auch eine übernatürliche Macht aufgerufen, auf irrationale Weise ins natürliche Geschehen einzugreifen.

    Meiner Meinung beschreibt die Redensart „den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im fremden Auge“ die Art und Weise wie diese Instution mit dem Irrationalen und der Esoterik umgeht.

    Solche Leute können die Bevölkerung nicht über die Irrationalität der Eosterik aufklären, weil die Kritisiert leichtes Spiel haben, diese Kritik unglaubwürdig wirken zu lassen.

    Mehr werde ich nicht mehr zum Thema schreiben.

  7. Es ist doch immer wieder erstaunlich festzustellen, wie immer von vielen immer noch davon ausgegangen wird, dass Hexen irgendetwas mit den Christen bzw. dessen Gegenspieler zu tun hätten. Der Teufel, Satan oder wie auch immer man ihn nennen mag ist Bestandteil des christlichen Glaubens und soll es auch gerne bleiben. Wirkliche Hexen haben rein gar nichts mit ihm zu tun. Die meisten gehen offensichtlich immer noch von dem Hexenbild aus welches im Mittelalter von der Kirche gestaltet wurde – sei es um Konkurrenz auszuschalten – da viele Hexen kräuterkundige Frauen, Hebammen und gelehrte Frauen waren, welches sich nicht einfach unterwerfen ließen – oder auch einfach um Wiederstand zu brechen, da sie für sich selbst den Anspruch des einzig wahren Glaubens erhob. Wer sich jedoch etwas mit auseinandersetzt, was eine Hexe wirklich ist, wird schnell merken, dass es sich dabei um eine uralte Naturreligion handelt, welche sehr viel Selbstverantwortung, Selbstdisziplin, Ehrlichkeit, etc. fordert.

    Die Frage „Die Gegenfrage, was daran gut und “weiß” sein soll, einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzuzwingen und dem Schicksal ins Handwerk zu pfuschen (vorausgesetzt natürlich, der faule Zauber würde tatsächlich funktionieren),…“ – ist eigentlich einfach und schnell beantwortet, da eine wahre Hexe (also niemand der einfach nur gegen das christliche rebellieren will) niemals einem anderen Menschen den eigenen Willen aufzwingen wird. Einer der obersten Grundsätze der Hexen lautet „Tu was du willst – SOLANGE ES NIEMANDEM SCHADET“ „Alles was du tust kehrt 3-fach zu dir zurück“. Würde also ein Schadenszauber gesprochen werden, so käme dieser 3-fach zu derjenigen zurück, welche ihn ausgesprochen hat – dieses Risiko wird keine wirkliche Hexe eingehen. Außerdem kann man bei harten Fällen der betreffenden Person einfach wünschen, dass ihr das wiederfahren möge, was sie anderen antut. Und das ist definitiv kein Schadenszauber, sondern lediglich eine Lektion aus der der Betroffene lernen kann/soll, was er anderen antut, um sein Verhalten somit zum Guten zu wandeln.

    Kurz noch eine Anmerkung zu „jungs wollen Männer werden, für Mädchen bleibt nur Hexe.“ Nichts für Ungut, aber was bitte soll besonderes daran sein ein „Mann“ zu sein? Es ist doch letztlich nicht mehr und nicht weniger, denn eine Frau. Schließlich ist nicht das Geschlecht von Wert, sondern der Charakter eines Menschen, denn jeder Mensch hat seine Stärken und seine Schwächen, unabhängig vom Geschlecht“. :)

  8. @brightness:
    Das ist so einer der vielen Kommentare, die uns regelmäßig ein wenig sprachlos machen.

    a) Wovon um alles in der Welt redest Du? Weder in dem Blogging noch in dem Ausgangsbeitrag in der SZ noch bei den zitierten Links noch sonst irgendwo ist auch nur mit einer Halb-Silbe die Rede davon, dass „Hexen“ etwas mit dem Teufel zu tun haben.

