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Walpurgisnacht: Skeptiker laden ins Spukschloss

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Magie, Zauberei und Hexenverfolgung in Darmstadt: Am Mittwochabend vor der diesjährigen GWUP-Konferenz laden die Skeptiker zur Hexennacht ins Residenzschloss, denn am 30. April ist traditionell Walpurgisnacht. Dann geistern weiße Frauen, Hexen und ein Magier durch den Festsaal des Jahrhunderte alten Gemäuers – heraufbeschworen von der GWUP höchstselbst. Obwohl den Skeptikern der Ruf von „Ghostbusters“ vorauseilt, lassen sie diesmal die Geister sprechen: zur Primetime ab 19.30 Uhr. Das komplette Programm finden Sie hier.

Mit von der Partie ist u.a. der Augsburger Volkskundler Dr. Stephan Bachter. Er spricht über „Hexen, Geister, Grimoires“. Ein Grimoire ist ein altes Buch mit magischem Wissen, und davon beherbergt die heutige Universitäts- und Landesbibliothek im Schloss Darmstadt einige Dutzend aus dem Nachlass des Okkultisten Karl Wunderlich (1769-1841). Bachter ist ein Experte auf dem Gebiet: Er wurde 2006 mit einer Studie über Zauberbücher promoviert und ist Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP. Bernd Harder, Pressesprecher der Skeptiker, sprach mit ihm über Geister, Magie und die mysteriösen Bücher Mosis.

Herr Bachter, kennen Sie eine Zauberformel, die mich auf einen Schlag reich und wohlhabend macht? Oder einen Spruch, den ich gegen meine Feinde einsetzen könnte?

Stephan Bachter: Solche Zauberformeln kenne ich zuhauf. In der Handschriftenabteilung der Universitäts- und Landesbibliothek im Darmstädter Schloss gibt es etwa eine Handschrift mit dem schönen Titel „Wahrhafte Beschwörung eines Schatzgeistes, dass derselbe seinen Scha[t]z in das Zimmer bringen muss“. Die sogenannten Zauberbücher sind voller Anleitungen und Sprüche, die einen Menschen reich, schön und beliebt machen sollen. Der Darmstädter Rat Karl Wunderlich hat Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts viele solcher Zauberbücher gesammelt. Aber genauso wenig wie Wunderlich bin ich bisher durch solche Zauberformeln reich geworden.

Zu schade, dass das wohl nicht wirklich funktioniert. Wieso aber glaubte Karl Wunderlich zutiefst daran, dass Zauberbüchern die Macht innewohnt, Gold herzustellen, Schätze zu finden, dienstbare Geister herbeizurufen? Was war das für ein Zeitgenosse?

Stephan Bachter: Wunderlich war einerseits ein Kind der Aufklärung, ein Finanzbeamter, der in Gießen und Heidelberg Kameralwissenschaft studiert hatte, der sich für Technik begeisterte und mit Thermometern experimentierte. Andererseits versuchte er wie ein frühneuzeitlicher Magier, wie Faust oder Paracelsus, zu entschlüsseln, was die Welt im Innersten zusammenhält. Zu berücksichtigen ist noch die besondere Atmosphäre damals in Darmstadt, am Darmstädter Hof. Wunderlich teilte die Leidenschaft seiner Landesherren, der Landgrafen von Darmstadt, die ein besonderes Faible für die okkulten Künste hatten und selbst Geisterbeschwörungen und magische Schatzgräberei betrieben.

Wie viele Zauberbücher oder Grimoires und andere seltsame Utensilien sammelte Wunderlich im Laufe seines Lebens denn so zusammen?

Stephan Bachter: Es ist die Rede davon, dass Wunderlich eine 3000 Bände umfassende magische Bibliothek besessen haben soll. Dazu kam noch eine Sammlung von Geräten, Tiegeln, Öfen, Retorten, Erdspiegel, Wünschelruten oder Zauberkreisen. Leider wurde nach Wunderlichs Tod die Sammlung nicht komplett als geschlossener Bestand erhalten. Im Zweiten Weltkrieg ist bei den schweren Luftangriffen auf Darmstadt zudem wohl noch einiges von den alten Buchbeständen vernichtet worden. Erhalten haben sich aber Dutzende der wertvollen Handschriften und ein Zettelkasten mit dem Verzeichnis der magischen und alchemistischen Schriften.

Und diese Bücher befinden sich heute in der Handschriftenabteilung der hessischen Universitäts- und Landesbibliothek im Darmstädter Schloss?

Stephan Bachter: Ja, und Darmstadt besitzt damit einen ganz außerordentlichen Handschriftenbestand. Eine Besonderheit ist hier, dass sich in manchen Fällen sowohl die älteren Vorlagen erhalten haben als auch die Kopien, die Wunderlich davon angefertigt hat. Von dem wohl berühmtesten Zauberbuchtitel, dem „6. und 7. Buch Mosis“, besitzt die Darmstädter Bibliothek eine der ältesten Handschriften dieses Werks.

Bücher werden normalerweise mit „Wissen“ und „Aufklärung“ assoziiert. Anscheinend aber trugen Bücher auch zur Verbreitung des Aberglaubens bei?

Stephan Bachter: Im Schatten, den das Licht der Aufklärung warf, war die Verbreitung okkulten Gedankenguts leichter als jemals zuvor. Die volkskundliche Magie- und Aberglaubensforschung konnte in den vergangenen Jahren zeigen, dass Aufklärung und Buchdruck paradoxerweise auch zur Verbreitung von Aberglauben beigetragen haben. Die Aufklärung steigerte die Lesefähigkeit der breiten Bevölkerung, gleichzeitig wurden Buchproduktion und -vertrieb immer effizienter. Nun erreichten auch magische und okkulte Lesestoffe, die früher nur wenigen Eingeweihten zugänglich waren, ein breites Publikum. Wenn die Aufklärer zudem Zauberbücher veröffentlichten, um ihren Inhalt der Lächerlichkeit preiszugeben, so stellten sie damit gleichzeitig den Text zur Verfügung, und jedermann, der sich dafür interessierte, konnte nun mit den geheimnisumwitterten Texten zaubern.

Sie haben das vielleicht bekannteste Zauberbuch angesprochen, das heute noch breit beworben und verkauft wird: das „6. und 7. Buch Mosis“. Was hat es denn damit auf sich?

Stephan Bachter: Das „6. und 7. Buch Mosis“ enthält angeblich die geheimen Zaubersprüche, das hermetische Wissen des Moses und anderer alttestamentarischer Gestalten, das angeblich in der Bibel unterdrückt werde. Der Titel taucht im 18. Jahrhundert auf Handschriften wie jene in Darmstadt das erste Mal auf, seit 1849 gibt es auch gedruckte Ausgaben. Typisch für das „6.und 7. Buch Mosis“ wie für alle Zauberbücher ist, dass sie von ihren Verlegern nach dem Baukastenprinzip zusammengestellt werden. Das führt dazu, dass man unter einem Titel sehr verschiedene Inhalte finden kann. Das „6. und 7. Buch Mosis“ enthält daher in manchen Ausgaben nicht das versprochene Geheimnis der Geheimnisse, sondern Hausmittel gegen Warzen, Trunksucht oder Fußschweiß, Anweisungen fürs Haare waschen oder Tipps für die Bienenzucht. Übrigens war auch ein achtes, neuntes, zehntes, elftes und zwölftes Buch Mosis im Umlauf. Wer sich für dieses Thema interessiert hat im Internet kostenlos Zugriff auf meine Studie über Zauberbücher.

Literatur zum Thema:

Autor: Stefan Kirsch

Stefan Kirsch: Diplom-Germanist und Redakteur, aktiv in der GWUP seit 2000. Studium der Germanistik, Journalistik, Philosophie und Psychologie an der Universität Bamberg, Mitglied im Deutschen Journalisten-Verband (djv). Beruflich ist er in der Unternehmenskommunikation eines deutschen Technologie-Konzerns tätig.

3 Kommentare

  1. Die „Geisterstunde“ der Skeptiker – mit der Faszination des Magischen die Magie erhellen….eine gute Idee ;-)

    Schade, dass das ganze in Darmstadt stattfindet, sonst wäre ich dabei gewesen…..Ich hoffe, dass wir darüber hier einiges zum Lesen bekommen.

    „Bücher werden normalerweise mit “Wissen” und “Aufklärung” assoziiert. Anscheinend aber trugen Bücher auch zur Verbreitung des Aberglaubens bei?“

    Nachdem ich eine Weile die „Wissenschaftsblogszene“ verfolgt habe: da gibt es auch einige „angebliche“ – meist anonym bloggende „Wissenschaftsblogger“, welche unter dem „Deckmäntelchen“ der Aufklärung – Wissenschaft wortgewaltig, aber ohne Substanz kritisieren. Davon scheint eine ähnliche „Magie“ auszugehen, denn diese Blogs erfreuen sich großer Beliebtheit im Gegensatz zu Blogs, welche, wie die GWUP, mit wissenschaftlichen Methoden analysieren……. Die „Geschichte“ holt uns immer wieder ein ;-)

  2. @ Monika Armand: Vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar! Schade, dass Sie nicht nach Darmstadt kommen können, aber wie schon im vergangenen Jahr wollen wir auch diesmal live von der Konferenz bloggen. Die wesentlichen Inhalte können Sie dann hier im Skeptiker-Blog nachlesen und später auch im gedruckten „Skeptiker“, unserer Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken. Und was die Resonanz der von Ihnen erwähnten Magie-Blogs betrifft: Sehen wir’s sportlich – und zwar als die Herausforderung, wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden noch besser, noch verständlicher und noch wirksamer zu kommunizieren. Ein Paradebeispiel für extravagante Wissenschaftskommunikation vs Aberglaube kommt gerade aus Indien herein, siehe ganz frisch hier im Blog: Skeptiker vs Magier: Tod durch Tantra? (no Sex!) ;-)

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