    Ich gehe mal davon aus, Du suchst einfach nur einen Aufhänger, um Deinen Hexen-Sermon zu verbreiten, ohne auch nur im Ansatz auf das einzugehen, was tatsächlich da steht.

    b) Meinst Du das wirklich alles ernst, was Du da von Dir gibst? Manchmal höre ich so etwas bei Schülervorträgen in der 5. Klasse, wo das Wissen noch aus „Witch“-Comics oder „Sailor Moon“ stammt.

  9. Zitat brightness

    Einer der obersten Grundsätze der Hexen lautet “Tu was du willst – SOLANGE ES NIEMANDEM SCHADET”

    Ich kenne das anders:
    Do what thou wilt, shall be the whole of the Law
    *breitgrins*

  10. @Ralf:

    Crowleys Neo-Satanismus hat aber wenig mit Hexen zu tun.

  11. @Bernd Harder
    Ja, das stimmt, aber das „Zitat“: Tue was du willst, erinnert aber doch sehr an das Zitat aus dem „Book Of Law“ von Crowley.
    Nur mal anmerke: Auch wenn jemand etwas „Gutes“ gegen den Willen eines Menschen tut, so ist das ein Zwang…ein freier Mensch hat auch das Recht Fehler zu machen…

  12. @Ralf:

    Ja gewiss ist die erste Hälfte des Hexen-Mottos von Crowley, aber offenbar eigenhändig modifiziert mit dem Nachsatz.

  13. @Bernd Harder
    Ja, so kam es mir auch vor…und darin sehe ich auch das Problem, wenn Dinge vermischt werden…man kann von Crowley halten was man will (ich bin auch kein Fan von ihm), aber er hat versucht „Religion“ – im weitesten Sinne – auf eine philosophische Ebene zu heben, die entfernt ist von Doktrinen (ob das überhaupt sinnvoll bzw möglich ist, ist eine andere – philosophische bzw theologische Frage.)

  14. Natürlich bedeutet keine (direkte) Doktrin, eine Leere, die ein Surrogat benötigt:
    Dieses Surrogat ist die Magick, einen Kult, der in seiner Gänze, die Religion kompensiert.

    P.S. Ich weiß, das ich mit dem: „Recht auf Fehler“, das ich in einem obigen Kommentar nannte, in die Hände der „Impfgegner“ spiele…aber auch das ist eine Frage der Ethik, bzw Philosophie und deshalb bin ich der Meinung, das die Aufgabe der Philosophen, nicht der Beweis einer Entität einer „Seele“ ist, sondern ethische Konsequenzen zu beurteilen…ja, es sollten humanistische „Theologen“ sein…

  15. …oftmals wird der Zusatz unterschlagen: „…Love is the law, love under will“ – mMn ist es auch „nur“ eine Provokation des Christentums und hat nichts wirklich mit der „Pseudoreligion“ zu tun (bis auf den Nebensatz)…Dieser zweite Hauptsatz widerspricht dem ersten Hauptsatz fundamental: Wenn ich alles tun kann, was ich will, dann „muß“ ich auch nicht lieben…aber auch dies ist ein Zeichen der „Schizophrenie“, dieser „Anti-Religion“…eine „Anti-Religion“ ist immer auch eine Religion…selbst der „Antichrist“ ist ein Prophet Gottes, er bewiese zumindest für die Gläubigen, die Existenz der „Wahren Religion“.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Thelema

  16. Viel Ahnung hat die Autorin vom Thema nicht:

    „Auf Demonstrationen, in Magazinen und Büchern sind sie wieder präsent: Die Figur der Hexe avanciert in Frankreich gerade zum Symbol weiblicher Selbstermächtigung.“

    https://www.zeit.de/kultur/2018-10/feminismus-hexen-bezeichnung-negativitaet-symbol-weibliche-selbstermaechtigung-10nach8

    War schon vor 40 Jahren in Italien so:

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14326705.html

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